Western Ferien Sammelban 9018 - 9 Romane um Gunfighter und Helden. Pete Hackett
es schaffen konnte, dann war es dieses breitschultrige Muskelpaket. Aber die Verankerungen zwischen den beiden Waggons saßen fest. Schließlich durften sie sich nicht selbsttätig während der Fahrt lösen.
„Was ist denn hier los?“ Ein Schaffner tauchte aus dem hinteren Wagen auf. Die seltsame Tätigkeit der Bande und auch die vorhergehende Verfolgungsjagd hatten ihn auf den Plan gerufen. Verdutzt stand er da und schien sich nicht schlüssig zu sein, was hier überhaupt gespielt wurde.
Er erfuhr es sofort, und zwar auf ziemlich schmerzhafte Weise.
„Das werden wir dir gleich zeigen, Opa!“, schrie Don Berry. Er ließ für einen Augenblick Sam Merles Beine los, die ja noch von den drei anderen gehalten wurden, und rammte dem fassungslosen Schaffner die Faust vor die Brust. Dabei lachte er wie über einen riesigen Spaß.
Der Bahnbeamte griff mit den Händen hilflos in die Luft. Er fand keinen Halt. Da trat Don Berry zu und schleuderte ihn endgültig von der Plattform. Mit einem gellenden Schrei wurde er noch ein Stück mitgerissen, bevor er kopfüber die Böschung hinunterstürzte und irgendwo in der Finsternis liegenblieb.
Die Banditen kümmerten sich schon nicht mehr um den Ärmsten. Ihr Jubelschrei galt den Verankerungen, die sich in diesem Augenblick trennten. Eilig zogen sie Sam Merle wieder hoch und klopften ihm anerkennend auf die breiten Schultern.
„Gute Arbeit, Sam!“, schrien sie.
„In Ordnung!“, sagte Ben Hillary lediglich. Für ihn hatte es keinen Zweifel gegeben, dass die Sache klappen würde. Was er ausknobelte, klappte immer.
Die Lok mit den wenigen Packwaggons hinter dem Tender raste weiter durch die Nacht. Weder der Lokführer noch sein Heizer hatten von dem Manöver etwas gemerkt. Auch die lange Kette der Passagierwagen rollte noch weiter. Doch sie folgte lediglich noch dem Schwung, der rasch nachließ. Sie verlangsamte zusehends ihr Tempo und blieb plötzlich ganz stehen.
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Kleinkariert wie sein Hemd war sein ganzes Benehmen. Buz Sherlock fühlte sich noch immer persönlich durch mein Eingreifen gekränkt. Am liebsten hätte er mich wahrscheinlich von der Plattform gestoßen, aber das wagte er nun doch nicht, denn inzwischen hatte er gemerkt, dass er an den Falschen geraten war, der seine Butter gern selbst aß, statt sie sich vom Brot nehmen zu lassen. Das war aber auch schon alles. Zu einer Zusammenarbeit mit Chaco und mir war er nach wie vor nicht bereit.
Unsere Debatte hätte vermutlich noch lange gedauert und doch zu keinem Ergebnis geführt, wenn nicht der Zug plötzlich sein Tempo verlangsamt hätte.
„Was soll das?“, fragte Buz Sherlock und sah mich dabei so wütend an, als spielte ich ihm aus lauter Bosheit einen unverständlichen Streich.
„Anscheinend haben Sie Ihre Fahrt nicht bezahlt“, erwiderte ich. „Und jetzt hängt man uns ab. Es lohnt eben nicht, am falschen Ende zu sparen.“
Der Agent funkelte mich zornig an. Meine Witze fand er nicht sehr originell, aber dieser Mann mit seiner Borniertheit reizte mich geradezu, mich über ihn zu belustigen, wenn mir in diesem Augenblick auch gar nicht danach zumute war.
Tatsächlich blieben unsere Wagen nach kurzer Zeit stehen, während wir die Lok mit nur wenigen Waggons mit unverminderter Geschwindigkeit weiterrasen sahen.
Bevor wir die Möglichkeit hatten, uns über diesen Umstand den Kopf zu zerbrechen und alle möglichen Vermutungen anzustellen, sah ich einen Schatten über die vorderen Waggondächer hetzen. Es war Chaco. Ich erkannte ihn an der geschmeidigen Art, wie er sich fortbewegte, bevor ich noch sein Gesicht sah.
Buz Sherlock griff augenblicklich zu seinem Revolver, denn wenn sich jemand auf diese ungewöhnliche Weise näherte, konnte er nach seiner Meinung unmöglich etwas Gesetzliches Vorhaben. Zudem sah Chaco nicht gerade sehr salonfähig aus. Anscheinend hatte er mehr erlebt als ich.
Ich packte Sherlock am Arm, bevor er die Waffe aus dem Holster hatte.
„Keine Angst, Sherlock! Der Bursche beißt nur Waffenschmuggler und ähnliches Gesindel. Es ist mein Partner Chaco Gates.“
„Seltsame Freunde haben Sie“, fauchte der Agent aus Washington. „Das wundert mich aber nicht.“
Chaco hatte unseren Wagen erreicht. Als er uns sichtete, sprang er in halsbrecherischer Manier zu uns auf die Plattform. Während des Fahrens hätte er das nicht riskieren dürfen. Er warf uns einen schnellen Blick zu, begriff mein Zwinkern und wusste sofort, mit wem er es zu tun hatte.
„Ich habe sie gefunden“, stieß er atemlos hervor. „Die Halunken mit ihren Kisten. Sie hatten sich im letzten Packwaggon versteckt. Ich habe die Gewehre gesehen. Es sind funkelnagelneue Waffen. Allerdings haben die Burschen das Zeug nicht aus den Augen gelassen und mich ganz schön in die Mangel genommen.“
„Das sieht man dir an“, stellte ich fest.
„Ich möchte wirklich wissen, warum ich immer meinen Kopf zum Reinschlagen hinhalten muss“, knurrte Chaco.
„Wie viele waren es?“
„Ich habe fünf Mann gezählt, aber ich kann nicht sagen, ob es in Wirklichkeit nicht noch mehr sind. Sie haben sich ziemlich laut unterhalten, während sie mich noch für bewusstlos hielten. Dieser Ben Hillary ist auch dabei. Sie waren ziemlich beunruhigt, weil sie wohl nicht damit gerechnet hatten, schon wieder verfolgt zu werden.“
„Sehen Sie!“, tobte Buz Sherlock sofort los. „Das habe ich Ihnen ja gleich gesagt. Sie haben alles versaut. Wenn Sie nicht aufgetaucht wären, würden sich die Banditen jetzt noch in Sicherheit wiegen. An der nächsten Station melde ich den Vorfall nach Washington. Ich bin nämlich Spezialagent der Regierung“, erklärte er Chaco großspurig.
Aber weder Chaco noch ich hörten ihm zu.
„Zum Glück konnte ich ihnen entwischen“, fuhr Chaco fort. „Anscheinend erwarteten sie einige Informationen von mir. Aber sie haben offensichtlich einen anderen Weg gefunden, um sich abzusetzen.“
„Offensichtlich!“, fauchte Buz Sherlock. „Sie haben die Passagierwaggons abgekuppelt. Und jetzt glauben sie, uns endgültig los zu sein.“
„Das hat schon mancher geglaubt“, erinnerte ich.
Chaco grinste tatendurstig. Ich konnte mir vorstellen, wie es in seinem Innern aussah. Es war nicht lustig, ständig nur den Prügelknaben spielen zu müssen. Erst für Slinger und nun für Ben Hillary und seine Meute.
„Mir war, als hörte ich einen Schrei, während ich über die Dächer hastete“, sagte Chaco. „Ich blickte kurz zurück, und etwas stürzte den Bahndamm hinunter.“
„Hoffentlich eine dieser Kanaillen“, sagte Buz Sherlock und war sich offenbar nicht schlüssig, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte.
Wir zeigten es ihm. Fast gleichzeitig sprangen wir von der Plattform und liefen den Bahndamm hinunter. Wenn wirklich jemand vom fahrenden Zug gestürzt war, hatte er sich wahrscheinlich sämtliche Knochen im Leib gebrochen. Er musste ein Stück weiter hinten liegen, denn die Waggons waren noch eine Weile weitergefahren, bis sie stillstanden.
Kurz hinter dem Ende des Zuges fanden wir den Mann. Er stöhnte, aber er war nicht tot. Anscheinend hatten die Büsche, die hier vereinzelt standen, den Aufprall etwas gemildert. Immerhin hatte er zumindest ein Bein gebrochen. Dass er nicht zu den Banditen gehörte, sahen wir schon an seiner Kleidung. Er war der Schaffner des Zuges. Offenbar hatte er die Verbrecher gestört, und sie hatten nicht lange gefackelt, sondern ihn von der Plattform gestoßen. Ein Menschenleben zählte bei ihnen nur dann etwas, wenn es ihr eigenes war.
In den Waggons war es inzwischen lebendig geworden. Auch der Letzte hatte wohl bemerkt, dass etwas nicht stimmen konnte, wenn der Zug mitten auf der freien Strecke völlig unplanmäßig anhielt. Neugierige Köpfe reckten sich aus den Fenstern. Wir hörten lautes Schimpfen, bis ein paar Männer uns entdeckten und uns zu Hilfe eilten, um den Verletzten vorsichtig zurückzutragen.
Der