Granero. Hans-Jürgen Döpp

Granero - Hans-Jürgen Döpp


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Brava.

      Dagegen genossen namhafte Toreros noch bis in die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hinein höchste Anerkennung in der Gesellschaft. Sie wurden idealisiert und idolisiert. Man identifizierte sich mit ihnen, sie galten in der ganzen Bevölkerung als Vorbild. Der Tod eines bedeutenden Toreros kam dem Tod eines Helden gleich.

      Der Verlust des Idols hinterließ Leere und Verzweiflung – Depression! Das Bild kollektiver Trauerbekundungen anlässlich seiner Beisetzung wiederholte sich zu jener Zeit häufig. Immer wieder gab es den Tod eines Toreros zu beklagen, weil bis zur Entdeckung des Penicillins selbst geringfügige Hornverletzungen oftmals letal endeten.

      Dem gewaltsamen Tod Manuel Graneros war nur zwei Jahre zuvor der dramatische Tod eines anderen, noch größeren „Helden“ jener Epoche vorausgegangen: „Joselito el Gallo“ (José Gómez Ortega), erlag im Alter von 25 Jahren, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, in der Plaza von Talavera de la Reina den schweren Hornverletzungen, die ihm der Stier ´Bailador` zufügte. Der Name dieses Stiers ist heute noch, über hundert Jahre danach, präsent für viele Menschen. Mit Joselito, dem gefeierten „Rey de los Toreros“, bleibt auch der Toro ´Bailador`, der ´Tänzer`, in ehrenvoller Erinnerung. Diejenigen der „toros bravos“ (übersetzt: „tapfere Stiere“), die den Tod eines berühmten Matadors verursachen, werden in der alles umfassenden Trauer um den Verstorbenen gewürdigt, haben Anteil an dessen Ruhm.

      Joselito el Gallo, die bis heute unvergessene Lichtgestalt in der taurinischen Welt, war tot; seine Anhängerschaft, desolat, trost- und orientierungslos, fühlte sich verloren, verlassen von ihrem Idol. Für Manuel Granero, gerade 18 Jahre alt, fast noch im Alter eines talentierten Wunderkinds, war der gefeierte große Maestro schon lange ein unerreichbares Vorbild gewesen. Der Weg, ihm nachzufolgen, war nun frei. Granero schien das ideale Ersatzobjekt der Stunde. Die taurinische Afición in ganz Spanien besetzte ihn als neues Idol, war ihm liebe- und respektvoll zugeneigt.

      Zwei Jahre dauerte es, bis auch Manuel Granero, der liebenswerte Zwanzigjährige, dem Stier begegnete, der unter besonders grauenvollen Umständen seinem Leben ein jähes Ende bereitete und dessen Name ´Poca Pena` (der Kecke, der Unbekümmerte) für immer unauslöschlich mit seinem Namen im Gedächtnis der Nachwelt verbunden bleibt.

       Granero, Das Idol

      (Leben, Lieben und Tod des Gladiators)

       El Caballero Audaz

       y Juan Ferragut

       MADRID 1922

      Übertragung aus dem Spanischen ins Deutsche: Torodora Gorges, 2019

       Meine erste Begegnung mit Granero

      Es war letztes Jahr, im Restaurant „Bilbaíno“.

      Wir, zwei Literaten, aßen dort um die Mittagszeit - Juan Ferragut, der Autor von “Erinnerungen eines Legionärs“ und ich.

      Die Jalousien vor den halb geöffneten großen Fenstern schufen im Speisesaal ein angenehm sanftes Dämmerlicht … Draußen sandte die Frühlingssonne golden glänzende Strahlen über die Straße …

      Mit uns speiste ein Publikum von unauffälliger Eleganz und korrekten Umgangsformen, das bei seiner Unterhaltung diskrete Lautstärke wahrte.

      Hin und wieder ertönte ein silberhelles Lachen wie klirrendes Glas, was die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Zum ersten Mal in diesen Frühlingstagen zeigten sich die Frauen in Garderoben aus heller Seide…..

      Von einem Tisch nahe dem unseren erhob sich ein elegant in Dunkelblau gekleideter junger Mann und begrüßte Ferragut, der seinerseits aufstand, um ihm herzhaft die Hand zu schütteln.

      Meiner Gewohnheit gemäß, alles zu beobachten, was sich um mich herum ereignet, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Unbekannten, der sich, etwas entfernt, mit meinem Freund unterhielt….

      Er war ein Typ von angenehmem Auftreten: groß, schlank und grazil, mit heller Haut und dem offenherzigen Lächeln eines jungen Menschen; glänzendes Haar, hell schimmernd, linksseitig gescheitelt und zarte feingliedrige Hände, gut gepflegt wie die einer feinen Dame …. Er sprach mit sanfter, etwas nervös-erregter Stimme, gelegentlich verzog er dabei die Lippen wie bei einem Tic.

      Ich weiß nicht, wieso, aber der makellos wirkende blasse Unbekannte kam mir vor wie ein Medizinstudent.

      Für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke; und da wendete der junge Mann sich mit liebenswürdigem Lächeln an mich und sagte laut: „Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Caballero Audaz!“ „In Ordnung“, antwortete ich mit ehrlicher Sympathie. „Reden Sie nur: und wenn es mir möglich ist ….“

      Nun kam er näher und, ohne sein jungenhaftes Lächeln aufzugeben, äußerte er, etwas schüchtern und beinahe ängstlich, die Bitte: „Ich gehöre zu ihren Lesern und besitze alle ihre Bücher… Wenn es ihnen keine Umstände bereitet, würde ich sie ihnen schicken, damit sie sie mir mit einer Widmung versehen“ …. -

      „Aber ja, junger Mann!“ entgegnete ich im Gefühl der freudigen Dankbarkeit, die wir empfinden, wenn wir in unserem Gegenüber einen Befürworter unserer Arbeit oder Kunst zu erkennen meinen! „Ich freue mich!“

      Wir redeten kurz über meine Romane … La bien pagada (Die Hochbezahlte) hatte er im Morgengrauen gelesen…. La sin ventura (Die Unglückliche) gefiel ihm am meisten … Ihn zogen diese Geschichten vom Leben in Sünde an.

      Plötzlich zögerte ich. Wer war dieser junge Bursche? Seiner Konversation fehlte es an Ausgewogenheit – möglicherweise das Ergebnis einer bedenkenlosen, mondänen Lebensführung – mit seinem bartlosen Gesicht und seinen melancholisch und unschuldig blickenden Augen…. Doch bald gab ich meine Zweifel auf. Meinen kleinen Notizblock zückend, sagte ich zu ihm: - „Morgen können Sie mir die Bücher nach Hause schicken. Falls Sie nicht alle besitzen, wäre es ein Vergnügen für mich, sie aus dem Fundus meiner Werke zu vervollständigen.

      Sagen Sie mir bitte Ihren Namen!“ -

      Jetzt intervenierte Ferragut und er stellte mir den jungen Mann vor. „Aber kennen Sie ihn denn nicht?“ - fragte er mich verwundert. - „Das ist Manuel Granero, der berühmte Stierkämpfer, der Torero de Moda“. Wir gaben uns die Hand…..

      Ich empfinde große Sympathie für solche Menschen, die ihr Leben beherzt zum Einsatz bringen.

      Lisa Zirner, Paris 2005

      „Setzen Sie sich“, lud ich ihn ein.

      Dann stellte ich ihm die beiden jungen Damen vor, die sich in unserer Begleitung befanden.

      Granero trank mir liebenswürdig zu.

      „Ich weiß, dass sie ein guter Freund des armen Joselito waren“ – bei Erwähnung des Namens von diesem wunderbaren, tapferen und überaus sympathischen Künstler trübten sich seine Augen voller Traurigkeit – „und ich wünschte mir, dass sie auch der meine würden.“

      „Hombre, ich bin dabei, mit Begeisterung! So soll es sein!“

      Andere Freunde gesellten sich zu uns, unter ihnen Manolo Domingo, der mit seinem sonnengegerbten, sympathischen Gesicht und dem stattlich-sportlichen Auftreten die Aura eines andalusischen Stierkämpfers hatte… Wir tranken in geselliger Runde nach dem Essen einige Gläser Champagner.

      Gemäß meiner Obsession, Seelen zu erforschen, fragte ich Granero: - „Sind

      sie zufrieden in ihrem Beruf?“ -

      „Ja“, antwortete er mit Nachdruck, „Torero zu sein war immer mein Ideal“….


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