Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse

Die Legende vom Hermunduren - G. K. Grasse


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      „Setz dich und höre zu!“

      Callisunus tat, was ihm befohlen wurde.

      Lartius kam sofort zur Sache.

      „Die Situation am Rhenus scheint sich zuzuspitzen. Belletor tauchte bei mir auf und brachte zahlreiche Botschaften…“ Lartius erinnerte sich, dass sein letzter Besuch beim Kaiser nur wenig mehr als einen Monat her war.

      „Kaiser Nero ist irgendwo in Griechenland und muss die Botschaften erhalten, die Belletor brachte!!“

      „Herr, übergib mir diese Botschaften und schon sind diese auf dem Weg… “

      „Nein, zuerst fertigen wir Abschriften, dann erstelle ich ein weiteres Dokument und erst dann wird dein bester Mann die Botschaft befördern! Diese Dokumente dürfen nur persönlich an den Kaiser übergeben werden. Sollte dein Mann nicht zum Kaiser durchgelassen werden, muss er sich etwas ausdenken. Keines der Dokumente darf in andere Hände fallen…, auch nicht in die des Epaphroditos, des Kaisers Secretarius! Versagt der Mann und Nero erhält Kenntnis davon, rollen unsere Köpfe… “

      „Ich höre und gehorche! Wann soll ich kommen, um die Dokumente in Empfang zu nehmen?“

      „Du kommst Übermorgen, zur dritten Stunde mit dem Paar deiner Evocati, welches diesen Auftrag ausführen wird!“

      Callisunus machte Anstalten, sich zu erheben.

      „Bleib sitzen, wir sind noch nicht fertig!“ wies in Lartius zurecht.

      „Ich benötige drei weitere Paare unserer Evocati!“

      „Was müssen diese Männer tun, was sollen sie beherrschen und wohin führt sie deren Weg?“ Callisunus brauchte genauere Angaben.

      „Das erste der Paare kommt von dir. Diese Männer schickst du zu Scribonius Rufus in die Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Der Statthalter ist in Dinge verstrickt, die eine Gefahr für Rom darstellen. Es könnte direkte Kontakte zum Senat geben, Mittelsmänner eingesetzt werden oder Besuche von Senatoren angezeigt sein… Auch Boten der Kelten aus Gallien könnten zu ihm vordringen wollen… Ich will alles wissen, was Scribonius Rufus macht, wen er trifft, mit wem er speist, wer seine Nächte füllt und wo er herum kommt! Bei Scribonius Rufus gibt es einen Präfekt oder was auch der Kerl immer darstellt… Sein Name ist Julius Tutor. Auch für diesen Kerl trifft zu, was ich vom Statthalter forderte!“

      „Herr, ich habe verstanden!“ Wieder versuchte Callisunus seinen Aufbruch.

      „Sei nicht so ungeduldig… Wir sind längst noch nicht fertig! Außerdem will ich, dass deine Männer auch Fabius Valens, den Legat der Legio I Germanica ausspionieren. Für diesen Legat gilt das Gleiche!“ Callisunus nickte in die entstandene Pause hinein.

      „Dazu sollen deine Evocati ein Netz aus Spionen aufbauen, das bis dicht an die Männer heranreicht. Keiner von deren Schritten darf ohne unsere Beobachtung vollzogen werden. Statte deine Männer mit reichlichen Mitteln aus. Bestecht, droht oder tötet, wenn erforderlich, aber berichtet jede Einzelheit. Die drei zu Beobachtenden dürfen nichts bemerken, werden von unseren Evocati nicht getroffen, nicht mal per Zufall, auch nicht bedroht und auf keinem Fall gefährdet. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

      „Ja Herr!“

      Diesmal machte Callisunus keine Anstalten, sich entfernen zu wollen.

      „Die verbleibenden Paare werden von der ersten Klaue kommen. Ihr Auftrag wird die Überbringung aller Botschaften sein.“

      Callisunus verstand. „Herr, wie bringen wir die Männer zusammen, woran werden diese sich erkennen?“ wagte Callisunus einzuwerfen.

      „Das ist eine kluge Frage, mein Freund…“ Lartius griff unter seine Tunica und zog das kleine Eichenblatt hervor.

      „Nun, wen konntest du ermitteln, der gleich mir dieses Blatt trägt?“

      „Nur dich, weil du es mir zeigtest… Die kleine Narbe am Finger aber besitzen noch der Aquila Denter und dein Venustinius.“

      „Nun, es sind noch zwei Andere und für die Männer in der Verwendung in Germanien habe ich noch ein paar Ketten…. Du brachtest mich, mit deiner Frage, jedoch auf einen Gedanken…“ Lartius stand auf und zupfte an der Schnur neben der Tür. Kurz darauf steckte eine der Frauen den Kopf durch die Tür.

      „Rufe den Aquila Denter!“ wies er an und das Weib zog sich zurück.

      Kurz darauf erschien der Gerufene.

      „Setz dich und höre zu!“

      „Aquila, wenn ich dich entlasse, rufst du Novius Fadus zu mir. Ich brauche einige Männer von ihm. In zwei Tagen führst du Callisunus und seine Begleiter auf einem kurzen Weg zu mir! Sie kommen zur dritten Stunde. Am Tag darauf, zur gleichen Stunde, werden drei weitere Paare unserer Evocati eintreffen. Du sorgst dafür, dass sich diese Männer nicht begegnen und bringst sie in getrennten Räumen unter. Erst werde ich mir diese Männer ansehen, dann brauche ich einen größeren Raum, um die miteinander vertraut zu machen, deren Aufgaben sich gleichen und die an gleicher Stelle eingesetzt werden… Ich weiß, unsere Paare arbeiten immer allein, dennoch erfordern schwierige Lagen auch angepasste Entscheidungen. Dort wo die Männer wirken sollen, entstand jüngst eine solche wenig befriedigende Lage… “

      Lartius erhob sich, streckte seine Glieder und entließ seine Bediensteten mit den Worten „Nun ergreift eure notwendigen Schritte und lasst uns anschließend dem Schlaf huldigen…“

      Ein Blick durch das Fenster verriet Callisunus, dass er wohl seinen eigenen Adlerhorst in der Dunkelheit aufsuchen musste.

       5. Der Kopf der Evocati

       66 nach Christus - Sommer (21. September)

       Imperium Romanum – Rom

      Zur vierten Stunde des neuen Tages stand Belletor erneut vor der Tür des Aquila. Er klopfte, wurde hereingerufen und fand sich neben einem Secretarius wieder. Der Adler und der Fremde steckten ihre Köpfe über einem, auf dem Tisch liegenden Dokument, zusammen.

      „Gut, das du pünktlich bist!“ kommentierte Lartius sein Eintreten, nach einem kurzen Blick zu seinem Zeitmesser auf dem Kamin. „Wir haben sehr viele Dinge zu durchdenken und brauchen dein Wissen, um uns verständlich und exakt zu den Vorgängen in Mogontiacum ausdrücken zu können. Ein missverständliches Schreiben, an unseren göttlichen Kaiser, könnte leicht zu falschen Folgerungen führen und genau das heraufbeschwören, was wir zu verhindern trachten…“

      Der Adler blickte seinen Boten an und schien sich fast, für dessen notwendige Mitarbeit, entschuldigen zu wollen.

      „Es ist nun mal so, dass du der Einzige bist, der an den Vorfällen beteiligt war. Dieser Germane, den du immer nanntest, scheint einen außerordentlichen Einfluss auf den Legat Verginius Rufus zu besitzen und bei allen meinen bisherigen Überlegungen erschloss sich mir nicht so richtig, warum dies eintrat? Der Hermundure war beim Überfall auf Verginius Rufus dabei, dann sei, nach deinen Worten, der Legat Schuld am Überfall auf des Germanen Stamm… Was stimmt hier nicht oder was übersehe ich?“

      „Herr, du entsinnst dich an den von Verginius Rufus befohlenen Überfall des Titus Suetonius auf eine Sippe der Hermunduren. Der Legat schickte zur Aufbringung von Sklaven Kohorten seiner Legion in das Gebiet jenseits des Rhenus?“

      „Ja doch, was hat das mit diesem Germanen zu tun?“ fuhr Lartius dazwischen.

      Belletor gewann den Eindruck, dass der Adler gereizt wirkte.

      „Titus Suetonius, des Legat und Statthalter Britanniens Gaius Suetonius Paulinus Neffe, befehligte den Überfall und trug die Schuld am Tod der Eltern des jungen Hermunduren. Der Hermundure sah aus unmittelbarer Nähe, was sich zutrug und rächte sich. Er tötete den Tribun Titus Suetonius und geriet in die Gefangenschaft der Männer, die vom Schlachtfeld im Gebiet der Hermunduren entkommend, als wohl Einzige überlebten. Dann aber, den eigentlich Schuldigen suchend, erkannte der junge Hermundure, dass der Frieden seines Stammes mit Rom ausgerechnet von


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