10 Urlaubskrimis Juli 2020 - Thriller Hochspannung. Alfred Bekker
dafür sorgen, dass das Ganze in der Presse breit getreten wird.“
„Sie sagen das, als ob diese Leiche Sie gar nichts anginge“, gab ich meiner Verwunderung Ausdruck.
Jack Gabrielli zuckte mit den Schultern. „Ich persönlich bin noch lange nicht überzeugt davon, dass es sich bei den Knochen, die dort gefunden wurden, tatsächlich um die sterblichen Überreste meines Onkels handelt. Aber da wird sich die Wahrheit sicher am Ende zweifelfrei herausstellen...“
„In diesem Punkt gibt es keine Zweifel mehr“, korrigierte ich ihn. „Die Seriennummer des Hüftgelenks ist eindeutig Ihrem Onkel zuzuordnen. Das einzige, worüber es jetzt noch Spekulationen geben kann, ist die Frage, wie und von wem Tony Damiani getötet wurde.“
„Eigentlich müsste es doch auch in Ihrem Interesse liegen, den Fall aufzuklären und mit uns zusammen zu arbeiten“, warf Milo ein.
Gabrielli atmete tief durch. „Ich mache Ihnen persönlich keine Vorwürfe, Agent Trevellian, weil ich nicht weiß, ob Sie selbst überhaupt etwas damit zu tun hatten. Aber es ist doch so: Jahrelang hat die Justiz meinen Onkel wegen seiner völlig legalen Geschäfte grundlos verfolgt. Ihm wurden Vorwürfe gemacht, die sich vor Gericht jedes Mal als nicht haltbar erwiesen...“
„...weil Zeugen plötzlich Angst bekamen und es sich anders überlegt haben“, warf Milo ein.
„Sie unterstellen, dass Onkel Tony die Justiz beeinflusst hat – aber haben Sie schon mal in Betracht gezogen, dass hinter diesen Machenschaften vielleicht Leute steckten, die Onkel Tony einfach nur geschäftlich ins Abseits drängen wollten?“
„Es geht hier nicht um die Fehler der Justiz“, wandte ich ein. „Die konnte Mister Damiani leider lange Zeit nichts nachweisen, aber...“
„Und deshalb hat man dann in den Steuersachen herumgewühlt! Seien Sie doch mal ehrlich: Können Sie dafür garantieren, dass alle Ihre Angaben richtig waren? Ich bin sicher, es gibt niemanden, in dessen Steuerklärung man nicht irgendein Haar finden könnte. Das grenzt doch alles an Schikane und am Schluss glaubt man dann bereitwillig der Aussage eines Lohnkillers, der nichts mehr zu verlieren hat und wahrscheinlich um irgendwelcher Vorteile willen einen Eid auf alles mögliche ablegen würde!“
„Also erstmal ging es der Steuerfahndung nicht um irgendwelche Kleinigkeiten, sondern um Geldwäsche – und die gehört zum organisierten Verbrechen“, entgegnete ich ihm. „Wir verfolgen die Schuldigen am Tod Ihres Onkels so wie jeden anderen Verbrecher, aber wenn Sie uns dabei helfen wollen, dann geht das nur mit einem Mindestmaß an Aufrichtigkeit. Sie schaden Ihrem Onkel Tony nicht mehr damit, wenn Sie zugeben, dass er alles andere als ein Engel war.“
„Tatsache ist, dass er damals in die Enge getrieben wurde, so dass ihm keine andere Möglichkeit mehr blieb, als ins Ausland zu flüchten.“
„Wo er offenbar nie ankam!“, unterbrach Milo.
„Ja, weil ihn wohl einer seiner Feinde zuerst erwischte.“
„Sprechen wir über die Feinde, die Ihr Onkel damals hatte“, forderte ich. „Wenn Sie darüber etwas wissen, dann ist jetzt der Zeitpunkt, um es uns zu sagen.“
„Nur noch eins: Es konnte nie wirklich nachgewiesen werden, dass dieser Killer tatsächlich in Onkel Tonys Auftrag handelte, als er Lee Kim umbrachte!“
„Jedenfalls wird Tony Damiani deswegen jetzt wohl niemand mehr vor Gericht stellen“, wich ich aus.
„Es konnte noch nicht einmal schlüssig bewiesen werden, dass dieser Tom Buscella tatsächlich der Killer war, der Lee Kim ermordete! Ich habe mir die Akten damals wieder und wieder angesehen. Die materiellen Beweise waren höchst dürftig! Und wenn es dieses Geständnis nicht gegeben hätte, wäre vielleicht damals in eine andere Richtung ermittelt worden!“
Ich sah es als nicht besonders ergiebig an, mit Jack Gabrielli weiter darüber zu diskutieren, ob es nun tatsächlich einen Mordauftrag an Buscella gegeben hatte oder nicht.
Die Heftigkeit, mit der er seinen Onkel verteidigte, wunderte mich allerdings. Sie schien mir nicht ganz verhältnismäßig zu sein.
„Sie sprachen von den Feinden Ihres Onkels.“
„Wenn er damals ermordet wurde, kommt in erster Linie Jimmy Kim dafür in Frage. Ich meine, nach dem was die Cops für einen Zinnober veranstaltet hatten, musste der doch glauben, dass Onkel Tony tatsächlich für den Tod seines Vaters verantwortlich war! Außerdem konnte er sich so unter seinen eigenen Leuten Respekt verschaffen.“
„Andererseits hat Ihr Onkel doch wahrscheinlich alles getan, um nicht gefunden zu werden“, wandte ich ein. „Gab es Verräter unter seinen Leuten, die ihn vielleicht an Kim verraten haben?“
„Da kann man nie sicher sein, Agent Trevellian. Das wissen Sie doch auch...“
„Was ist mit seinem näheren Umkreis?“, fragte ich. „Seine Frau zum Beispiel...“
„Tante Ava? Wollen Sie diese herzensgute Frau wirklich des Mordes verdächtigen? Sie sind verrückt!“
„Eigentlich wüsste ich nur gerne, wo sie geblieben ist, Mister Gabrielli. Unseren bisherigen Informationen nach ist sie ihrem Mann ins Ausland gefolgt.“
Gabrielli nickte. Er ging zum Fenster, blickte hinaus und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann drehte er sich abrupt um. „Sehen Sie, ich hatte zu beiden ein sehr enges Verhältnis. Meine eigene Mutter starb bei einem Verkehrsunfall, als ich dreizehn war und Tante Ava war für mich zeitweise so etwas wie ein Ersatz.“
„Dann haben Sie Kontakt zu ihr gehalten?“, hakte ich nach.
Er machte eine ruckartige Bewegung. Sein Blick fixierte mich. „Nein, natürlich nicht. Genauso wenig wie zu Onkel Tony. Ich meine, bis vor kurzem ging ich ja davon aus, dass beide irgendwo ein glückliches Leben führen.“
„In Marokko.“
„Ich sehe, Sie sind gut informiert, Agent Trevellian.“ Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Sein Blick zeigte jetzt einen Ausdruck von Trauer. Eine Furche bildete sich mitten auf der Stirn. Er presste die Lippen zusammen. „Wenn ich gerade etwas unwirsch zu Ihnen war, dann liegt das daran, dass ich es im Grunde nicht wahrhaben will, dass diese beiden Menschen tot sind, die für mich so viel bedeutet haben.“
„Die Beiden?“, echote ich.
„Nachdem Onkel Tony eindeutig identifiziert wurde, muss ich doch jetzt annehmen, dass auch Tante Ava ihren Zufluchtsort in Marokko nie erreicht hat. Oder klingt das abwegig?“
„Leider nicht“, gab ich zu.
„Onkel Tony führte die Geschäfte unserer Familie in einer anderen Zeit und mit anderen Methoden“, gab er schließlich zu.
„Sie meine verbrecherische Methoden?“
„Sagen wir mit harten Bandagen. Wir haben damals auch deswegen ausgemacht, dass der Kontakt zwischen uns völlig abgebrochen wird, um die beiden zu schützen. Vor dem Zugriff der Justiz waren sie in Marokko sicher – aber nicht davor, dass jemand sie verfolgt, um eine alte Rechnung zu begleichen.“
„Womit wir wieder bei den Kims wären!“
„Richtig. Nehmen Sie Jimmy Kim und seine Sippe am besten sehr genau unter die Lupe. Allerdings...“
„Ja?“
„Mir fällt da noch eine andere Sache ein, da wir gerade von Onkel Tonys Feinde sprechen. Er war damals ja ziemlich in Bedrängnis und brauchte eine gefälschte Identität, um das Land verlassen zu können. Dies ist doch kein offizielles Verhör oder?“
„Es verlangt niemand von Ihnen, dass Sie sich selbst belasten“, erwiderte ich.
„Gut, was ich nun sage, werde ich vor keinem Gericht wiederholen und sofort abstreiten, wenn es diese vier Wände verlässt.“ Er trat auf mich zu, zögerte noch einen Augenblick und sagte dann: „Ich bin bislang nicht einmal vorbestraft