Realpräsenz Jesu Christi - Band 1: "Dies (ist mein Leib" ... "Dies ist mein Blut". Christoph Göttert

Realpräsenz Jesu Christi - Band 1:


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er ist für uns gestorben, in ihm hat Gott „die Welt mit sich versöhnt" (2 Kor 5,19). Die Marter des Gottessohnes am Kreuz ist kein Kultopfer, sondern die brutale Hinrichtung eines unschuldigen Menschen. Der Tod Jesu am Kreuz ratifizierte das Ende aller menschlichen Kultopfer 62 - auch wenn die Heilsbedeutung des Todes Jesu im Neuen Testament mit Hilfe von Kultsprache gedeutet wird (z.B. Röm 3,25).

      Dies hängt damit zusammen, dass Jesus am Kreuz für uns sein Leben dahingegeben hat. In welchem Sinn also können wir von der Eucharistie als Opfer sprechen? Noch ist vom „Opfer“ die Rede, insgesamt muss aber das Verhältnis von „Opfer“ und „Gabe“ geklärt werden.

      Die Eucharistie, wir können auch vom Herrenmahl oder Abendmahl sprechen, ist ein Opfer abseits solcher Opferpraktiken wie Tierverbrennungen und Ähnlichem. Die eucharistischen Gaben von Brot und Wein unterscheiden sich von den Tieropfern, die im Tempel in Jerusalem dargebracht wurden. Sie differieren aber auch mit den Getreideopfern, die man Gott widmete. Die Kirchenväter nennen die Eucharistie ein „geistiges Opfer". Der Gedanke des geistigen Opfers wurde durch die griechische Philosophie, etwa bei Seneca (1-65 n. Chr.) und dem jüdischen Religionsphilosophen Philo von Alexandrien (10/ 15-40 n. Chr.) vorbereitet. Für Philo ist es unangemessen, Gott materielle Gaben und Opfer darzubringen. Gott gebühre es vielmehr, ihm zu danken. Den Dank bezeichnet Philo als „Opfer der Danksagung"63.

      Der Dank gibt zurück, was wir empfangen haben; er bedeutet, sich gegenüber Gott wie jemand zu verhalten, der empfangen hat. Das „Brot des Lebens" und der „Kelch des Heils" werden Gott dargebracht (geschenkt), um Dank zu sagen für das am Kreuz hingeschlachtete Opfer Jesu, für das wir uns wohlbeschenkt verhalten und symbolisch danken für die Gabe, die er uns im Kreuz seines Sohnes und im Sakrament der Eucharistie schenkt. Die Eucharistie ist ein Opfer danksagender Darbringung. Der zentrale Inhalt des Dankes sind nach biblischem Verständnis die magnalia Dei, die Großtaten Gottes. Das Gebet der Kirche ist an erster Stelle Lobpreis und Dank, es kennt aber auch die Bitte, mitunter auch die Klage.

      Die offizielle Benennung der Feier der Eucharistie lautet „Messe", abgeleitet vom lateinischen missa. Bis zum Mittelalter prägten Begriffe wie die allgemeinen Bezeichnungen officium divinum oder opus Dei die kirchliche Rede von der Eucharistie. Im Osten wird die Feier der Eucharistie von den dortigen Kirchenlehrern seit dem 5. Jahrhundert als „göttliche Liturgie" charakterisiert. In der katholischen Kirche wurde der eben genannte Liturgiebegriff erst beginnend mit dem Humanismus in der Kirche heimisch. Heute meint Liturgie im engeren Sinne den gesamten öffentlichen Kult des römischen Ritus der katholischen Kirche. Das Wort „Kult“ stammt vom lateinischen Terminus „cultus“, von dem auch das Wort Kultur abgeleitet ist. Im religiösen Bereich markiert cultus die Anbetung und Verehrung, die Gott gerechter Weise gebührt. Insofern spricht man theologiegeschichtlich auch vom cultus debitus.

      In der Liturgie vollzieht sich die Kirche des priesterlichen Gottesvolkes als betende Kirche. Aber das grundlegende, erste Ziel der Liturgie ist die Verehrung Jesu, der wahre Hohepriester; die Kirche ist das sekundäre Subjekt der Liturgie. Die beiden liturgischen Ziele der Liturgie sind vereint im totus Christus, also Christus und die Glieder seiner Kirche. Die Konzilskonstitution „Sacrosanctum Concilium" sagt über die heilige Liturgie, sie sei das „Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist"64 „Die Liturgie sei der Gipfelpunkt, zu dem das Tun der Kirche strebe, und zugleich die Quelle, aus der alle ihre Kraft strömt"65. In besonderer Weise gelte dies für das „eucharistische Opfer" (sacrificium eucharisticum), „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens."66 Auch Pius XII. (1939-1958) nannte die Eucharistie „Hauptstück und gleichsam Mittelpunkt der christlichen Religion"67. Nach Johannes Paul II. (1978-2005) hat die Kirche in der Eucharistie ihren Ursprung und ihr Lebenszentrum.68 Papst Benedikt XVI. (2005-2013) bezeichnete die Eucharistie im Anschluss an das letzte Konzil als „Mitte und Ziel des gesamten sakramentalen Lebens"69.

      Eucharistie feiern bedeutet, sich als Gemeinschaft der Gläubigen wie sonst nirgendwo zu verwirklichen, das Kirchenvolk bedankt sich gleichzeitig für das in ihm begonnenen Heils. Die Eucharistie ist das zentrale Sakrament der Christusbegegnung. In der Eucharistie ist Christus auf vielfältige Weise gegenwärtig: präsent in der versammelten Gemeinde, genauer in deren Gebet,

      im Vortrag des Gotteswortes der Heiligen Schrift und in der Person des Priesters, der der Feier der Eucharistie leitet.

      In einzigartiger· Weise ist der Messias mit seinem Leib und seinem Blut gegenwärtig in den Zeichen von Brot und Wein. Denn im „Brot des Lebens" und im „Kelch des Heils" nehmen wir das für uns dahingegebene und durch die Auferweckung von den Toten verwandelte Leben Christi in uns auf als selig machende Gnade und Antizipation des himmlischen Paradieses. Insofern nannte die Tradition das eucharistische Brot auch „Arznei der Unsterblichkeit".70

      Nachhaltige Impulse für die Liturgie- und Eucharistietheologie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwirklichten sich in der Mysterientheologie des Benediktiners Odo Casel (1886-1948) aus. Ziel seiner Lehre von Gott, also seiner Theologie, war es, die Feier des Heilsgeheimnis Jesu Christi wieder in das Zentrum christlicher Existenz und Spiritualität zu rücken. Die Wiederentdeckung der Einheit von Glaubensgeheimnis und gemeinschaftlicher Kulthandlung ist bis heute das Hauptverdienst der Theologie Casels. Das Geheimnis, das Mysterium, prädiziert Casel zunächst mit dem heiligen Gott selbst, sodann das Mysterium des menschgewordenen Sohnes Gottes, das im Paschamysterium kulminiert, schließlich das Mysterium der Kirche und das Kultmysterium. Wenn dieser Theologe vom christlichen Kult- und Opfermysterium spricht, geschieht dies in Analogie zu den antiken Kultmysterien; eine religionsgeschichtliche Abhängigkeit hierzu behaupteter nicht. Casel hat die Differenz zwischen den antiken Kultmysterien und dem christlichen Kultmysterium aber nicht klar genug erkannt. So tendiert er zu einer Entgrenzung und Entzeitlichung des Paschamysteriums Christi.

      Dies hängt damit zusammen, dass bei Casel der volle biblische Begriff des Gedächtnisses Gottes und seiner Heilstaten und damit das Verhältnis von geschichtlicher Heilstat und Gedächtnis der zur Liturgie versammelten Gemeinde weithin unbedacht bleiben.71

      Das Paschamysterium Christi ist zu verstehen als eine Realität, die nicht aus dem Raum der Vergangenheit, sondern vielmehr aus der Zukunft Gottes kommend im christlichen Kult gegenwärtig wird. Denn es ist der immer schon mit dem Vater liebend kommunizierende Christus, der erhöhte Herr, der für uns in seiner Lebenshingabe gegenwärtig wird durch den Hl. Geist. Am Tisch des Wortes und im Sakrament des Altares lädt Christus die in seinem Namen versammelte Gemeinde ein, sich in die Gegenwart Gottes emporheben und hineinversetzen zu lassen.. Die Gegenwart der Offenbarung gründet in der Gegenwart des erhöhten Herrn.

      Katholische Liturgie beruht auf der „durchlittenen Passion eines Menschen", der mit seiner Existenz „in das Mysterium des lebendigen Gottes selbst hineinreicht"72 als wahrer Gott und wahrer Mensch. Sie vermittelt „die irdische Zeit in die Zeit Jesu Christi und ihre Gegenwart hinein"73 Liturgie ist Feier des Paschamysteriums Christi, ritueller Vollzug des Erlösungswerkes Christi in seiner Kirche- gemäß der Aussage Papst Leos des Großen (440-461): „Was an unserem Erlöser sichtbar war, ist in die Mysterien übergegangen."74 In einer Oration (Anrede) des Priesters zur Darbringung der Opfergaben heißt es:

      „Allmächtiger Gott, nimm die Gaben an, die wir nach deinem Willen darbringen. Vollende in uns das Werk der Erlösung und der Heiligung durch die Geheimnisse, die wir zu deiner Verherrlichung feiern. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn." 75 Durch ihre historisch-theologische gewachsene Feierstruktur hat die Eucharistie Anteil an der Herrlichkeit der Offenbarung Gottes.76 Denn in der Liturgie der Kirche kommuniziert der Logos Jesus „selbst zu uns" und kommt zu uns „mit Leib und Seele, Fleisch und Blut, Gottheit und Menschheit", um uns „mit sich zu vereinigen, zu einem ‚Leib' zu machen"77

      Insofern darf die Eucharistie gleichsam als erste Theologie gelten vor aller wissenschaftlichen Bemühungen, den Glauben zu reflektieren und angemessen zu formulieren.

      Seit ihren Anfängen gehören Liturgie und Glaube eng zusammen. Der christliche Gottesdienst hat nicht nur die Entstehung des Kanons der neutestamentlichen Schriften, der primären Offenbarungsurkunde des christlichen Glaubens, entscheidend


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