Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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Fahnenschwenker, ein rotgesichtiger, sommersprossiger Mann, von dem man annehmen konnte, dass er wohl auch schon einige der Schnappspinnchen hinuntergestürzt hatte, schluckte jetzt und machte ein sehr konzentriertes Gesicht. Das musste er auch, denn er versuchte jetzt hochdeutsch zu sprechen. Offenbar nicht seine Muttersprache.

      "Sie können hier nicht durch."

      "Wieso nicht?"

      "Sieht man doch: Hier wird geboßelt."

      "Und wie lange dauert das?"

      "Wir ziehen hier die Straße entlang."

      "Wahrscheinlich mit einem halben Stundenkilometer oder so."

      "Oder so, ja."

      "Können Sie den Leuten da nicht mal sagen, dass sie für'n Moment Platz machen und die Kugeln wegräumen? Ich bin ja auch schnell durch."

      "Mitten im Wettbewerb?"

      Lorant atmete tief durch.

      Jetzt hatte er den Weg bis Forlitz-Blaukirchen beinahe gefunden und dennoch führte wohl kein Weg daran vorbei, so kurz vor dem Ziel wieder umzukehren.

      Und das wegen ein paar Boßel-Spielern.

      Von der Tatsache gar nicht zu reden, dass Lorant um ein Haar in die Gruppe hineingefahren wäre. So einen Unsinn sollte man verbieten!, ging es ihm durch den Kopf. Allerdings musste er zugeben, dass er auch um einiges zu schnell gewesen war.

      Einer aus der Boßel-Schar kam mit seiner Flasche Klaren auf Lorants Wagen zu, trat dann an das Seitenfenster heran und hielt die Flasche hoch. In der anderen Hand hielt er ein Pinnchen.

      "Auch ein Söipke?"

      "Wie?"

      "Etwas zu trinken", sagte der Mann mit der Flasche gestelzt. Die Prinz Heinrich-Mütze war ihm etwas in den Nacken gerutscht. Ein übler Schluckauf machte ihm zu schaffen.

      "Nein danke", maulte Lorant.

      "Jo, selber Schuld", erwiderte der Mützenträger und goss sich selbst ein 'Söipke' ein. Todesmutig stürzte er den Inhalt des Pinnchens in einem Zug den Rachen hinunter. Gleich anschließend musste er aufstoßen.

      Der Fahnenträger grinste.

      "Wer nich will, der hat schon, was?"

      "So isses!"

      "Eigentlich gar nicht das richtige Wetter zum Boßeln. Wenn's draußen kälter ist, wird einem auch nicht so warm vom Söipke!"

      "Ich dreh dann wohl besser", meinte Lorant.

      "Jo!"

      "Jo!"

      Die beiden sagten dieses Wort mit einer Verzögerung von einer Viertelsekunde, was einen ganz eigentümlichen Kurzkanon ergab.

      "Und wie komme ich nun nach Forlitz-Blaukirchen?"

      Der Fahnenträger erklärte es Lorant. Der Mann mit der Prinz Heinrich-Mütze wäre dazu vermutlich auch gar nicht mehr in der Lage gewesen. Er musste erneut aufstoßen, so dass Lorant den ersten Teil der Erklärungen des Fahnenträgers akustisch verpasste.

      "....rück zur Hauptstraße, dann ein paar Kilometer weiter Richtung Aurich. Schließlich links ab. Da geht's von der anderen Seite nach Forlitz-Blaukirchen."

      "Danke."

      "Keine Ursache."

      Wär ja auch noch schöner!, dachte Lorant grimmig. War ja schon ärgerlich genug, dass er auf Grund dieser blödsinnigen Kugelschmeißerei einen Umweg machen musste.

      Der Mann mit der Prinz Heinrich-Mütze hob die Flasche. "Nicht doch ein Söipke?"

      "Wiedersehen!"

      "Tschüss!"

      Lorant setzte den Wagen zurück und versuchte ihn dann zu drehen. Auf der schmalen Straße war das trotz des engen Wendekreises gar nicht so einfach. So nahe es ging, fuhr Lorant mit dem Heck an den Graben heran.

      Als er es schließlich geschafft hatte, die Kühlerhaube des Carisma in die entgegengesetzte Richtung zeigen zu lassen, trat er das Gaspedal voll durch.

      Aus der Stereoanlage waren jetzt die ersten, sehr charakteristischen Akkorde des Miles Davis-Klassikers SO WHAT zu hören. Lorant mochte die in einem mittleren Tempo gespielte Originalfassung am liebsten, die auf dem Album KIND OF BLUE verewigt worden war. In Gedanken spielte Lorant den Klavierpart mit. Die Finger der rechten Hand zuckten dabei, tickten auf den Lederbezug des Lenkrads. Die Linke brauchte er, um das Steuer auf Kurs zu halten. Wer saß damals eigentlich Piano?, fragte Lorant sich. Bill Evans? Gut möglich.

      Etwa eine Viertelstunde später erreichte Lorant Forlitz-Blaukirchen.

      Seine Klientin wohnte in einem der typischen rot verklinkerten Häuser.

      Nur, dass das Haus der Sluiters in allem etwas größer und besser ausgestattet wirkte, als man es sonst hier antreffen konnte. Schon das Grundstück hatte mindestens die doppelten Ausmaße eines gewöhnlichen Bauplatzes. Selbst, wenn man einrechnete, dass Baugrundstücke in einem Flachlandgebiet immer etwas größer schienen als in Landstrichen mit bergigem Charakter.

      Lorant parkte seinen Carisma in der Einfahrt, stieg dann aus.

      Die Baseballkappe ließ er im Auto.

      Sein Longjackett ebenfalls. Er steckte sein Handy in die Innentasche seines Fischgrät-Jacketts, dass vermutlich schon genauso viele Jahre auf dem Buckel hatte wie die verschossene Jeans, die er dazu trug.

      Immerhin waren die Turnschuhe neu.

      Fünf Schritte hatte Lorant in Richtung Eingangstür hinter sich, als ein Hundeknurren ihn erstarren ließ.

      Eine gewaltige Dogge schoss hinter der Garage hervor. So groß, dass ein Shetland-Pony dagegen wie ein Hund ausgesehen hätte.

      Mit hängenden Leffzen rannte das gewaltige Tier auf Lorant zu, riss dann das gewaltige Maul auf.

      "Stop!", ertönte ein knappes, aber unmissverständliches Kommando, ausgestoßen von einer unzweifelhaft weiblichen Stimme. "Tasso, Stop!"

      Tasso, die Dogge, stoppte tatsächlich.

      Einen Meter von Lorants Fußspitzen entfernt setzte sie sich hin und knurrte auch nicht mehr. Aber das Tier beobachtete den Fremden, der es gewagt hatte, das Sluiter'sche Grundstück zu betreten.

      Eine Frau in den Fünfzigern kam hinter dem Haus hervor. Sie hatte aschblondes Haar. Lorant schätzte ihre Größe auf nicht mehr als ein Meter fünfundsechzig. Höchstens. Sie wirkte sehr zierlich, trug Jeans, Pullover und Gartenhandschuhe.

      "Sind Sie Frau Sluiter?", fragte Lorant.

      "Die bin ich."

      "Lorant mein Name. Wir haben telefoniert."

      "Ah, ja."

      Lorant deutete vorsichtig auf die Dogge. "Ich habe ja grundsätzlich nichts gegen Hunde, aber der hier ist mir doch etwas zu groß."

      "Entschuldigen Sie, Herr Lorant. Aber Tasso ist ganz lieb. Der macht nix."

      DER MACHT NIX - ein geflügeltes Wort. Wie oft hatte Lorant das schon gehört? Besonders in den Jahren, als er noch bei der Polizei gewesen war. DER MACHT NIX! Welcher Hundebesitzer sagte das nicht? Die Zahl der Briefträger, die vergeblich auf diesen Satz vertraut hatten, musste Legion sein. Seit während seiner Polizeijahre mal ein Verdächtiger seinen Dackel auf ihn gehetzt und dieser ihm dann übel in die Wade gebissen hatte, hatte Lorant sich eigentlich vorgenommen, diesem Satz nicht mehr zu trauen. Nie wieder. Andererseits wäre jeder Polizist, der es gewagt hätte, sich gegen einen Hund mit der Dienstwaffe oder einem gezielten Karatetritt zu verteidigen vom gesellschaftlichen Ansehen her vermutlich auf eine Stufe mit Kinderschändern und Politikern abgesunken. Und da überlegte sich jeder FREUND UND HELFER schon sehr genau, ob er etwas gegen vierbeinige Gesetzesbrecher unternahm oder sich nicht doch besser beißen ließ. Von Postboten oder


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