Mission Unendlichkeit - Das 1529 Science Fiction Abenteuer Paket. Mara Laue
Die Frage war, warum sie das tat. Bei näherer Betrachtung konnte er es sich jedoch denken. Admiral Rhan hatte ihr, einem einfachen Zweiten Captain der Jägerstaffeln, ganz bestimmt nicht seine Gründe für diese Entscheidung genannt. Höchstwahrscheinlich hatte sie die belauscht – zufällig oder absichtlich –, was sie natürlich nicht zugeben konnte.
„Ich begrüße jedoch die Gelegenheit, durch diese drei die Mentalität der Nagdaneh besser kennenzulernen, da Botschafter Skelosk apat Taskesk darauf besteht, dass ich in seiner Nähe bleibe, wann immer sich das einrichten lässt.“
Die ebenfalls von Admiral Rhan gegebene entsprechende Anordnung hatte Trevayaa bereits dem Überstellungsprotokoll entnommen. Diese Sonderstellung erklärte natürlich Meloris Arroganz. Normalerweise bekam ein Staffelkommandant keinen direkten Zugang zu einem Staatsgast. Er würde so oder so mit Rhan sprechen müssen. Da konnte er ihn auch danach fragen.
„In Ordnung, Captain Melori. Ihren Dienstplan erhalten Sie von Main Captain Kenaról. In Anbetracht der Umstände haben Ihre Dienste für den Botschafter jedoch Vorrang. Sollte er Sie anfordern, werden Sie dem Folge leisten und sind für die Zeit, die er Sie beansprucht, vom regulären Dienst befreit. Ich erwarte, dass Sie solche Fälle mir und Captain Kenaról melden. Wenn Sie keine Fragen mehr haben, können Sie gehen.“
„Danke, Admiral. Hekah!“
Melori verließ die Kabine.
„Die bedeutet Ärger“, stellte Romanow fest. „Falls sich die Körpersprache von Frelsineh in den letzten Jahrhunderten nicht gravierend von der terranischen wegentwickelt hat, dann müsste ich mich schwer täuschen, wenn sie nicht etwas verbirgt.“
„Das tut sie“, bestätigte Trevayaa. „Allerdings kann ich nicht sagen, ob das, was sie verbirgt, etwas Dienstliches oder Privates ist. Vielleicht kann Admiral Rhan uns das sagen.“
Er betätigte ein Touchfeld an seiner Kom-Anlage, das eine Direktverbindung mit Rhan herstellte. Es gehörte zu den Privilegien der Oberkommandanten eines Sternenkommandos, ihren obersten Vorgesetzten jederzeit erreichen zu können.
„Admiral Trevayaa, was gibt es?“, fragte Sekunden später Rhans Stimme. Da kein Bild übertragen wurde, bestand die Verbindung offensichtlich nur über die mobile Kom-Einheit an Rhans Uniform.
Trevayaa lieferte ihm einen knappen Bericht. „Ich wollte ursprünglich Transmitter C873-4 anfliegen“, fügte er hinzu. „Aber das scheint mir doch ein zu berechenbares Manöver zu sein. Ich würde stattdessen lieber C873-1 anfliegen. Er ist von unserer gegenwärtigen Position am weitesten entfernt.“
Er hörte Rhan einen Laut von sich geben, der wie eine Mischung aus Schnaufen und Schnalzen klang. „Wenn ich der Feind wäre, würde ich an jedem infrage kommenden Transmitter ein Abfangkommando stationieren. Nur für alle Fälle. Falls der Feind aber nicht ganz so schlau ist, erscheint mir Transmitter 1 die sicherste Alternative zu sein. Nehmen Sie also den.“
„Ja, Admiral. Eine Frage noch, wenn Sie gestatten. Warum haben Sie drei nagdanische Piloten meiner neuen Jägerstaffel zugeteilt. Aus meiner Sicht erscheint mir das politisch heikel.“ Womit er Rhan nicht vorgeworfen hatte, die Vorschriften zu missachten. Was ohnehin in dessen Befugnis lag; zumindest in gewissen Grenzen.
„Das ist in der Tat ein politisches Manöver. Es soll den Gegnern des Beitrittes zeigen, dass der Interstellare Rat sich von ihren massiven Protesten nicht einschüchtern lässt.“
Trevayaa unterdrückte ein Stöhnen. Politisches Taktieren war ihm zuwider. Es erinnerte ihn zu sehr an Intrigen und Ränkespiele. Was es in vielen Fällen tatsächlich war. Das erklärte aber nicht, warum Rhan ihm vorab nichts von den nagdanischen Piloten gesagt und ihm auch deren Personalakten nicht übermittelt hatte. „Mir fehlen noch deren Personalakten.“
„Die bekommen Sie. Admiral Trevayaa, passen Sie gut auf den Botschafter auf.“ Rhan klang sehr ernst. „Nach den nagdanischen Gepflogenheiten ist Skelosk apat Taskesk der einzige Nagdaner, der berechtigt ist, bei uns für sein Volk zu sprechen. Einen Stellvertreter gibt es nicht. Wenn ihm etwas zustößt, das ihn hindert, an den Verhandlungen teilzunehmen, werden die nicht stattfinden. Und welche Folgen es hätte, wenn er oder ein anderer Nagdaner in unserem Hoheitsgebiet zuschaden kommt, können Sie sich denken.“
Dessen war sich Trevayaa nur allzu bewusst. „Sie können sich darauf verlassen, Admiral, dass wir den Botschafter mit allen unseren Kräften schützen werden.“
„Das tue ich. Hekah!“ Rhan unterbrach die Verbindung.
Trevayaa blickte Romanow an. „Ich habe alle, wirklich alle Vorkehrungen für die Sicherheit des Botschafters getroffen, die nur möglich sind“, bekräftigte der Terraner unaufgefordert. „Meine Leute lassen ihn keine Sekunde aus den Augen, in der er sich nicht in seiner Unterkunft aufhält.“
Trevayaa drehte die Handfläche seiner linken Hand nach oben, die troylanische Entsprechung eines menschlichen Nickens. „Das sollte genügen. Schließlich wollen wir nicht hoffen, dass es unter unseren Crewmitgliedern jemanden gibt, der so pflichtvergessen wäre, dass er sich am Botschafter vergreift.“
„Außer einem oder mehreren Fanatikern“, erinnerte ihn TolaiMur. „Die Pflicht, der wir uns verschrieben haben, hindert uns nicht an persönlichen Meinungen und Ansichten, auch nicht an radikalen. Die meisten von uns haben schon mindestens eine Situation erlebt, in der unsere berufliche Pflicht und die beruflichen Verhaltensprotokolle mit unseren persönlichen Werten und unserer Moral beziehungsweise unsere anerzogenen Begriffe von Schicklichkeit und Höflichkeit derart kollidiert sind, dass wir Probleme hatten, damit zurechtzukommen. Und schon so manches IsteP-Mitglied hat in so einer Situation reflexartig nach seiner Natur reagiert und nicht nach den Protokollen. Das gilt auch für politische Veränderungen oder Krisen. Gerade für Krisen wie die, in der die ISA momentan steckt.“
„Sie sind ja so ermutigend, Subadmiral“, meinte Romanow sarkastisch.
Trevayaa musste TolaiMur jedoch recht geben. Es hatte nach der Gründung der IsteP fast ein halbes Jahrhundert gedauert, bis funktionierende Verhaltensprotokolle entwickelt worden waren, die jeder uneingeschränkt befolgen konnte, ohne dass sie in inakzeptabler Weise an die religiöse Identität des einen, die Moralbegriffe des anderen oder die Intimsphäre eines Dritten rührten. Jeder hatte Zugeständnisse machen müssen. Inzwischen fühlte sich zwar jedes IsteP-Mitglied als Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft, die eigenen Regeln folgte. Jedoch lauerten herkunfts- und kulturell bedingte Ressentiments immer noch unter der Oberfläche, um bei entsprechender Provokation auszubrechen.
Und selbstverständlich hatten die Leute ihre eigenen Ansichten, auch wenn eins der wichtigsten Verhaltensprotokolle besagte, dass jedes IsteP-Mitglied sich politisch neutral zu verhalten hatte beziehungsweise gemäß der Politik des Interstellaren Rates handeln musste, der der oberste Dienstherr der IsteP war. Neutrales Verhalten ging aber nicht zwangsläufig mit neutralem Denken einher.
Dazu kam, dass viele Schäden auf den Planeten, die beim letzten Gronthagu-Krieg von den gronthischen Streitkräften angerichtet worden waren, noch lange nicht verheilt waren. Zerstörte Oberflächen, die unbewohnbar geworden waren, oder zersprengte Planeten konnten nicht repariert werden. Manche Familien, die damals ihre Heimat verloren hatten, fühlten sich immer noch heimatlos, obwohl sie seit über zweihundert Jahren auf anderen Welten lebten. Gerade unter diesen Leuten gab es erhebliche Ressentiments gegen den Beitritt der Nagdaneh zur ISA. So ungern Trevayaa das auch in Erwägung ziehen wollte, er konnte und durfte nicht davon ausgehen, dass alle seine Crewmitglieder die gebotene Professionalität wahrten.
„Hoffen wir das Beste, aber halten wir alle die Augen offen“, entschied er und deutete zur Tür. „Ich werde mich erst mal um den Botschafter kümmern.“
*
ALS TREVAYAA EIN PAAR Minuten später die Unterkunft von Skelosk apat Taskesk betrat, wunderte es ihn nicht, Melori dort anzutreffen. Offenbar war gerade so etwas wie Sprachunterricht im Gange. Melori versuchte sich zumindest in