Wie das System Eisenbahn funktioniert. Frank Hole
Weiterer Handlungsbedarf und Ausblick
5.6 Eisenbahn-Verkehrsordnung
5.7 Beförderungsbedingungen
5.7.1 Beispiel: Beförderungsbedingungen der DB AG
5.7.2 Beförderungsbedingungen anderer EVU
5.8 Fahrgastrechte-Verordnung
5.9 Bundesnetzagentur
5.10 Eisenbahn-Bundesamt
6 Personal
6.1 Entwicklung und Wandel
6.2 Berufsbilder
6.3 Motivation und Selbstverständnis
7 Sicherheit (Safety) und Umwelt
7.1 Sicherheit (Safety)
7.2 Umwelt
8 Nachwort zum ersten Band
Anmerkungen und Quellennachweise
Vorwort
Drei Bücher über die Eisenbahn – ist das wirklich nötig?
Ich habe im Laufe meiner zahlreichen Eisenbahnfahrten, aber auch beruflich bedingt, vieles mitbekommen, was die Fahrgäste der Bahn bewegt. Allen gemeinsam ist ein großes Unverständnis, weshalb „die Bahn“ so ist, wie sie ist, und wie die Dinge zusammenhängen.
Umfassende Wissenslücken sind in diesem Bereich nicht weiter verwunderlich; bei der Bahn spielt sich sehr viel hinter den Kulissen ab. Und da die Bahn ein komplexes System ist, bei dem Ursache und Wirkung oft zeitlich versetzt und vielleicht auch in ganz verschiedenen Regionen auftreten, entzieht sie sich einfachen und offensichtlichen Erklärungen und Erkenntnissen. Und das wiederum lässt viel Raum für Vermutungen und Spekulationen.
Zwar engagieren sich viele Menschen in zahlreichen Vereinen, die sich mit historischen Bahnfahrzeugen, Modelleisenbahnen oder der Bahnpolitik beschäftigen. Auch gibt es ein großes Angebot liebevoll gestalteter Farbbände von schönen Bahnstrecken, Videos von Führerstandsmitfahrten, Fotos von bestimmten Zugtypen aus jedem erdenklichen Blickwinkel und Foren, in denen Spezialisten und Expertinnen mit bewundernswertem Engagement sehr ausgefallene Aspekte der Bahn dokumentieren oder diskutieren. Nicht zu vergessen die zahlreichen Bücher, die die Bahn satirisch aufs Korn nehmen.
Doch ich habe immer wieder festgestellt, dass es keine umfassende und verständliche Darstellung gibt, wie die Bahn funktioniert und wie man sie am besten nutzt. Diese Lücke soll die Reihe „Praxisbuch Eisenbahn“ schließen. Die drei Bücher sind ein konstruktives Angebot, die Eisenbahn besser zu verstehen und sie möglichst einfach, souverän und mit einem guten Gefühl zu nutzen. Band 1 vermittelt die wichtigsten Tatsachen und Zusammenhänge, wie das Bahnsystem funktioniert. Band 2 ist eine Anleitung zum Bahnfahren, und in Band 3 geht es rund um das Thema Unregelmäßigkeiten bei Bahnfahrten. Jedes dieser Bücher ist auch einzeln für sich verständlich, doch sinnvoller ist es, die drei nacheinander zu lesen.
Alle drei Bände beruhen auf meiner jahrzehntelangen Praxis als Bahnnutzer: als Pendler und Geschäftsreisender, auf dem Weg in den Urlaub, mit Familie, mit Kindern, als Radfahrer, im Ausland, in Verkehrsverbünden. Ich war und bin weiterhin in der 1. wie 2. Klasse und in allen Zuggattungen unterwegs, mit Netzkarten und Ländertickets, zum Sparpreis und Kurzstreckentarif. Ich habe für diese Bücher ausführlich recherchiert und viele Erfahrungen und Kenntnisse meiner beruflichen Tätigkeiten im Verkehrssektor eingebracht.
Ich möchte Ihnen in diesem ersten Band näherbringen, wie das System funktioniert und wie die Bahn tickt. Es ist ein Buch für alle, die die Bahn nutzen oder nutzen möchten, die in der Verkehrsbranche arbeiten oder die über sie berichten und entscheiden. Oder für Menschen, die einfach nur interessiert sind.
Ich habe mich um eine gut lesbare und verständliche Sprache bemüht und verzichte weitgehend auf Abkürzungen und Fremdwörter. Sie kommen nur dort vor, wo sie unumgänglich sind oder zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören. Es ist außerdem mein Anspruch, nach Möglichkeit einen übergeordneten Blickwinkel einzunehmen und mich nicht in Details, Besonderheiten und Ausnahmen zu verlieren, sondern mit zahlreichen Beispielen und Abbildungen die alltäglichen Erfahrungen stets im Auge zu behalten.
Ich wünsche mir, dass Sie dieses Buch mit Interesse lesen werden und dass Sie gut mit der Bahn unterwegs sind!
Einleitung
Die Bahn ist ein vielschichtiges System. Man könnte sie mit einem dynamischen, mehrdimensionalen Puzzle mit vielen Teilen vergleichen: Züge, Gleise, Weichen, Signale, Personal, Bahnhöfe, Gesetze, technische Regelwerke, Politik, Finanzierung, Aufsichtsbehörden, Verbünde, Bestellerorganisationen, Medien, Parteien, Interessensverbände und Fahrgäste sind Bestandteile dieses System-Puzzles. Jedes Teil hat seinen Platz und erfüllt eine bestimmte Aufgabe, untereinander gibt es unzählige Abhängigkeiten und Wechselwirkungen. Verändert sich nur ein Teil dieses Puzzles in Form, Menge, Größe, Inhalt, Einstellung, Material oder Geschwindigkeit, dann hat dies in der Regel umfangreichste Auswirkungen.
Abbildung 1: Stellvertretend für die Komplexität der sichtbaren Bestandteile des Bahnsystems steht dieses Bild des Vorfeldes des Frankfurter Hauptbahnhofs. Auf engstem Raum treffen hier tagtäglich weit über 2.000 Züge ein, fast eine halbe Million Fahrgäste nutzen diesen Bahnhof. [Copyright Frank Hole]
Wer ohne Wissen um die komplexen Zusammenhänge der Bahn einzelne Teile des Puzzles verändern möchte, wird wahrscheinlich nur Scheinerfolge erzielen. Unbedachte Änderungen und Einflüsse können erstaunliche Auswirkungen an völlig anderen, unerwarteten Stellen haben.
So mag der ersatzlose Ausbau einer Weiche oder eines wenig genutzten Gleises vordergründig Kosten sparen, in Wirklichkeit fehlen dadurch vielleicht betriebliche Spielräume, die zu erhöhten Verspätungen, Unzufriedenheit bei den Fahrgästen und geringerer Nachfrage aufgrund des miserablen Images führen können.
Oder: Wenn die Bahn im Jahre 2030 doppelt so viele Fahrgäste wie heute befördern soll, wie es die Pläne der Bundesregierung sinnvollerweise vorsehen, kann dies nicht über den Preis allein erreicht werden, sondern dann muss das mit einem deutlichen Ausbau der Kapazitäten bei den Zügen und beim Personal, aber insbesondere bei der Infrastruktur einhergehen. Und das kostet Geld und dauert sehr lange.
Derartige Zusammenhänge sind oft nur unzureichend bekannt. Selbst Fachleute in Behörden, Angestellte von Verkehrsbetrieben und Politikerinnen und Politiker, die sich mit Verkehrsfragen beschäftigen, kennen oft nur einzelne Aspekte, selten aber gibt es ein großes Gesamtbild über das Puzzle mit all seinen Teilen. Sogar Fahrgäste, die häufig Bahn fahren, stehen oft kopfschüttelnd vor bestimmten Situationen, die auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sind, für die es aber oft gute Gründe gibt.
Dieses Buch wendet sich an alle Interessierten, die mehr über die Hintergründe des Bahnsystems wissen wollen, um beruflich oder als Fahrgast bessere Entscheidungen treffen zu können: Wer um die Zusammenhänge weiß oder zumindest ahnt, dass es Wechselwirkungen gibt, wird eine differenziertere Einstellung haben, konstruktiver kommunizieren und sich anders verhalten – sei es als Fahrgast, als fachlicher oder politischer Entscheidungsträger, als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter eines Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmens oder Mitglied eines Interessensverbandes.
Wenn die Bahn in Zukunft eine tragende und wichtige Rolle zur Lösung von Verkehrs- und Umweltproblemen spielen soll – und das Potenzial hat dieses System auf jeden Fall –, dann ist dauerhafter Rückhalt in allen Institutionen, Gremien und in der Bevölkerung unumgänglich. Dazu ist einiges Wissen über die Zusammenhänge und eine grundsätzlich positive Einstellung zum Gesamtsystem nötig. Dieses einfach verständliche und praxisnah geschriebene Buch will einen Beitrag dazu leisten.
Und damit genug der allgemeinen Worte, hinein in die Inhalte! Den Anfang macht die Frage: Was ist denn nun das Besondere an der Bahn?
Züge unterscheiden sich von Autos und Lastwagen wie Flugzeuge