Das Labyrinth erwacht. Rainer Wekwerth
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Der Autor
Rainer Wekwerth,
1959 in Esslingen am Neckar geboren, schreibt aus Leidenschaft.
Er ist Autor erfolgreicher Bücher, die er teilweise unter Pseudonym veröffentlicht
und für die er Preise gewonnen hat. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.
Der Autor lebt im Stuttgarter Raum.
Weitere Bücher von Rainer Wekwerth im Arena Verlag:
Damian. Die Stadt der gefallenen Engel
Damian. Die Wiederkehr des gefallenen Engels
Titel
Rainer Wekwerth
Das Labyrinth erwacht
Widmung
Für Thomas
Impressum
Erste Veröffentlichung als E-Book 2013
© 2013 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Frauke Schneider
ISBN 978-3-401-80192-6
www.wekwerth-labyrinth.de
www.arena-verlag.de
Mitreden unter forum.arena-verlag.de
1. Buch
1.
Als Jenna erwachte, sah sie als Erstes den blauen Himmel, der sich majestätisch über ihr erstreckte. Ein leichter Wind trieb zerfledderte Wolken vor sich her und hoch am Zenit zog einsam ein Raubvogel seine Kreise.
Jenna beobachtete eine Weile, wie er die Kraft des Aufwindes nutzte, um sich noch höher tragen zu lassen.
Was ist das für ein Vogel, warum weiß ich das nicht?, fragte sie sich. Plötzlich wurden die Konturen des Vogels undeutlich, verschwammen mit dem Blau des Himmels, dann war er verschwunden.
Unruhe überkam sie.
Wo bin ich?
Sie lag auf dem Rücken. Auf weichem Gras. Als sie den Kopf drehte, sah sie, dass sich neben ihr lange gelbe Halme im Wind wiegten. Ein sanfter Hauch strich über ihr Gesicht. Dann spürte sie auch die Wärme der Sonne.
Es ist schön hier, aber wo bin ich?
Das Gesicht der Sonne zugewandt, die Augen geschlossen, blieb Jenna noch eine Weile auf der Wiese liegen.
Auf einmal fiel ein Schatten auf sie.
Sie öffnete die Augen.
Ein junger Mann beugte sich über sie. Sein jugendliches Gesicht mit ebenmäßigen Zügen wurde von markanten Linien dominiert. Hohe Wangenknochen, eine gerade Nase, wie aus Stein gemeißelt, darunter ein ausdrucksstarker Mund mit einer kleinen Narbe am Mundwinkel. Der Wind fuhr durch sein langes schwarzes Haar, offenbarte nur kurz sein Gesicht und verbarg es dann wieder.
Braune Augen blickten aufmerksam zu ihr herab. Er lächelte nicht, trotzdem fühlte sich Jenna in seiner Gegenwart augenblicklich wohl.
»Ich bin Jeb«, sagte er, als erkläre das alles.
Jenna wollte ihm antworten, sich ebenfalls vorstellen. Sie zögerte, stutzte.
Wer bin ich?
Jeb legte eine Hand sanft über ihr Gesicht, um das Licht von ihr abzuschirmen.
»Schließ deine Augen«, sagte er ruhig.
Jenna gehorchte, obwohl sie nicht wusste, warum. Es lag etwas in seiner Stimme, dem sie vertraute und dem sie sich nicht entziehen konnte. Der Klang der Worte beruhigte sie.
»Atme tief ein und wieder aus.«
Sie holte tief Luft und stieß sie wieder aus. Seine Hände rochen nach Gras und Erde.
»Nun versuch es noch einmal.«
Und da wusste sie es. Sie war so glücklich darüber, dass sie ihm beinahe um den Hals gefallen wäre.
»Ich bin Jenna«, rief sie.
Alles würde gut werden. Sie war nicht krank oder verrückt. Nein, sie hatte einen Namen und sie kannte ihn.
Jenna.
Sie blickte in Jebs beinahe bronzefarbenes Gesicht, das offen wirkte wie der Himmel über ihr. Doch plötzlich runzelte der Junge die Stirn.
»Jenna, du musst jetzt aufstehen«, sagte er eindringlich.
Seine Stimme war nicht mehr warm und sanft. Im Gegenteil, sie klang wie zersplitterndes Glas, als müsste er sich zwingen, die Worte auszusprechen.
Jenna spürte Angst in sich aufsteigen. Woher der plötzliche Wandel? Was hatte sie getan?
»Was ist denn?«, fragte sie vorsichtig.
»Wir müssen los, uns bleibt keine Zeit.«
Jenna verstand nicht. Warum drängte die Zeit? Sie war noch immer verwirrt, als Jeb ihr eine Hand reichte, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Desorientiert drehte sich Jenna einmal um die eigene Achse. Auf ihre Schultern fielen lange blonde Haare hinab, die der Farbe des hellen gelben Grases glichen, in dem sie gerade gelegen hatte. Sie wusste immer noch nicht, wo sie war.
Ich war hier noch nie.
Alles fühlte sich fremd an. Grashalme, so weit das Auge reichte. In der Ferne ein düster wirkender Wald und am Horizont hohe Berge, deren Gipfel von Schnee bedeckt waren. Gerade verdeckte eine der Wolken die Sonne. Sie fröstelte und schlang die Arme um sich.
Da erst merkte sie, dass sie nackt war.
Sie versuchte, sich mit den Händen zu bedecken und überlegte fieberhaft, ob es in Ordnung war, nackt in Gegenwart eines anderen zu sein. Erneut machte sich Unruhe in ihr breit. Warum hatte ihr Jeb nicht gesagt, dass sie nackt war?
Auch diesmal schien er ihre Gedanken zu erraten, denn er reichte ihr einen braunen Rucksack aus einem glatten Material mit schwarzen Verschlüssen.
»Darin findest du Kleidung«, sagte er. »Sie wird dir passen. Ich denke, sie passt immer.«
Woher weiß er das?
Sie betrachtete ihr Gegenüber. Unbefangen, als wäre es das Normalste der Welt, stand er vor ihr, sah nicht weg, starrte sie aber auch nicht an. Es lag etwas Vertrautes in der Art, wie er dastand und darauf wartete, dass sie sich ankleidete. Jeb selbst trug Jeans, feste Wanderstiefel, ein warmes Baumfällerhemd und eine regenfeste Jacke.
Ohne Probleme fielen Jenna die Worte ein, die diese Kleidungsstücke bezeichneten.
Sie griff nach dem Rucksack und wandte sich ab.
Eigentlich unnötig, er hat dich die ganze Zeit nackt gesehen. Er weiß, wie du aussiehst.
Mit fliegenden Fingern zog sie die Kleidung an, die in allen Details Jebs Sachen ähnelte, nur dass ihr Hemd blau kariert war, während bei ihm Rot dominierte.
»Bitte beeil dich.«
Jenna schloss den obersten Knopf ihrer Jeans und schlüpfte in die Jacke. Alles passte wie angegossen.
Seltsam.
»Ich habe dich doch gerade erst gefunden. Warum müssen wir uns beeilen?«, fragte sie.
»Ich habe dich gefunden, oder nicht?«
Dabei habe ich das Gefühl, dass ich auf der Suche nach dir war.
Jebs Gesicht war zu einer düsteren Maske geworden. Er streckte den rechten Arm aus und deutete zum Horizont, zu dem Wald in der Ferne. Ein paar Wolken hingen über den weißen Spitzen des Bergmassivs.