Die nächste Generation. Jule Beatsch
Jule Beatsch
Die nächste Generation
Gejagt
Impressum
Text: © 2020 Copyright by Jule Beatsch
Cover: © 2020 Copyright by Jule Beatsch
Print:
All rights reserved; no part of this book may be used or reproduced by any means without credit or permission.
978-3-347-14046-2 (Paperback)
978-3-347-14047-9 (Hardcover)
978-3-347-14048-6 (e-Book)
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg.
Für Annika, die mich dazu ermutigt hat, niemals aufzugeben
Vorwort:
Als erstes möchte ich mich bedanken, dass jemand dieses Buch in Händen hält, um es zu lesen. Meine Hauptzielgruppe sind von Anfang an Jugendliche gewesen, denn ich möchte ihnen mit diesem Buch zeigen, dass Bücher lesen Spaß machen kann. Als ich mit dem Schreiben dieses Buches anfing, war ich gerade mal dreizehn Jahre alt und habe das nur aus Langeweile gemacht. Aber die Idee umfasste mit der Zeit unglaubliche viele Details und es kamen immer mehr Seiten hinzu. Meine Grundidee war es das Buch so zu schreiben, dass jeder für sich einen Charakter finden kann, in der er sich gut hineinversetzen kann und sich mit diesem identifiziert. Ich habe auch Probleme angesprochen, die sicherlich der ein oder andere kennt oder vielleicht sogar jeden Tag damit konfrontiert wird: Schulstress, Depressionen, Angst, Einsamkeit oder auch das Gefühl einfach anders zu sein. Doch es sind auch Themen, wie Individualität, Teamgeist, Liebe und Zusammenhalt in diesem Buch zu finden. Dies soll bedeuten: auf schlechte Zeiten folgen gute; man darf sich nie selbst aufgeben und nie den Kopf hängen lassen. Dieses Buch soll euch einfach zeigen, dass es immer wieder Lichtblicke gibt, egal wie klein sie sind, man muss nur die Augen öffnen, um sie sehen zu können.
In dem Sinne: Danke fürs Lesen. Ich hoffe ich kann hiermit etwas bewirken. Die Kapitelüberschriften sind übrigens Songs, die meiner Meinung nach perfekt zu den darin angesprochenen Themen passen.
Clementine
(Mark Owen, 1996)
Gott wird oft als übernatürliches, körperloses Wesen definiert, für das die Naturgesetze nicht gelten.
Anders formuliert ist unser Gott ein unsterbliches höheres Wesen von Menschengestalt, das die Verkörperung einer Naturkraft oder einer geistigen oder sittlichen Macht darstellt. Gott bedeutet: allmächtig und gerecht. Jeder von uns dachte doch einmal, dass Gott ein lieber und freundlicher alter Mann mit weißem Bart und einem weißen Gewand ist, welcher immer auf uns aufpasst und uns vor all dem Bösen in der Welt bewahrt. Der oben auf einer riesengroßen weichen Wolke sitzt und uns vor Gefahren beschützt, sodass wir niemals Angst haben müssen. Jemand, der uns zeigt, dass uns jeder Fehler vergeben wird. Jemand, der in schwierigen Zeiten immer für uns da ist. Eine Art Belohnung für unseren Glauben. Ja, das ist alles schön und gut, aber mal ehrlich: Als Kind haben sie dir immer erzählt, wie wunderbar und perfekt der religiöse Glauben ist. Ist er für manche Menschen ja auch. Aber nie hat jemand was von der anderen Seite unseres Glaubens berichtet. Vom Jenseits. Dort kommen alle bösen Seelen nach dem Tod hin, Menschen, die in ihrem Leben Fehler gemacht haben und genau das ist die Lücke in unserem Glauben. Denn jeder Mensch, jede Kreatur und jedes Wesen macht Fehler, das ist unvermeidbar. Ich schlussfolgere, dann müsste ja eigentlich jeder in das Jenseits beziehungsweise in die Hölle kommen, ich meine, die müsste ja dann schlichtweg total überfüllt sein. Hätte ich all das vorher gewusst, hätte ich sicherlich einiges davon vermeiden können, ich hätte mein Leben mehr geachtet, ich hätte es wertgeschätzt und ich wäre zu einigen Menschen netter gewesen. Glaubt mir, ich hätte sehr viel anders gemacht. Nun ist es vorbei. Es ist unaufhaltsam. Und irgendwann erwischt es auch dich. Und du wirst es viel zu spät bemerken.
***
„Clementine! Hast du deine Hausaufgaben für morgen in Chemie schon gemacht? Du weißt, das wird benotet, und du weißt, dass du dich mehr anstrengen musst! Davon hängt sehr viel ab; das weißt du doch selbst! Stell dir mal vor, du würdest sitzen bleiben! Es würde unseren Ruf ruinieren, es wäre eine Tragödie!", rief ihre Mutter, Mrs. Campbell, aber mehr jammernd und mehr zu sich selbst, als wäre eine schlechte Note in Chemie ihr Todesurteil. Clementine hatte im ersten Stock einer sündhaft teuren Villa in den Beverly Hills der Stadt Los Angeles ihr Zimmer und rief trotzig durch die offene Zimmertür nach unten: „Ja, ich habe das Zeug fertig und ja, ich habe mich angestrengt! Und keine Sorge, ich werde schon nicht sitzenbleiben. Zufrieden?"
Ein tiefes Seufzen war die Antwort und sie hörte wie ihre Mutter zu sich selbst sagte: „Dieses Kind!"
Clementine rollte nur mit den Augen, drehte dem Flur mit vergoldeten Stuck-Wänden den Rücken zu und schloss die Tür. Sie hatte ihrer Mutter nicht die ganze Wahrheit gesagt, denn ihre Hausaufgaben in Chemie, „von denen ja soooo viel abhing", hatte sie nicht mal zur Hälfte fertig. Sowieso hatte Clem nur wirres Zeug mit irgendwelchen Formen und Stoffen aufs Blatt geschmiert, so was H2O-mäßiges. Es würde schon schiefgehen; ihr Chemielehrer war eigentlich relativ locker, was Hausaufgaben betraf. Im Wesentlichen saß er im Unterricht immer nur vorne am Pult und las irgendwas, solche historischen Bücher, die er aus der Schulbibliothek auslieh. Mittlerweile war Clementine aber felsenfest davon überzeugt, dass er schon mindestens die Hälfte aller Bücher dort gelesen hatte, so müde wie er immer aussah mit seinen zerzausten Haaren, der schiefen Brille mit den dicken Gläsern und seinem zerknitterten Anzug. Nicht zu vergessen: seine gestreifte Krawatte. Clem war sowieso nicht so der „Ichlerne-weil-es-mir-Spaß-macht-Typ", sondern eher der „Ich-lernenachts-um-drei-weil-ich-die-Personifizierung-der-Faulheit-bin". Das könnte vermutlich der Grund sein, weshalb sie nicht so großartige Noten schrieb. Ihr persönlich war das ja auch nicht so wichtig, aber für Clems Mutter, das in Los Angeles hoch angesehene und heiß begehrte Model, war das ja das Wichtigste auf der Welt. Es hätte Clementine nicht gewundert, wenn sie Lehrerin geworden wäre, falls es mit der Model-Karriere nicht hingehauen hätte. Jedenfalls hatte sie die große Angst, Clem würde nicht erfolgreich werden. Ihre Vorstellung von der Zukunft ihrer Tochter war nämlich, dass Clementine wie sie ein Model werden würde oder zumindest eine Schauspielerin. Erfolg war alles für sie, und auch ihr Stiefvater hatte einen tollen Job: Er arbeitete als Regisseur von weltbekannten Filmen, die in allen möglichen Ländern ausgestrahlt wurden. Clementine selbst hatte noch keinen Beruf vor Augen, eine Modelkarriere wäre für sie allerdings das langweiligste auf der Welt. Immer nur perfekt lächeln, einen hässlichen roten Teppich entlang stöckeln und posieren? Dann könnte sie ja gleich Prostituierte werden, also mal ehrlich. Seufzend ließ sie sich auf ihr goldenes Himmelbett fallen. Die zahlreichen Kissen federten sie, sodass sie wie auf einer Wolke landete. So lag sie da eine ganze Weile und starrte die Decke an, die über und über mit beigen Paisleymustern verziert war. Natürlich hatte Clementines Mutter ihr Zimmer eingerichtet. Aber sonderlich beschweren konnte sie sich nicht darüber; es war besonders groß und geräumig, und sie besaß einen Balkon mit Blick auf den Schriftzug „Hollywood". Sie ließ ihren Blick kurz über die restliche Einrichtung ihres Zimmers schweifen. Sie besaß einen großen Kleiderschrank, eine etwas kleinere Kommode und einen hübschen Schminktisch.
Erschrocken fuhr das Mädchen hoch, als das laute Klingeln ihres Handys sie aus ihren Tagträumereien riss. Verwundert blinzelte Clementine und starrte verwirrt auf das Display.
„Oh wie schön, Kai ruft an!", murmelte sie und ging natürlich sofort ran.
„Hi Clem", begrüßte die Stimme eines Jungen sie mit seiner sanften und ruhigen Stimme, wodurch Clementine sich sofort besser und fröhlicher fühlte. Kai war Clementines Freund und sie gingen in die gleiche Klasse. Er war in ihren Augen ihr Seelenverwandter, ihr Lebenssinn.
„Hallo Kai, wie geht es dir?", fragte Clementine verträumt und zeichnete mit ihrem Zeigefinger wilde Muster in ihre Bettdecke.
„Alles gut, nur Training nervt. Jordan ist so ein schlechter Spieler! Mich wundert es, dass der Coach ihn noch nicht aus dem Team geworfen hat. Sogar ein Nilpferd im Tanga würde besser spielen als er.", berichtete er ihr und Clementine prustete los. Kai war ein leidenschaftlicher Footballspieler,