Superhummeln - Bedrohte Stars am Bestäuberhimmel. Antje Arnold

Superhummeln - Bedrohte Stars am Bestäuberhimmel - Antje Arnold


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die meisten Wildbienen und viele weitere Insekten geradezu unsichtbar, weil sie sich so einzeln, so versteckt, so geheimnisvoll entwickeln. Man bekommt schlichtweg nichts mit von ihnen. Sogar als erwachsene Wildbienchen sind sie öfter schon mal so winzig geraten, dass sie damit durch das Sieb unserer Wahrnehmung flutschen.

      Aber selbst der fleißigen, jedoch stillen Bürokollegin kann es durchaus passieren für den Chef unsichtbar zu sein. Deshalb gehört klappern schlichtweg zum Handwerk, wenn es um Leistung geht. Tue Gutes und rede darüber. Aber Wildbienen und Insekten haben es nicht nur wegen Andersseins, Unsichtbarkeit und mangelnder Sprachfertigkeiten schwerer als Säugetiere. Denn selbst wenn sie in unsere Wahrnehmung rücken, dann meist nur deshalb, weil sie uns viel öfter in die Quere kommen als Eisbärenbabys und einfach nur nerven. Als lästige Mücken, als Pflaumenkuchendiebe, als Erntevertilger, als bedrohlich brummende Hummeln oder als Kopfläuse. Damit gehören Insekten von Haus aus eher zur Abteilung „igitt!“. In knallharter Business-Sprache entsprechen diese alles leider nur Negativleistungen. Da hingegen liegt die positive Leistung eines knuffigen Stoffpandas klar auf der Hand. Es ist eben beruhigender und förderlicher für einen guten Schlaf sich mit ihm das Bett zu teilen als mit einer Bettwanze.

      Nicht zuletzt aber funktioniert Wahrnehmung genau so. Vieles ist eine Frage der Sinnesorgane, aber alles wird zur Frage der Betroffenheit. Juckt uns der Flohbiss, nehmen wir den Floh wahr, falls nicht, wissen wir gar nichts von seiner Existenz.

       Alles Honig oder was?

      Nun aber zur eigentlichen „Bienenleistung“. Was fällt Ihnen bei diesem Stichwort ein? Na klar, als erstes ein Sonntagmorgen mit honiggelbem Sonnenschein und Butterbrötchen. Darauf der Honig, der über den Rand tropft – hmmm, lecker! Gläser voll mit Honig, und natürlich der treusorgende Imker. Das ist kulturell verankert. Honig sieht man, schmeckt man und spürt man. Dieses Direkte und Unmittelbare liebt unser Gehirn und brennt es bei sich ein. Als köstlich zähes, manchmal kristallines, fast schon beißend süßaromatisches Elixier, enthält es zwar richtig viel Zucker, aber auch zahlreiche, gesundklingende Inhaltsstoffe wie Vitamine und Inhibine. Letztere wirken sogar antibiotisch, weshalb bei Erkältungen gerne Lindenblütenhonig zum Lindenblütentee gereicht wird. Kalt gelutscht statt totgebrüht. Für die reinen Genussmenschen unter den Honigkonsumenten aber hält er bis zu 120 Aromastoffe parat, je nachdem an welchen Blüten seine Sammlerinnen geschleckt haben. Kein Wunder, dass es schon professionelle Honigsommeliers gibt. Und kein Wunder, dass diese Bienenleistung spürbar ist.

      Aber wie so oft, ist hier nicht das das Wichtigste, was Augen oder Zunge an die Hirnzellen funken. Dazu ein konkretes Beispiel zum Sehen und Schmecken: ein frisch gewachsener Kiefernsteinpilz beim Waldspaziergang. „Wow, was für ein Glückspilz bin ich denn?!“ Der nächste Gedanke: „Wunderbar, den brate ich mir gleich mit Knoblauch als köstliche Vorspeise“. Und vielleicht noch: „Hoffentlich wurmfrei!“. Keine einzige Hirnzelle denkt daran, dass dieser Steinpilz nur die kleine sichtbare Frucht eines riesigen, unterirdisch weit verzweigten Organismus mit vielfältigsten Aufgaben darstellt. Einer seiner wichtigsten Jobs: Dealen. Und das läuft so: Unser Pilz, der wegen seiner Zuckersucht - hier Geschmacksrichtung „Kiefer“- gerne unter Kiefern wächst, dealt mit ihren Wurzeln für unsere Augen verborgen im Geheimen. Mineralien gegen Zuckerlösung. Symbiose nennen Biologen das. Etliche Nebenbeziehungen unterhält er ferner mit Bakterien und anderem Lebendigen. Seine Leistung für das Ökosystem ist es, ein nützliches und wichtiges Mitglied dieses wunderbaren und wundersamen Geflechts zu sein und nicht das Produkt in der Bratpfanne eines einzelnen Homo Sapiensers aus der Fraktion der Feinschmecker. Deshalb niemals nach Kiefernsteinpilzen unter Buchen suchen. Sonst hat man was Grundlegendes nicht verstanden. Und ganz ähnlich verhält sich das auch mit der Bienenleistung.

       Bestäubung: Die wichtigste Nebenwirkung auf der Welt

      Bienen liefern ihre wichtigste Leistung eher ganz lässig nebenbei ab. Gerade aber dieser Nebenjob schwingt sich zu einer der wichtigsten Nebenwirkungen der Welt auf - die Bestäubung der Blüten. Schließlich ist in Zeiten des Zuckerüberflusses Honig als Energielieferant mittlerweile von gestern und nur noch reines Genussmittel. Früher lief das verständlicherweise anders. Denn bis zur Züchtung der Zuckerrübe um 1700, vermutlich durch Zuckerjunkies, blieb Süßkram für die meisten unerschwinglich und Honig damit wirklich wichtig.

      Jenen Nebenjob erledigen weltweit bis zu 30.000 Bienen- und Hummelarten und bestäuben mehr als 70 Prozent aller Nutzpflanzen. Gemüse, Obst und weitere nützliche Pflanzen wie Baumwolle und Klee gehören mit zur Partie. Und daher sind sie für uns unverzichtbar. Angeblich sagte Einstein einmal: „Stirbt die Biene, stirbt der Mensch“. Klar, könnten wir uns zur Not nur von Getreide ernähren, dem zur Bestäubung der Wind reicht. Aber das wäre auf Dauer mindestens genauso langweilig für den Geschmack wie ständig Käsepizza ohne Tomate zu essen. Auf Dauer weder lecker noch gesund, weil viele sekundäre Pflanzenstoffe fehlen wie ätherische Öle, Anthocyane und so weiter.

      Diese 70 Prozent Bestäuberleistung aller Bienenarten kann man umrechnen, in Euro oder meinetwegen auch in Dollar. Das verstehen dann die Allermeisten und selbst Banker. Die weltweiten Zahlen verschiedener Quellen schwanken zwar zwischen 150 und 500 Milliarden Euro pro Jahr enorm. Dennoch entspricht das nicht mehr nur simpler Nahrung, sondern auch knallharten Wirtschaftsfakten. Bienen sind also auch für Kohle zuständig und besetzen damit eine Schlüsselstellung der landwirtschaftlichen Produktivität.

      Weil die meisten Menschen aber immer noch gerne alle 20.000 bis 30.000 Bienenarten für etwas ukelig geratene Honigbienen halten, wird die Honigbiene mittlerweile als drittwichtigstes Nutztier gehandelt. Nach Rindern und Schweinen kommt sie sogar noch vor dem Federvieh und ist die am meisten gefeierte Biene im Sprachkosmos des Menschen. Begriffe wie bienenfleißig, die Blüten-Bienen-Geschichte, Fleißbienchen zur Hausaufgabenmotivation, ein Kuchen Namens Bienenstich, Biene Maja, das Honigkuchenpferd und jemandem Honig ums Maul schmieren, aber auch der Honeymoon oder „honey“ als Kosename der Liebsten. Und immer dreht es sich dabei um die Honigbiene und ihren Honig. Zugegebenermaßen bietet sie im Gegensatz zu den meisten Wildbienen noch eine weitere große Attraktion.

      Sie ist ein soziales Wesen. Und zu der Zeit als man das entdeckte, schien deren Organisation ein Stück weit dem ehemals gültigen Gesellschaftssystem zu ähneln. Das konnte man ihr prima überstülpen. Und irgendwie wirkte das ganze Gefüge aus damaliger Sicht praktischerweise auch noch absolutistisch. Die Königin an der Spitze schien mit Macht nach unten zu dirigieren. In Wirklichkeit läuft es zwar anders, aber weil sich diese staatstragenden Metaphern so in den Menschenköpfen festgesetzt haben, bleibt man der Einfachheit halber im traditionellen Vokabular von Königin, Arbeiterin, Staat und Volk. Später entdeckte man, dass Bienen sogar sprechen können. Über einen Schwänzeltanz berichten sie von Klatsch und Tratsch und mitunter auch von wichtigen Ereignissen außerhalb des Stocks. Deshalb schienen sie uns immer ähnlicher und damit menschlicher zu werden.

      Wildbienen hingegen flogen lange unterm Radar unserer Wahrnehmung durch. Denn sie liefern weder sichtbare Beweise ihrer Leistung in Form von Honig noch leben sie derart auffällig sozial oder verhalten sich so geschwätzig wie unsere Honigbiene. Aber genauso wenig wie Zitronenfalter die berühmten Zitronen falten, produzieren alle Bienen Honig. Wildbienen sind eben für andere Dinge zuständig: Artenvielfalt, stabile Ökosysteme und damit die Lebensgrundlage des Menschen.

       Wilde Hummeln: Grundpfeiler vieler Ökosysteme und Booster für die Vielfalt

      Wildbienen und Hummeln können zwar keinen Honig, aber sie können bestäuben – und wie! Sie können mit allerlei charmanten Marotten brillieren – und wie! Sie können süß und plüschig sein – und wie! Alles einwandfreie Bienenleistungen. Wir müssen nur genau hinschauen. Deshalb ist das schlichtweg Diskriminierung, wenn immer noch Bücher allgemeine Bienentitel tragen, die „Wie leben unsere Bienen?“ ähneln, um dann ausschließlich von der Honigbiene zu reden. So, als ob sie die einzige Bienenart unter der Sonne sei, anstatt nur eine von bis zu 30.000. Und so wie die Bettwanze alle anderen weltweiten 40.000 Wanzenarten überstrahlt, ist es die Honigbiene, die zum Platzhirsch aller Bienen geworden ist. Auch deshalb glauben immer noch viele Menschen alle Bienen seien Honigbienen. Dabei gibt


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