Zweieinhalb. Berth Mann

Zweieinhalb - Berth Mann


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Realität, die sie nun erleben durften. Alles war so unwirklich und es war die neue Welt in die sie jetzt fuhren, hinein in ihr neues Glück. Die Grenze zwischen den Deutschen in Ostund Westberlin war nun für sie nicht mehr von Bedeutung. Dieser Lindwurm, der sich durch die ganze Stadt schlängelte wie eine böse Schlange, hatte für sie in diesem Moment seine ganze Schreckenskraft verloren. So als ob das ganz selbstverständlich wäre fuhren sie an all den Sperranlagen einfach vorbei, davon hatten sie Monate und Jahre geträumt. Jetzt war es Wirklichkeit geworden, weil sie es durch ihre Standhaftigkeit möglich gemacht hatten, weil sie gegen den Strom zu Quelle geschwommen sind. In dieser Zeit war das wirklich keine Selbstverständlich keit, denn noch existierten die zwei Welten ganz real und sie standen sich weiterhin recht feindlich gegenüber.

      Der Zug war auch nicht zu voll, so dass sie ungehindert aus dem Fenster schauen konnten, um all das Neue zu beobachten. So viel Eindrücke die da auf sie einströmten. Es gab so viel zu sehen und alles war wirklich anders und schön. Sie hatten auch Glück mit dem Wetter, denn es regnete nicht und die Sonne vollbrachte an diesem Sommertag wieder ihr gutes Werk. Etwas sonderlich kamen sie sich schon vor und die Blicke einiger Mitreisender trafen sie wohl auch in ihrer Unsicherheit und im Nachdenken. Darauf wollten sie aber gar nicht eingehen. Sie waren doch so glücklich und was sollten sie jetzt mit den fragenden Blicken auch anfangen.

      Nun mussten sie erst einmal zur Tante Inge kommen, zu ihrem Haus im Stadtteil Gladow am Rande der Stadt. Sie verließen deshalb die S-Bahn auch an einer Station und mussten von hier ab weiter mit der U-Bahn bis nach Berlin-Spandau fahren. In diesem Zug befanden schon sehr viel mehr Fahrgäste und Robert musste ganz schön auf Anita, sich und das Gepäck aufpassen. Er hatte ja von Dieben gehört, die nur auf die noch unerfahrenen Neuberliner warteten, um sie zu bestehlen. So etwas wollte er aber nicht erleben, so sollte sein neues Leben nun wirklich nicht beginnen. Als sie an der Endstation die Treppen nach ober stiegen, um zu ihrer Bushaltestelle zu gelangen, fiel Robert doch schnell so einiges auf. Sie standen nun zwar direkt an einer großen Straßenkreuzung, aber man hörte die vorüberfahrenden Autos einfach gar nicht. Sie waren sehr viel leiser als die im Ostland, die knatternden Trabbi`s und Wartburg`s. Es stank auch nicht so wie üblich in der Luft nach verbrannten Treibstoff, das war auch erst einmal ganz neu für ihn.

      Zu seiner großen Verwunderung stand am oberen Ende dann aber auch ein Bekannter aus der Hüttenstadt vor ihm, der bereits seit zwei Jahren ausgereist war und den er hier nun wieder zufällig traf, zufällig? Robert hatte früher keinen so direkten und intensiven Kontakte mit ihm unterhalten. Nur eine Schallplatte von BAP hat er einmal mit ihm getauscht. Nun stand er also hier und begrüßte freudig den Robert in der Freiheit und stellte bald komische Fragen. Wo sie denn hin wollten, und warum sie weg gegangen wären, wo sie jetzt wohnen würden… alles sehr suspekte Fragen. Der Bekannte war inzwischen im öffentlichen Dienst angestellt, bei der Justiz der Stadt, und Robert hätte dem Ganzen vielleicht auch gar nicht so viel Bedeutung beigemessen, wenn er da nicht den jungen Mann auf der anderen Straßenseite erblickt hätte, der ihn bereits seit seinem letzten Besuch im Wehrkreiskommando in Hütte begleitet hatte. Nun war ihm ganz klar, dass diese Begegnung wirklich kein Zufall war, sondern vorbereitet von der unsichtbaren Welt von drüben. Die Stasi hatte also doch auch hier ihre Leute auf die sie sich verlassen konnten und die wie Schläfer auf ihre Einsätze warteten. Deshalb beendete Robert das Gespräch ganz schnell mit ein paar Floskeln und sah zu, dass er das Weite gewann. Sicherlich sind ihm nun noch viele weitere Fragen durch den Kopf gegangen. Aber als Robert die Frage nach der Fahrkarte vom Busfahrer gestellt bekam, war er schnell wieder in der Wirklichkeit angelangt. Diesen Fahrausweis hatte er ja noch im Ostteil der Stadt gekauft und die Schalter Damen dort am Bahnhof Friedrichstraße versicherte ihm auch, das er damit bis nach Gladow fahren könne. Das erwies sich nun aber als eine falsche Auskunft. Diese Fahrkarten galten nur für die Reichsbahn und damit für die S- und U-Bahn Strecken, nicht aber für die BVG, die Berliner Verkehrsbetriebe mit ihren Bussen. Nun war guter Rat teuer, denn Robert besaß wirklich nur 20 DM an Westgeld. Den Schein hatte er auch noch in seiner Socke versteckt und sicherlich wollte den der Busfahrer so jetzt vielleicht doch nicht haben. Der roch nun bestimmt nicht mehr sehr gut. Aber, anders ging es ja nicht wegen der Grenzkontrollen. Was sollte er denn machen? Nachdem er vergeblich in seiner Brieftasche gewühlt hatte und dem Busfahrern dann doch nur ein paar letzte Osttaler anbieten konnte, die sich irgendwie noch darin versteckt hatten, blieb ihm gar nichts weiter übrig, als auf das Verständnis des guten Mannes da im Bus zu hoffen. Dieser Fahrer war zum Glück ganz freundlich. Ein echter Berliner mit Herz und Schnauze eben und er winkte sie dann einfach durch nach hinten. So ein Glück war es für die Beiden. Vielleicht war er auch einmal von drüben gekommen und kannte diese komische Situation? Konnte ja auch sein? Damals im Sommer kamen ja auch noch nicht ganz so viele herüber wie dann später im November. Da war es dann vorbei mit den kostenlosen Busfahrten. In Gladow sind sie auch an der richtigen Bushaltestelle ausgestiegen und nun mussten sie nur noch das Haus von Tante Inge und Onkel Ingo finden, da am Uetzer-Steig.

      Sie fanden es dann auch bald, und waren wirklich recht froh, ihre schweren Koffer wieder abstellen zu können, um an der Eingangstür der Verwandten zu klingeln. Die Tante und der Onkel waren aber selbst gar nicht da. Nur ein Freund der Familie begrüßte sie in ihrem Namen und lud sie in das Haus ein. Inge und Ingo waren auf einer Urlaubsreise im Ausland und konnten deshalb nicht hier in Berlin sein. Sie hatten den Hausfreund aber instruiert was er machen sollte und so waren ihre Schlafgelegenheiten gerichtet und etwas zu essen im Kühlschrank. Das Haus von Inge und Ingo war auch ein sehr schönes und war umgeben von einem großen Garten und von weiten konnte man das Ufer eines Sees sehen.- Die erste Nacht konnte Robert gar nicht einschlafen, so viele Eindrücke und Erlebnisse musste er nun verarbeiten. Der Anita erging es sicher auch nicht anders. Erst in den Morgenstunden sind sie dann vor Erschöpfung endlich eingeschlafen und durften ihre ersten Träume im Westland erleben. Am nächsten Morgen galt es für sie auch gleich wieder zeitig aufzustehen.

      Sie mussten ja sofort in das Aufnahmelager nach Berlin Marienfelde fahren. Dieses Aufnahmelager befand sich nun aber auch noch ausgerechnet ganz am anderen Ende der Stadt. Weite Wege also für die Beiden schon am Anfang. Für sie galt es nun das Bundesaufnahmeverfahren zu durchlaufen. Bisher besaßen sie doch nur ihre Identifikationsbestätigungen aus dem Ostland und keine richtigen Papiere der Bundesrepublik Deutschland, waren also eigentlich staatenlos. Der gute Hausfreud Wolfgang half ihnen auf ihren Wegen dabei so gut er konnte und fuhr sie mit seinem schönen Mercedes-Auto auch immer ein Stück bis zur U-Bahn nach Spandau. Das war schon eine große Hilfe für die Neubürger, denn dadurch konnten sie sich das Geld für die Busfahrt schon einmal sparen, das war wirklich gut. Geld besaßen sie ja immer noch keines außer dem geschmuggelten 20-DM Schein und deswegen war jede noch so kleine Hilfe sehr willkommen bei den Beiden. Von Inge und Ingo erhielten sie aber auch eine finanzielle Unterstützung. An jedem Tag lag am Morgen ein neuer 20-DM Schein an ihrem Platz am Frühstückstisch. Das war wirklich sehr schön und hilfreich.Sie haben das Geld auch nicht gleich sinnlos wieder ausgegeben. Aber die Fahrkarten zum Aufnahmelager kosteten Geld und wenn man sich einmal ein Eis leisten wollte, nahmen die Verkäufer auch keine Hosenknöpfe dafür, so war das eben.

      Im Aufnahmelager in Marienfelde trafen sie auch immer wieder einmal auf Menschen, die sie von früher her kannten. Einige waren aus der Elbestadt, Andere wiederum aus der Stahlarbeiterstadt an der Oder. Roberts ständiger „Begleiter“ schlich dort auch herum und versuchte des öfteren wieder mit ihm in Kontakt zu kommen. Da Robert aber zunehmend immer wortkarger wurde, machte ihm seine Aufgaben wohl auch langsam keinen Spaß mehr und er ließ es dann mit seinen Fragen sein. Er wird sicher auch mitbekommen haben, dass Robert ihm nicht über den Weg traute und so machte es wohl auch keinen Sinn mehr für ihn weitere Fragen zu stellen, da er sowieso nur ausweichende Antworten darauf bekam. Robert hat ihn dann auch nur noch einmal gesehen, als er am Flughafen Berlin-Tegel in der Abfertigungshalle auf seinen Flieger nach Frankfurt/ Main wartete. Sicherlich ist der Aufpasser auch weitergezogen, oder er ist wieder zurückgegangen zu seinen Auftraggebern ins Ostland. Sein Auftrag hier in Berlin war ja erfüllt und in das Bundesgebiet durfte er anscheinend nicht einreisen, soweit reichte seine Befugnis dann wohl doch nicht. Komisch waren diese Begegnungen schon für Robert. Aber er wusste den Grund dafür ja nicht und konnte sich dagegen auch nicht wehren. Er war nur auf der Hut, hielt seinen Mund und gab keine Einzelheiten preis. Das sollte reichen, damit er in Sicherheit blieb und seinen Weg ungestört weitergehen konnte.

      Was


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