Conclusio. Thorsten Klein
Und natürlich hatten auch die Nazis nicht alle klugen Köpfe aus Deutschland vertrieben. Das gefiel Scandia überhaupt nicht. Sie hatten vertriebenen deutschen Wissenschaftlern Asyl gewährt. Nun sorgten sie für eine rasche Entwicklung der Atomwaffe. Erst in England, später in den USA. Sie selbst hatten schon lange welche. Wollten aber keinen Atomkrieg vor ihrer Haustür. Deshalb sollten die USA den Nazis bei dieser Waffentechnik zuvorkommen.“
„Aber Aidoneus arbeitete doch daran, dass die Nazis auch ihre Wunderwaffen einsetzen konnten. Meines Wissens war darunter nicht nur ein Stealth-Flugzeug, sondern auch eine funktionierende Atombombe“, erinnerte ich ihn.
„Ob sie funktionieren würde, konnten die Nazis nie testen.“
„Das hatten sie aber noch vor. Über London.“
„Toller Plan, nicht wahr? Aidoneus bewies wieder einmal, dass ihn die anderen Götter zu Recht eingesperrt hatten. Eingesperrt konnte nur sein Geist Schaden anrichten. Da ihn Richard Renatus überreden konnte, einen menschlichen Körper zu benutzen, war die Gefahr, die von Aidoneus ausging, viel schwerer zu kontrollieren. Kowalski, der den Auftrag hatte, ihn zu überwachen, sollte das sofort feststellen.“
„Kowalski? Der hat doch mit den anderen Göttern seines Neuen Hohen Rates gegen Ricardo Bellator gekämpft. Um Sakania vor dessen Wut zu retten. Mit diesem Kampf musste ich mein letztes Buch beenden. Wie ist der denn ausgegangen?“
„Unentschieden.“
„Unentschieden? Was soll das heißen?“
„Dass alle verloren haben. Der Neue Hohe Rat wusste, dass das kommen konnte. Schließlich können sie die Zukunft berechnen. Bcoto hat einen Tag vor diesem Kampf noch versucht, ihren Vater davon abzuhalten, Sakania zu töten. Vergeblich, wie du weißt. Aber das kannst du dir selbst ansehen.“
Damit riss er mich nach unten.
In die Tiefe.
Dorthin, wo Psyche auf uns wartete.
Damit ich berichten konnte, was ich dort live erlebt hatte.
1. Kapitel Nullpunkt
„Manchen schien es, als wartete er [Heinrich Himmler] nur noch auf den Tod Adolf Hitlers, um sich endgültig an die Spitze des Staates zu stellen.“
Heinz Höhne, „Der Orden unter dem Totenkopf“, (Erde, 1967)
Ort: Psyche, Mount Melbourne, gestern
Bcoto stand im Inneren eines aktiven Vulkans, inmitten unvorstellbar heißer, brodelnder Lava.
Sie konzentrierte sich auf die Lava, die neben ihr erschien und ein Gesicht formte. Jenes Gesicht, dass dem des schwarzen Herzogs so ähnlich war. Auch die Stimme klang nach der des Herzogs. Nur gewaltiger und kaum menschlich.
„Ich spürte eine mächtige Erschütterung. Also ist es ihnen gelungen, sich das Atom zu unterwerfen?“
„Der Atombombentest war erfolgreich“, bestätigte Bcoto.
„Dank deiner Hilfe?“
„Auch Dank meiner Hilfe“, schränkte Bcoto ein.
„Es ist Sakania nicht gelungen, den Test zu verhindern? Gut. Götter, die sich gegen mich stellen, müssen schon sehr mächtig sein, um mich zu besiegen.“
„Du hast mir versprochen, Sakania in Ruhe zu lassen.“
„Du hast mir versprochen, diese Welt zu zerstören, um mich zu befreien.“
„Ich habe dir versprochen, dich zu befreien“, stellte Bcoto richtig.
„Indem du Psyche vernichtest“, beharrte er.
„Und ihre Bewohner?“, gab sie zu bedenken.
„Die hatten ihre Chance. Ihre Schlechtigkeit nimmt zu und ihr Sinnen und Trachten ist nur auf das Böse gerichtet. Ich habe ihnen diese Welt geschenkt. Sieh, was sie aus ihr gemacht haben“, grollte das Lavagesicht.
„Hör auf, so einen Scheiß zu labern“, unterbrach ihn Bcoto wütend. „Es ist Richard Raths Welt. Er hat sie erschaffen. Deine Aufgabe war es, ihm diese Welt zu erhalten. Da dich deine Aufgabe überfordert, werden wir dich befreien. Dabei helfe ich dir. Schon für Sophia Demeter.“
„Sie lebt noch?“
„Selbstverständlich. Und sie ist immer noch für ein halbes Jahr auf Psyche, wie sie es dir einst versprochen hat. Spürst du sie nicht mehr?“
„Manchmal. Dort, wo es Natur gibt. Aber auch die nimmt immer mehr ab. Auch so ein Werk der Menschen. Sie haben alles verlernt, was ich sie einst lehrte.“
„Stimmt. Sie wissen nicht einmal mehr, dass es dich noch gibt oder dass es dich gegeben hat. Wenn du frei bist, werden sie es erkennen.“
„Das geht nur über die Zerstörung dieser Welt. Es leben Menschen darin, sie besitzen Atomwaffen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis sie diese Welt vernichten.“
„Sie werden lernen, diese gewaltigen Kräfte zu beherrschen und richtig zu gebrauchen. Dazu benötigen sie noch viel mehr Zeit. Wir werden sie ihnen geben. Dann wirst du bereits frei sein“, erklärte Bcoto in einem Ton, der Diskussionen ausschloss.
„Das werde ich nicht. Ich spüre, dass Sakania andere Pläne verfolgt. Pläne, die mir schaden“, gab sich die Lava bockig.
„Lass sie in Ruhe.“
„Wenn sie mir schadet, werde ich sie vernichten“, ließ sich Ricardo Bellator nicht von seinem Standpunkt abbringen.
„Wenn du das versuchst, wirst du unsere gemeinsame Macht kennenlernen“, drohte Bcoto.
„Eure gemeinsame Macht?“ Der Vulkan erbebte unter seinem gewaltigen Lachen.
„Lass es uns auf unsere Weise tun. Dann wirst du wirklich frei sein“, versuchte Bcoto, ihn zu beruhigen.
„Wann?“
„In genau sechzehn Jahren.“
„So lange noch.“ Es klang enttäuscht. Soweit sprechende Lava enttäuscht klingen konnte.
„Du wartest schon so lange. Die paar Jahre werden wie im Fluge vergehen. Vielleicht beteiligst du dich auch aktiv daran? Dann muss sich Maria nicht wieder allein um das passende Wetter kümmern“, bat Bcoto.
„Ist der Krieg denn schon vorbei?“
„Er liegt in den letzten Zügen. Die Russen stehen vor Berlin. Sie werden nicht nach Paris und Rom ziehen.“
„Doch, das werden sie. Wer soll die Selachii aufhalten, wenn sie „Mission Unthinkable“ umsetzen?“, widersprach er.
„Wir.“
Wieder erbebte der ganze Vulkan unter seinem Lachen.
„Wir haben nicht nur Richard Renatus als Verbündeten, sondern auch Maria Miseria. Eine sehr zornige Maria Miseria, da du ihre Töchter bedrohst“, warnte sie.
Bei Marias Namen war die Lavagestalt ruhig geworden. „Maria ist wieder in dieser Welt?“, fragte Bellator nach einer Weile. Es klang fast ein wenig ängstlich.
„Schon lange. Du hast es nicht gespürt? Merkst du nicht, wie dir diese Welt entgleitet?“
Wieder schwieg Bellator eine Weile. „Natürlich spüre ich das. Aber seit dem mir die Selachii helfen, ist es nicht mehr so schlimm.“
„Die Selachii helfen nur den Selachii. Sie erkennen keine andere Spezies, als ihre eigene als gleichwertig an. Schwach gewordene Götter verspeisen die zum Frühstück.“
„Das haben sie noch nicht.“
„Weil sie sich durch dich Zugang zu dieser Welt erhoffen. Den kannst du ihnen gern bieten. Wir verspeisen sie dann zum Frühstück. Maria ist