Verrat zwischen den Sternen - Axarabor Apex Band 6 - Sechs Romane in einem Band. Conrad Shepherd
schnell heran, heulte immer infernalischer – dann verschmolzen die beiden Metallkörper.
Das Resultat dieser Verschmelzung war eine riesige Explosion.
Die Regra, deren sechsundvierzig Arme wild umherruderten, wurde von der Düne gefegt, rutschte den Hang hinunter, schoss in einer aufstiebenden Wolke über den Rand des Abbruchs und fiel das letzte Stück senkrecht hinunter. Ihre Eisenkern-Zellen beruhigten sich während des Falles; beide Eisenmassen existierten nicht mehr.
An ihrer Stelle gab es jetzt einen tiefen Krater im Dünenhang. Oval, an den Rändern tiefschwarz und in der Mitte glasig geschmolzen.
Die Regra schlug schwer am Fuß der rostroten Felsen auf. Sie war unversehrt. Sie setzte ihren Weg fort, kaum dass sich ihre sechsundvierzig Arme entwirrt hatten, die stammesgeschichtlich gesehen einmal Pfahlwurzeln gewesen waren.
Ihr war entgangen, dass sich während der Explosion aus dem aufblühenden Feuerorkan ein viel, viel kleinerer Metallkörper gelöst hatte und mit wahnwitzig hoher Geschwindigkeit im Glast des sonnendurchfluteten Himmels verschwand.
2.
Die Explosion im Holokubus verblasste. Die Projektion zeigte noch eine Weile die Datensequenzen aus dem Speicher der Blackbox, die ihren Weg vom Ausgangspunkt bis nach Talon markierten, ehe auch diese verblassten; an ihre Stelle trat das Analogon von Axarabor.
Niemand sprach.
Man wartete wohl auf eine Äußerung des Kapitäns.
Colonel Enno Rykher war groß und breitschultrig. Die hohe Stirn und die ausgeprägten Züge ließen eine gewisse ironische Überlegenheit erkennen, als amüsiere sich dieser Mann über alles, was ihm begegnete. Eine typische Eigenart der Menschen; Rykher stammte in direkter Linie von Axarabor ab. Die Falten um Mund und Nase bestätigten auf dem zweiten Blick, dass dieser Mann von den Jahren des Dienstes und der Bürde der Verantwortung als ehemaliger Kommandant in der Raumflotte von Axarabor geprägt war. Ein Dienst, der ihm neben seinem Amt als Kapitän des Forschungsraumers PENDORA auch noch die Verantwortung als Sektionsleiter über einen ausgedehnten Bereich der von Axarabor verwalteten Galaxis aufbürdete. Es war ein Amt mit vielfältigen Aufgaben und großen Visionen. Visionen, die sich vor allem damit beschäftigten, die im Raum verstreuten früheren Auswandererströme Terras zu lokalisieren und sie dem Imperium einzugliedern.
Jetzt stieß Rykher geräuschvoll den Atem aus und sah die Anwesenden der Reihe nach an. Mit ihm waren noch sechs weitere Personen im Raum – seine Crew, beziehungsweise seine Brücken-Offiziere –, die die Aufzeichnungen der Minidrohne zum ersten Mal in voller Länge gesehen hatten. Ihre Gesichter zeigten die widersprüchlichsten Gefühle.
»Wie lange ist das jetzt her?«, fragte Rykher schließlich und lehnte sich zurück.
Sie befanden sich in einem der Konferenzräume des Verwaltungsgebäudes von Talon Port. Der Raumhafen war auch Stützpunkt des Forschungskreuzers PENDORA.
Talon war die vierte Welt eines Fünf-Planeten-Systems, gelegen auf halber Strecke zwischen Axarabor und dem Rand dessen, was als Randsysteme des Reiches betrachtet wurde.
Beim Blick aus dem Panoramafenster waren die Korvetten, Leichter und Shuttles auf dem Vorfeld zu sehen. Etwas weiter draußen stand die PENDORA auf ihren Nullgravpolstern.
»Fünfzehn Stunden, seit uns die Brieftaube mit den Aufzeichnungen erreichte.« Die Antwort kam von Tore le Blanc, dem Zweiter Offizier und Navigator. Ein Mann mit einem gebräunten Gesicht, einem kräftigen Kinn und tiefblauen Augen unter einem Schopf schwarzer Haare, die er allerdings unter seinen Uniformmütze zu verbergen wusste.
Axaraborische Nachrichtendrohnen, die im Raumfahrerjargon als »Brieftauben« firmierten, waren nichts anderes als kleine, automatische Aufzeichnungsdrohnen, vollgepackt mit Nanomodulen und versehen jeweils mit einem extrem miniaturisierten Hypertriebwerk, das nicht größer als eine menschliche Faust war. Kein noch so effektiver Detektor eines möglichen Feindes war in der Lage, eine Brieftaube abzufangen; ihre Transitionsschocks waren vernachlässigbar gering beziehungsweise nicht vorhanden. Ihre Masse war zu klein für eine normale Erfassung und die Geschwindigkeit zu hoch für eine optische Entdeckung. Aufgrund ihrer immens hohen Beschleunigung konnte sie bereits wenige Sekunden nach ihrem Start nicht mehr entdeckt und zerstört werden. Sie waren als Notfallversicherungen an Bord eines jeden Raumschiffes der axaraborischen Flotte, ebenso in den unbemannten, vollkommen autark operierenden Aufklärungsdrohnen, die vor allem in den äußeren Raumquadranten des Imperiums zugange waren und nach den verlorenen Schäfchen der Menschheit Ausschau hielten.
»Welche Drohne haben wir verloren?«
»Eine Alpha-Eins. Nummer J5GOB-883«, ließ der Navigator verlauten. »Sie patrouillierte sehr weit draußen vor den Badlands.«
Rykher nickte und vergegenwärtigte sich wieder einmal, wie fern sie sich hier auf Talon von jeglicher Zivilisation befanden. Die Dimensionen konnten einen zum Erschauern bringen und waren rational nur schwer nachzuvollziehen.
Einem Sternenreisenden, der die Milchstraße aus einer extrem hohen Warte betrachtete, bot sich das Bild einer annähernd diskusförmigen Sternenwolke, die an den Rändern zu Spiralarme zerfaserte. Sie hatte in der Ekliptik einen Durchmesser von nahezu hunderttausend Lichtjahren und im Zentrum senkrecht zur Ebene knapp sechzehntausend Lichtjahren. Dicht gepackt mit Milliarden von Sternen, Sonnen aller Größen – kosmische Leuchtfeuer, nach denen sich jegliche Art von Raumreisen richteten. An den äußeren Rändern dünnte sich das Sternenaufkommen mehr und mehr aus, bis hin zur Ödnis der Spiralarme.
Die nächstgelegene Galaxis – Andromeda – war nur ein diffuser Lichtfleck und vorläufig unerreichbar für den Forscherdrang.
Als sich le Blanc leicht räusperte, stoppte Rykhers Gedankenflug und kehrte in die Gegenwart zurück.
»Das ist wirklich weit draußen, Major«, stimmte er seiner Nummer Zwei zu. »Ob sich je ein Forschungsschiff nach dort verirrt hat?« Seine Augen verengten sich kurz, dann wandte er sich an alle »Und? Was denkt ihr anderen über diesen Vorfall?«
»Es könnte sich um einen kriegerischen Akt gehandelt haben«, ließ sich Major Art Jagger vernehmen. Er war Rykhers Dritter Offizier, Ortungs- und Kommunikationsspezialist. Ein breitschultriger Mann von 35 Jahren, der wesentlich jünger wirkte mit seinem blonden, welligen Kopfschmuck. Jaggers Miene war die eines kompromisslosen Pessimisten, für den ein Glas stets halb leer war.
»Jemand anderer Ansicht?«, wollte Rykher wissen.
Es war Beta Lovell, die Schiffsärztin, die leicht die Hand hob. Sie war eine vierunddreißigjährige schlanke Frau von überwältigender Selbstsicherheit – nicht schön im landläufigen Sinn, aber bemerkenswert – mit schulterlangem, schwarzem Haar. Wenn sie sprach, sagte sie kaum etwas Unüberlegtes. Impulsivität war ein Fremdwort für sie, was Rykher in manchen Situationen hin und wieder bedauerte, manchmal sogar sehr. »Könnte es sich nicht um eine Verkettung unglücklicher Umstände handeln?«, gab sie ihre Bedenken Ausdruck. »Womöglich ein technischer Defekt der Sonde, der sie aus irgendeinem Grund explodieren ließ?«
Rykhers Miene verriet mit keiner Nuance, dass er dem Gedankengang der Wissenschaftlerin nicht viel Chancen zumaß. Er setzte zu einer Entgegnung an, doch Hikowa Ashikago kam ihm zuvor.
»Aber Beta!«, entgegnete der Chefingenieur und Herr über die Maschinen der PENDORA schärfer als beabsichtigt. »Die Annahme, dass die Sonde nicht vorsätzlich vernichtet wurde, können wir getrost zu den Akten legen.« Major Ashikago wirkte drahtig und zäh. Sein Alter war schwer zu schätzen, aber seine Dienstrolle wies ihn als Einundvierzigjährigen aus.
Beta Lovell hob leicht die Schultern. »War nur so eine Idee, Chief.«
»Noch weitere Wortmeldungen?« Enno Rykher blickte in die Runde. »Niemand? Na gut. Wir können wohl als gegeben annehmen, dass das Desaster mit Vorsatz herbeigeführt wurde. Jemand auf diesem Planeten hatte wohl etwas dagegen, von der Drohne gescannt zu werden.«
Der Colonel wandte sich an seinen Ersten Offizier. »Schon eine Vermutung, wer oder was als Verursacher