Die Uhrenträgerin. Anja Heyde
Anja Heyde
Die
Uhrenträgerin
© 2020 Anja Heyde
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-7482-9899-1 |
Hardcover: | 978-3-7482-9900-4 |
e-Book: | 978-3-7482-9901-1 |
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Die Uhrenträgerin
Anja Heyde, geboren 1980 in der Lausitz, hat als Kind sehr viel gelesen. Auch im Erwachsenenalter blieb das Interesse an fantastischen Geschichten. Der Wunsch, selbst ein Buch zu schreiben, schlummerte jahrelang nur als Gedanke im Kopf… bis schließlich die nachfolgende Geschichte nach einer längeren Ideensuche entstand.
www.anjaheyde.de
Anja Heyde
Die Uhrenträgerin
mit Bildern von
A. & N. Heyde
Für
meinen Mann und meine Tochter
Inhalt
Prolog
Zwei unheimliche Gestalten
Das Marshmallow-Armband
Der Brief
Die Uhrenträgerin
Das Uhrenträgerzuhause
Der Uhrenraum
Das Baumhaus
Der Honigtropfenluftballon
Das Wasserflugzeug
Das Viertelhaus
Zuviele IKASSE
Die Unheilauslöser
Raus aus dem Viertelhaus
Der Ausgleichsort
Der Leuchtwurmzug
Die Scheune
Die neue Aufgabe
Paläste im ÜBERALL
Ruinen im NIRGENDWO
Die Geschichte endet
PROLOG
Ein verregneter Spätsommertag in der Gegenwart: ein schäbiger, dunkler Hinterhof in einer schlecht beleuchteten Seitengasse befindet sich am Rande einer großen Stadt. Es ist kalt, nass und riecht etwas muffig. Wenn sich komische Gestalten hier herumtreiben, ist es zeitweise auch richtig gruselig.
Hier in dieser seltsamen Umgebung lebt der Mäuserich Destineaux. Manche nennen es wohl eher 'hausen'. Auf der untersten Stufe einer Kellertreppe liegt ein altes, beflecktes Handtuch – nicht größer als ein Fußabtreter. Dieses dient ihm als Schlafplatz. Als Nahrung findet der Mäuserich hier mal ein Stückchen Käse und dort mal ein Stückchen Brot. Doch diese Nahrungsstückchen sind meistens schon mit einer hauchdünnen, manchmal auch fingerdicken Schimmelschicht überzogen. Ja, richtig! Es kann nicht immer Gourmetküche sein. Wenn der Hunger allzu groß wird, frisst Destineaux eben auch Küchenabfälle. Ob er will oder nicht.
Viel hat Destineaux bisher nicht von seinem Leben gehabt. Seine Eltern kennt er nicht. Vor einem Treppenabsatz in eben jener dunklen Seitengasse wurde Destineaux als Mäusebaby abgelegt. Er wurde seinem Schicksal und sich selbst überlassen. Freunde…? Freunde sind auch so eine Sache. Wer möchte sich schon mit einem grauen, struppigen Nager mit viel zu großen Ohren abgeben?
An einem anderen Tag in einem wohlhabenden Viertel der Stadt: ein schönes, gepflegtes Grundstück befindet sich hier. Umgeben ist es von einem kniehohen, weißen Holzgartenzaun. Ein hellblau getünchtes Haus mit großen Fenstern und einer Eingangstür aus Marmor steht majestätisch in der Mitte. Dazu gehört ein Garten mit großen und kleinen wundervoll begrünten Bäumen und Büschen. Herrlich! Diese niedlichen Blümchen zum Anknabbern, diese saftig-grüne Wiese zum Herumtollen, der schöne große Sandkasten zum Buddeln. Alles steht frei zur Verfügung. Welch' ein Glück!
Pollagia, eine buntgefleckte Katze mit weichem Fell, grün-schimmernden Augen und stolzgeschwellter Brust nennt dies ihr Eigen. Nicht so ganz. Es ist das Eigentum der wohlhabenden Familie, bei der Pollagia wohnt. Und das Beste daran: es gibt hier ein Leckerlie für sie, da ein liebes Wort oder eine Schmuseeinheit.
Was kann es Schöneres geben in einem Katzenleben?
Doch seit ein paar Tagen ist etwas anders. Pollagia kann es spüren und… sehen. Es herrscht ein Durcheinander und ein Gewusel im Haus. Große und kleine Kisten werden von den Familienmitgliedern gepackt. Möbel werden mit weißen Tüchern zugedeckt… wohl um sie vor Staub zu schützen, denkt Pollagia. Als die Katzendame heute von einem ihrer Ausflüge nach Hause kommt, sieht sie es. Ein großes Auto mit einer riesigen Ladefläche steht wartend vor dem Grundstück. Das ist doch nicht etwa ein Umzugswagen? Doch genauso ist es! Jetzt weiß Pollagia, was es mit all der Aufregung in den letzten Tagen auf sich hat. Pollagia's Familie zieht um. Von dem gepflegten Viertel in ein noch reizenderes Zuhause vermutet sie. "…und ich ziehe mit um!" denkt sich Pollagia und maunzt vor Freude. "Dann gehe ich mich mal von meinen Freunden verabschieden."
Pollagia marschiert fröhlich los. Ein alter Hase wohnt nebenan. Ein Eichhörnchen wohnt noch ein paar Häuser weiter… jedes Tier wünscht Pollagia eine gute Reise und viel Glück in der neuen Nachbarschaft.
Als Pollagia ein bisschen wehmütig nach Hause zurückkehrt, ist es spät und dunkel geworden. Die Straßenlampen leuchten schon. Sie blickt auf die Straße und wundert sich. "Wo ist der Umzugswagen und wo ist meine Familie?" Durch die sich in der Eingangstür befindliche Katzenklappe huscht Pollagia ins Haus aber: es ist Keiner mehr da.
"Sie haben mich vergessen!" denkt sie traurig. "Ich werde warten. Sie holen mich bestimmt noch ab." Im Hausflur liegt noch ihre flauschige Katzendecke. Darauf rollt sich Pollagia zusammen und schläft nachdenklich ein. Was Pollagia nicht ahnt: Keiner wird kommen und sie holen.
ZWEI UNHEIMLICHE GESTALTEN
Am selben Abend – wieder am Rande der Stadt – in der Nähe von Destineauxs' Zuhause: es ist Spätsommer, aber doch schon ganz schön kühl draußen. Destineaux ist auf einer seiner abendlichen Erkundungstouren. Auf einmal bleibt er stehen. Ganz in der Nähe, nur ein paar Meter entfernt, flackert und knistert ein Feuer in einer alten Blechtonne.
Der Mäuserich schleicht sich näher heran, aber nur so weit, dass er nicht gleich zu sehen ist. Um die Blechtonne herum stehen zwei dunkle, unheimlich aussehende Gestalten. Die Hände haben sie nach vorn ausgestreckt, um sie sich zu wärmen. Der Eine dick, klein und mit krummen Beinen. Die dunkelblaue, fleckige Hose und die zerlöcherten, ausgelatschten Schuhe sind bestimmt drei Schuhgrößen zu groß. Gehüllt ist er in einen alten, braunen, stinkigen Mantel. Dieser Mantel ist mit Schmutzflecken übersät und wurde vermutlich lange nicht gewaschen.
Den Mantelkragen hat der Dicke, so gut es ging, hochgeschlagen. Wahrscheinlich möchte er nicht erkannt werden. Und trotzdem ist zu sehen, dass sein fast haarloser Kopf aussieht wie ein unförmiges Ei. Die wenigen fusseligen Haare werden mit einem alten, grünen Haargummi am Hinterkopf zusammengehalten. Seine braunen Augen stehen etwas hervor. Die Nase ist ein bisschen zu klein und zu dick geraten. Dafür sind