Ganz für Familie. Erwin Sittig

Ganz für Familie - Erwin Sittig


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       Erwin Sittig

       Ganz für Familie

       Kurzgeschichten für Klein und Groß

       märchenhaft, realistisch und utopisch

      © 2020 Erwin Sittig

       https://erwinsittia.de

      Illustration Cover: Erwin Sittig

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

Paperback:978-3-347-07774-4
Hardcover:978-3-347-07775-1
e-Book:978-3-347-07776-8

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       Inhaltsverzeichnis

      1. Rotkäppchen

      Kategorie: Kinder / Märchen

      2. Hanna und die Schokobienen

      Kategorie: Kinder / Märchen

      3. Die Jagd nach der Mücke

      Kategorie: Kinder / realistisch

      4. Drachen, flieg mit mir

      Kategorie: Kinder / fantastisch

      5. Der wahre Froschkönig

      Kategorie: Kinder / Märchen

      6. Rettet die Geister

      Kategorie: Kinder / fantastisch

      7. Klaus und Santa Claus

      Kategorie: Kinder / fantastisch

      8. Unsichtbar

      Kategorie: Kinder / Märchen

      9. Linde - Ein Baumleben

      Kategorie: realistisch / Kinder / Erwachsene

      10. Durch dick und dünn

      Kategorie: realistisch / Kinder / Erwachsene

      11. Späte Erkenntnis

      Kategorie: realistisch-fantastisch / Erwachsene

      12. Warum gerade ich

      Kategorie: realistisch / Erwachsene

      13. Tödliche Sicherheit

      Kategorie: utopisch / Erwachsene

      14. Die Strafe

      Kategorie: utopisch / Erwachsene

      15. Die Last der Vergangenheit

      Kategorie: utopisch / Erwachsene

      16. Nur etwas Leben

      Kategorie: utopisch /Erwachsene

       Rotkäppchen

      Jeder kannte das kleine Mädchen, das, ob Sommer oder Winter, ständig ihr rotes Käppchen trug. Sie hieß Fridolinetta. Ihre Eltern hatten sich immer einen Jungen gewünscht und schon vor der Geburt den Namen Fridolin ausgesucht. Als das Baby auf die Welt kam, schauten sie mehrmals nach, ob es wirklich ein Mädchen ist. Sie waren darauf nicht vorbereitet und die Hebamme wollte unbedingt den Namen des neugeborenen Kindes wissen, um die Geburtsurkunde auszufüllen. Ihnen fiel kein Mädchenname ein und so grübelten sie viele Stunden, während die Hebamme solange wartete.

      Endlich kam den Eltern die Idee, das Kind Fridolinetta zu nennen. Als die ihren Namen erfuhr, fing sie sofort an zu schreien und konnte sich lange nicht beruhigen.

      Jahre später kam die Zeit, da Fridolinetta den Fimmel mit dem roten Käppchen bekam. Ständig trug sie es auf dem Kopf herum. In der Schule erfand dann ein frecher Knabe den Spitznamen Rotkäppchen.

      Rotkäppchen freute sich so über ihren neuen Namen, dass sie jedem der sie danach fragte, „Rotkäppchen“ zur Antwort gab. Dass sich Rotkäppchen über diesen Namen nicht ärgerte, störte den Jungen sehr und er begann, sie wieder Fridolinetta zu nennen. Doch das half nichts. Der neue Name war im Gedächtnis des gesamten Ortes wie eingebrannt. Es ging sogar so weit, dass die ganze Verwandtschaft, woher sie auch kamen, Fridolinetta Rotkäppchen nannten.

      Rotkäppchen hatte eine Oma, die tief im Walde wohnte und gern mal ein Gläschen Wein trank. Nun traf es sich, dass der Oma der Wein ausgegangen war und die kleine Verkaufsstelle im Wald wegen Bauarbeiten geschlossen war. Da die Oma aber immer zittrige Hände bekam, wenn sie längere Zeit auf ihren Wein verzichten musste, rief sie bei Rotkäppchens Mutti an und bat sie, eine Kiste von dem leckeren Rotwein vorbeizubringen. Da die Mutter keine Zeit hatte, beschloss sie, ihre Tochter zur Oma zu schicken. Sie hatte einen Kuchen gebacken und packte auch davon etwas ein. Rotkäppchen stellte die Kiste Wein und das Körbchen mit dem Kuchen in ihren kleinen Handwagen und wollte sich auf den Weg machen. Die Mutter hielt es für nötig, dem Mädchen ein paar Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

      „Rotkäppchen“, sagte sie „du weißt, wie gefährlich es im Wald ist. Gehe nicht vom Wege ab. Du weißt, dass der Förster schon alt ist und nicht mehr richtig sehen kann. Er könnte dich leicht mit einem Reh verwechseln und die Weinflaschen zerschießen. Also pass auf.“

      Rotkäppchen verdrehte die Augen. Sie war es leid, ständig die Belehrungen der Mutter anzuhören, so dass sie nicht mehr zuhörte.

      „Außerdem“, fuhr die Mutter fort „wurden kürzlich Wölfe im Walde gesehen. Es sollen furchtbare Quatschtanten sein. Lass dich von ihnen nicht aufhalten. Oma braucht den Wein dringend. Als sie mit mir telefonierte, zitterte sie so stark, dass das Telefon ständig gegen ihre Brille schlug und ich kaum verstehen konnte, was sie wollte.“

      „Ich will schon alles Recht machen“, sagte Rotkäppchen und zog singend in den Wald hinein.

      Ein paar Stunden Weg lagen vor ihr, so dass sie beschloss, sich zu beeilen. Es dauerte nicht lange und Rotkäppchen hörte, wie sich Wolfsgeheul näherte. Die Mutter hatte sie zwar vor dem Gequatsche der Wölfe gewarnt, sie kannte dies aus alten Märchen, aber sie hatte vergessen, zu erwähnen, dass sie auch sehr verfressen sind. Also spazierte Rotkäppchen sorglos weiter. Ein paar Kreuzungen später tauchte er schließlich auf.

      „Guten Tag, Fridolinetta“, rief der Wolf.

      Damit hatte er verspielt. Nie hätte er den ihr so verhassten Namen benutzen dürfen.

      „Ich heiße Rotkäppchen“, antwortete sie schnippisch und würdigte den Wolf keines weiteren Blicks.

      Der Wolf folgte ihr jedoch. Je länger er Rotkäppchen beobachtete, umso mehr lief ihm vor Appetit das Wasser im Maul zusammen. Sollte er seinen Appetit sofort stillen?

      Er nahm sein Gespräch wieder auf.

      „Wo willst du eigentlich hin, Rotkäppchen?“

      „Zu Oma“, antwortete sie kurz und hüllte sich dann in Schweigen.

      Da kam dem Wolf eine Idee.

      „Rotkäppchen“, säuselte er „siehst du nicht die herrlichen Pilze im Wald stehen? Vielleicht würde sich deine Oma darüber freuen, wenn du ihr ein paar davon mitbringst.“

      Sie überlegte. Das ist gar keine schlechte Idee. Da Omas Verkaufsstelle geschlossen war, könnte es sein, dass sie das Konservenessen satthat und sich über frische Kost freut. Sie ließ den Wagen stehen und ging vom Wege ab, um die Pilze einzusammeln.

      Darauf hatte der Wolf nur gewartet. Nachdem Rotkäppchen aus seinem Blickfeld verschwunden war, stürzte er sich sofort auf die Kiste Rotwein. Wenn er gewusst hätte, wie der Wein auf die Oma gewirkt hat, hätte er vielleicht die Pfoten davon gelassen. Doch er war dumm und wollte unbedingt an den Wein herankommen.


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