Lebendige Seelsorge 2/2020. Erich Garhammer
betreffende Fragen nur eine, römisch-zentralistisch, nur von männerbündischen-klerikalen Systemen ausgedachte katholische Antwort. Wenn es denn stimmt, dass Christus Mensch wurde und Weitergabe des Evangeliums daher nur inkulturiert-inkarnatorisch gelingen kann, d. h. das Evangelium die Kultur, aber auch die Kultur das Evangelium beeinflusst, dann eröffnet sich bei Einigkeit in den Essentials ein breiter Radius von passgenauen katholischen Antworten vor Ort im Sinne der von Papst Franziskus beschworenen heilsamen Dezentralisierung. Die katholische Wahrheit ist polyphon. Natürlich werden in den vier Themenblöcken auch weltkirchlich zu entscheidende Fragen beraten. Aber warum soll dann in den Voten, die dem Apostolischen Stuhl übermittelt werden, nicht ein wahrer und guter Vorschlag enthalten sein, der auch für die Weltkirche umsetzbar wäre? Die katholische Wahrheit kann nicht nur in Rom gefunden und ermittelt werden, sondern gerade vor Ort in den einzelnen Teilkirchen und ihren Verbänden, die durch ihre Bischöfe mit dem Weltepiskopat und seinem Haupt, dem Papst, immer verbunden sind. Vielleicht müssen römische Kuriale lernen, von den Teilkirchen katholische Wahrheiten zu empfangen und demütig ihre eigenen Grenzen anzunehmen. Die Themen des Synodalen Weges sind relevante und brisante Themen der Welt- und der Teilkirchen. Es gibt hier keinen Vorrang der Weltkirche vor den Teilkirchen, wie es Joseph Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation vergeblich postuliert hat. Die Ermittlung der Wahrheit und des heute Gebotenen kann nur gleichursprünglich gelingen. Und: man höre bitte mit der peinlichen, angeblich unverträglichen Kontrastierung von Evangelisierung gegen die vier Themen des Synodalen Weges auf. Wenn es nach der MHG-Studie systemische Ursachen gibt, die sexuellen Missbrauch befördert haben, dann sind genau diese Ursachen kritisch zu analysieren und Reformvorschläge zu unterbreiten, damit wieder der Weg für angstfreie Evangelisierung gelingen kann. Das ist kein Missbrauch des Missbrauchs, sondern eine Notwendigkeit, die evident ist, damit die unverfälschte und damit glaubwürdige Weitergabe des Evangeliums, ob gelegen oder ungelegen, wieder gelingen kann.
Thomas Schüller
Dr. theol. habil., Lic. iur. can., Prof. für Kirchenrecht an der Universität Münster und Direktor des Instituts für Kanonisches Recht (IKR).
Die Themen des Synodalen Weges sind relevante und brisante Themen der Welt- und der Teilkirchen.
MACHT MUSS EINGEHEGT WERDEN
Dieser Themenbereich enthält wichtige kirchenrechtliche Implikationen. Angesichts der profunden Vorarbeiten darf man erwarten, dass es hier am Ende konsensuale Beschlüsse geben wird, die von Vielen mitgetragen werden. So dürfte es eine eigene kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit geben, eigene Strafgerichte und Disziplinarkammern, die insbesondere vor Ort in Deutschland vor allem Fälle von sexuellem Missbrauch judizieren. Aber auch hier ist zu beachten, dass diese Gerichte erst ihre Arbeit aufnehmen dürfen, wenn die Apostolische Signatur ihre Zustimmung erteilt hat. So wie es bereits bei der kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) und den kirchlichen Datenschutzgerichten im letzten Jahr der Fall war. Die schon seit Jahrzehnten geforderte kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit braucht gut ausgebildete Richterinnen und Richter und soll nach dem Willen der Bischöfe auch deren persönlich verantwortete Verwaltungsentscheidungen betreffen. Dies dient dem Rechtsfrieden und der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen, bei denen bekanntlich in Staat und Kirche auch wegen des breiten Ermessensspielraumes vielfältige Fehler in der Rechtsanwendung geschehen können. In diesen Kontext könnten aber auch Überlegungen eingebracht werden, wie kirchliche Entscheidungsprozesse stärker durch verbindliche synodale Beratung flankiert werden können. Insbesondere der can. 127 CIC ist hier – bis auf das Bistum Limburg und auch in Abstrichen in Rottenburg-Stuttgart – noch nicht in seinen Möglichkeiten ausgeschöpft worden. Ein Bischof kann sich verpflichten, dem erbetenen Rat zu folgen, es sei denn, wie es Bischof Bätzing anlässlich der 50-Jahrfeier „Synodalordnung für das Bistum Limburg“ formuliert hat, ein solcher Rat des Diözesansynodalrates stünde im Widerspruch zum Glauben der Kirche und ihrem Recht. Die Kirche ist in ihrem inneren Wesen eine synodale Kirche, denn im gemeinsamen Ratgeben aller Gläubigen in der Haltung des Hörens auf den guten Geist Gottes in kirchenrechtlich verbindlicher Form kommt der sensus fidei des Gottesvolkes zum Ausdruck, das als Ganzes bekanntlich nach geltender katholischer Lehre im Glauben niemals irren kann.
In diesen Kontext könnten aber auch Überlegungen eingebracht werden, wie kirchliche Entscheidungsprozesse stärker durch verbindliche synodale Beratung flankiert werden können.
SEXUALMORAL, DIE WIRKLICHKEIT WAHRNIMMT UND IN IHR ANKOMMT
Schaut man in die ersten Arbeitspapiere zu diesem Themenkreis, so ist zunächst erfreulich, dass die offenen Kontroversen durch Abdruck in mehreren Spalten, denen man den Dissens zwischen den Verfechtern einer Theologie des Leibes und denen, die stärker von einer Beziehungsethik ausgehen, gut entnehmen kann. Hier sind sicherlich durch die naturrechtlich dominierte lehramtliche Zeit im Pontifikat von Johannes Paul II. viele Probleme offenkundig und müssen im Dialog mit der Weltkirche in den verschiedenen Facetten diskutiert werden. Auch hier kann es wohl „nur“ zu Voten kommen. Aber je besser sie argumentativ aufgestellt sind, um so eher ist zu erwarten, dass sie ihren Widerhall in der Weltkirche finden werden. Abzuwarten bleibt, ob es angesichts der Beschlusslagen aus dem ZdK zu einem Beschluss hinsichtlich der Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und den partnerschaftlichen Verbindungen kommen wird, die kirchenrechtlich nicht zu ordnen sind. Kontroverse Diskussionen sind zu erwarten und müssen auch um der Menschen willen geführt werden. Ob die Kluft zwischen der lehramtlich postulierten katholischen Sexualmoral und dem tatsächlichen Leben der Katholik*innen, für die diese Lehre weithin unerheblich ist, jemals geschlossen werden kann, ist kaum anzunehmen. Es wäre schon ein gewaltiger Fortschritt, wenn in diesem Themenbereich angstfrei Wirklichkeit wahrgenommen werden könnte, die zu einer ersten, wieder vernehmbaren Sprachfähigkeit der Kirche führen könnte. Gerade von der christlichen Anthropologie her könnte die Kirche bei Verzicht auf ihre wie fixiert erscheinende Sicht auf Sexualität als Ort von Prokreativität auch heute noch Antworten geben.
FRAUEN AN DIE MACHT?
Erstaunlich genug ist es schon, dass inzwischen schon eine Reihe von amtierenden deutschen Bischöfen (z. B. Bode, Overbeck, Bätzing, Kohlgraf, Feige, Neymeyr, Willmer) öffentlich sagen, dass sie eine Diskussion der für sie offenen und auch in Ordinatio sacerdotalis nicht gänzlich überzeugend postulierten theologischen Argumente gegen die Weihe von Frauen zu Priesterinnen für möglich und notwendig erachten, ohne dabei allerdings die Hoffnung zu wecken, das sich in absehbarer Zeit tatsächlich etwas ändern könnte. Die definitive Lehre in dieser Frage, die verbindlich ist und dem Sekundärobjekt in Verbindung zum depositum fidei zuzuordnen ist, wurde allerdings in fehlbarer Weise gelehrt, um ein Wort des Fundamentaltheologen Hermann-Josef Pottmeyer aufzugreifen. Papst Johannes Paul II. postuliert einen von ihm gefühlten Konsens des Bischofskollegiums, der nun durch diese erwähnten deutschen bischöflichen Stimmen, aber nicht nur hier, inzwischen kritisch in Frage gestellt wird. Von daher wird es bei den Beratungen darauf ankommen, diese lehrrechtlichen, mehr noch aber die theologisch offenen Fragen zu artikulieren. Anzunehmen ist weiterhin, dass auch das Thema Diakonin zur Sprache kommt, das lehramtlich offen ist. Gerade der ehemalige Papst Benedikt XVI. hat in seiner Entscheidung in Omnium in mentem, dass Diakone nicht Christus als Haupt der Kirche repräsentieren können, ein wichtiges Element bei Seite geräumt, dass Frauen von der Weihe zu Diakoninnen ausschließen könnte. Aber auch hier gilt: es wird am Ende ein Votum sein wie schon zu Zeiten der Würzburger Synode, das nach Rom geschickt werden wird und dort sicher auf der Folie der bisherigen Ergebnisse verschiedener Expertengruppen zu diesem Thema zu bewerten sein wird.
Vielleicht wiederholt sich in der Geschichte der Kirche die Situation, dass man Frauen zwar nicht weiht, sie aber auf Leitungspositionen mit umfassender Jurisdiktionsgewalt setzt.
Auffallend in jüngster Vergangenheit in Deutschland ist zumindest, dass die Mehrzahl der Bischöfe mit Nachdruck versuchen, entsprechend ausgebildete Frauen in kirchliche Leitungspositionen zu bringen. Herausragend ist sicher die Entscheidung des Erzbischofs von München-Freising in diesem Zusammenhang, neben dem Generalvikar das Amt einer Verwaltungschefin der Münchener Kurie zu installieren und sie ab dem 1.1.2020 mit einer erfahrenen Juristin zu besetzen. Vielleicht wiederholt sich in der Geschichte der Kirche die Situation, dass man Frauen zwar nicht weiht, sie aber auf