Arturs Geheimnis. Lothar Seiwert

Arturs Geheimnis - Lothar Seiwert


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in sich auf.

      Weiterentwickeln. Diesen Ausdruck hatte er noch nie in Bezug auf einen Hamster gehört. Die Alten sprachen im Frühjahr höchstens davon, dass sie hofften, das Korn werde sich in diesem Jahr gut entwickeln. Er wollte dazu gerade eine Bemerkung machen, aber der Erdgeist hatte offensichtlich anderes im Sinn.

      »Also los«, sagte der Erdgeist, »dann komm mal mit mir mit.«

      »Wohin?«, fragte Artur.

      »Na, hier hinein«, der Erdgeist deutete auf den Hügel hinter sich. »Ich geleite dich durch einen Gang, den ein Maulwurf durch diesen Erdwall gegraben hat.«

      Neugier und Angst schließen einander aus.

      Als er merkte, dass Artur minimal zögerte, fragte er: »Was ist – traust du dich nicht?«

      Doch Artur musste nicht lange überlegen: Dem Neugierigen gehört die Welt!

      »Halte dich nah hinter mir«, sagte der Erdgeist noch, bevor sie in den dunklen Gang eintauchten.

      Im Innern des Erdwalls kam Artur aus dem Staunen nicht heraus. Wie geräumig die Gänge waren! Im Vergleich dazu wirkten die Gänge ihrer Hamsterbauten wie Miniaturen. Und sie schienen sehr gut befestigt zu sein. Mehrmals ging es um eine Kurve, dann wieder führte der Tunnel ein wenig nach unten, um später wieder anzusteigen.

      Sie waren lange unterwegs und zuweilen hatte Artur Mühe, mit dem Erdgeist Schritt zu halten. Doch irgendwann erreichten sie das andere Ende.

      Artur war zutiefst beeindruckt von dem dunklen Labyrinth und bedankte sich herzlich bei seinem kundigen Führer.

      »Gern geschehen«, erwiderte der Erdgeist. »Und nun lauf erst ein Stück geradeaus und bei der nächsten großen Wasserlache musst du rechts herum. Dann kommt irgendwann der Wald. Viel Glück!«

      »Das kann ich gebrauchen«, lächelte Artur und verabschiedete sich von seinem Helfer.

      Artur dachte nach. Was konnte er daraus lernen?

      Nachdem er ein Stück gelaufen war, machte Artur eine Pause.

      Er kramte sein Notizbuch hervor: Die Sache mit dem Erdwall und dem Erdgeist war doch idealer Stoff zum Schreiben! Seine Pfote kreiste über dem Papier. Leider wusste er nicht, wie er anfangen sollte.

      Artur dachte eine Weile nach. Wie ließ sich das, was er gerade erlebt hatte, am besten in Worte fassen? Wichtiger noch: Was konnte er daraus lernen?

      Allmählich sortierten sich die Gedanken in seinem Kopf. Mit großen, etwas krakeligen Buchstaben schrieb Artur:

      »Sei offen für Neues.«

      Hm, das klang noch etwas sehr allgemein, aber es ging in die richtige Richtung. Genauer müsste er es wohl so formulieren:

      »Neugier ist die Kraft, mit der wir unbekannte Situationen meistern.«

      Zufrieden blickte Artur auf diesen zweiten Satz. Das war doch schon wesentlich besser. Und als er an den Erdgeist dachte, fügte er voller Schwung noch einen dritten hinzu:

      »Neugier und Angst schließen einander aus.«

      Nachdem er das Buch zugeschlagen hatte, saß Artur noch eine Weile sinnend da. Die Fragen des Erdgeistes und das, was er über innere Leere und persönliche Weiterentwicklung gesagt hatte, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf.

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      Wachsamkeit

      Puh, das war knapp!

      Als die Morgendämmerung aufzog, merkte Artur plötzlich, wie müde er war, und rollte sich unter einem halbwegs trockenen Grasbüschel zusammen. Sein Schlaf war tief und traumlos.

      Stunden später weckte ihn eine Mücke auf. Doch bevor sich Artur um sie oder um etwas anderes zum Fressen kümmerte, setzte er sich auf und fing an, sich ausgiebig zu putzen. Jeder Hamster, der etwas auf sich hielt, tat das nach dem Aufwachen als Erstes, und Artur bildete da keine Ausnahme.

      Erst fuhr er sich mit den Pfoten mehrfach über die Schnauze, dann zog er seine wollenen Ärmchen von hinten über den Kopf nach vorne und zuletzt bearbeitete er sorgfältig seine Flanken. Ach, das fühlte sich doch gleich viel besser an! Nun konnte die nächste Nacht kommen!

      Schnell hatte er etwas gefressen und schon war er wieder unterwegs. Jetzt konnte er die Hindernisse, die sich durch den Sturm ergeben hatten, auch schon besser einschätzen und er kam schneller voran.

      Gerade wollte er vergnügt über zwei abgeknickte Ähren hüpfen – er mochte es, wenn diese ihn dabei leicht am Bauch kitzelten –, als er plötzlich über sich ein verdächtiges Rauschen hörte. Oh nein! Ein Raubvogel musste ihn erspäht haben!

      Einen eigenen Bau, in den er sich verkriechen könnte, hatte Artur hier nicht. Instinktiv stürzte er sich kopfüber in das nächstgelegene Dickicht abgeknickter Halme, die sich schnell wieder hinter ihm schlossen. Dabei spürte er einen stechenden Schmerz in seiner rechten Hinterpfote; der Schnabel des Raubvogels hatte ihn dort gestreift.

      Der Wachsame nimmt sein Umfeld wie auch sich selbst intensiv wahr.

      Das war mehr als knapp gewesen! Zitternd hockte Artur in seinem notdürftigen Versteck. Es dauerte eine ganze Weile, bis sein Atem wieder ruhiger ging. Er setzte sich auf den Po und hob vorsichtig den rechten Fuß, um ihn zu inspizieren. Und stieß einen erleichterten Seufzer aus – der Fuß war zum Glück nicht ernsthaft verletzt.

      Aber wie konnte er nur so leichtsinnig gewesen sein! Er wusste doch, dass die Raubvögel am frühen Abend besonders intensiv Jagd auf Hamster machten. Statt wachsam zu sein, hatte er nur auf den Boden geschaut und Spaß an den neuen Umständen gehabt.

      Sein Angreifer würde nun noch eine ganze Weile über seinem Versteck kreisen, um ihn sich zu schnappen, sobald Artur wieder hervorkam. Aber da konnte der Raubvogel lange warten. Nicht mit ihm!

      Artur musste an eine Begebenheit denken, die schon etwas länger zurücklag. Hella war mit den drei Junghamstern Fridolin, Lisa und Artur unterwegs gewesen, um sie für das Leben im Kornfeld zu wappnen. Sie lernten, welche Dinge sie in ihre Backen stopfen konnten und wovon sie lieber die Finger lassen sollten. Und sie sprachen über Gefahrensituationen.

      Eindringlich hatte Hella ihnen eingeschärft, wie wichtig es war, gut auf die Umgebung achtzugeben. Das sei, sagte sie, das Rüstzeug jedes vernünftigen Hamsters.

      »Die Vögel haben den Vorteil, dass sie über uns in der Luft schweben. Und sie können blitzschnell herabstoßen. Deshalb müssen wir stets wachsam sein.«

      Als sie merkte, dass Lisa nicht genau wusste, was sie mit diesem Ausdruck meinte, erklärte Hella: »Wachsamkeit ist eine bestimmte Form der Aufmerksamkeit. Wer wachsam ist, nimmt sein Umfeld wie auch sich selbst intensiv wahr.«

      Lisa hatte für diese Erklärung dankbar genickt, und Hella war fortgefahren: »Wenn du wachsam bist, erkennst du rechtzeitig anstehende Gefahren oder Veränderungen.«

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      »Das heißt«, hatte sich Fridolin schüchtern vergewissert, »wenn ich wachsam bin, kann ich auf die jeweilige Situation passend reagieren?«

      »Genau!«, Hella war positiv überrascht gewesen. »Und mehr noch: Der Wachsame ist anderen einen Schritt voraus.«

      Artur erinnerte sich an die Szene, als sei es gestern gewesen. Er lächelte und war dankbar für diese Erfahrungen mit seinen zwei Freunden und der liebenswürdigen Hella.

      Sorgfältig schrieb er die Lehren der alten Hamsterdame auf. Sie passten wirklich genau zu dem, was er vorhin erlebt hatte.

      Nachdenklich blickte er auf das Geschriebene. Diese Dinge wollte er von nun an auf seiner Expedition beherzigen. Vorsichtig pustete Artur die Tinte trocken und klappte das Büchlein zu.


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