Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle. Sven R. Kantelhardt

Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle - Sven R. Kantelhardt


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großen Sandbank vor der friesischen Küste gelagert, während ein voller Mond das trocken gefallene Watt mit einem silbernen Schimmer überzog. Auch Hengist schien keine Lust zu haben, seinen Zwist mit den streitbaren Bewohnern dieses Landstrichs zu erneuern.

      Nun rauschte der Bug der Heritog wieder durch die Wellen. Jetzt, wo er Rowena hinter sich gelassen hatte, zog es Ceretic mit aller Macht in die Heimat. Würden sie rechtzeitig kommen, um Britannien vor den Pikten zu beschützen? Die britannische Küste war nun in greifbarer Nähe. Wenn die Männer heute und morgen noch genauso kräftig ruderten, wie in den letzten zwei Tagen, würde schon am morgigen Nachmittag Ruohims Strand unter ihrem Kiel knirschen. Ceretic beging einmal mehr den Fehler eines jeden Seemanns und suchte viel zu früh am fernen Horizont nach Land. Noch konnte man seine Heimat unmöglich erkennen. Das einzige, was Ceretics Augen in der wogenden See Halt bot, waren die friesischen Inseln in Backbord und zwei Schatten am achterlichen Horizont, die wohl die Heldir und Selah darstellten. Hengists Schiff hatte sich einmal mehr vom Rest der kleinen Flotte abgesetzt.

      Gegen Mittag schien sie das Glück zu verlassen. Plötzlich lösten sich zwei flache Schatten von der Inselkette in Backbord.

      „Die verdammten Friesen“, entfuhr es Ceretic.

      Hengist hatte sie auch bemerkt. Verärgert runzelte er die Stirn. „Die wollen uns doch nicht etwa angreifen? Die haben wohl keine Ahnung, mit wem sie es zu tun haben!“

      „Lass uns lieber auf die anderen beiden Schiffe warten“, schlug Ceretic vor.

      Doch Hengist wollte davon nichts wissen. „Ich soll warten, dass mein Brüderchen mir zu Hilfe eilt?“, brauste er auf. „Wenn du kein Fremdling wärst, der unsere Sitten nicht kennt, würde ich dich dafür über Bord werfen!“

      Ceretic fühlte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Hatte der Sachse nicht gesehen, dass er durchaus Manns genug war sich zu wehren?, fragte er sich zornig. Aber dann dachte er an seinen Auftrag und die heimliche Geliebte und schluckte seinen Stolz herunter. Der Sachse würde sich nie ändern.

      „Jetzt werde ich dir etwas zeigen, was du König Vortigern erzählen kannst“, rief Hengist verächtlich und lenkte die Heritog direkt auf die beiden friesischen Schiffe zu. Diese waren offensichtlich von dem Manöver irritiert. Ceretic sah, wie die Riemen des vorderen Schiffes inne hielten, offenbar um das hintere aufschließen zu lassen, wie es jeder Seemann, der bei klarem Verstand war, täte.

      „Klar zum Entern, Männer“, brüllte Hengist seiner Freiwache zu.

      Die Sachsen antworteten mit einem erwartungsvollen Johlen.

      „Ihr sollt eure Waffen nehmen, aber nicht gleich über Bord fallen“, schrie Hengist über den Lärm hinweg, als die Freiwache auf dem engen Raum in mittschiffs ihre Waffen anlegte. Die Heldir schlingerte einen Augenblick bedenklich hin und her, doch dann stabilisierte sich der schlanke Rumpf wieder.

      „Du nimmst jetzt mal das Ruder“, wies Hengist Witiko an. Dann stülpte er seinen Helm mit dem vergoldeten Kamm über die wehenden Strähnen blonden Haares, doch er legte kein Kettenhemd an. Bei einem Gefecht auf See konnte man nur zu leicht ins Wasser fallen und die schweren Eisenringe zögen ihren Träger unweigerlich in die Tiefe. Dann nahm Hengist seinen Schild und lief über die Mittelplanke in den Bug.

      „Rudert weiter, aber reduziert die Schlagzahl auf mittleres Tempo“, rief er von vorne seinen Männern zu. „So ist’s recht. Die Friesen sollen bloß nicht glauben, wir hätten Angst vor ihnen!“

      Die beiden vermeintlichen Gegner näherten sich nun rasch. Ceretic konnte inzwischen die Details ihrer Bauweise gut erkennen. Flach, mit rundem Bug und Heck. Genauso wie das Schiff, welches sie auf der Reise von Britannien angegriffen hatte. Plötzlich scherte einer der Friesen nach Steuerbord aus.

      „Sie wollen uns in die Zange nehmen!“, rief er warnend, doch Hengist blinzelte nicht einmal. Starr ruhten seine eisigen Augen auf dem Feind. Dann waren die Friesen fast auf Rufweite heran. Erstaunt beobachtete Ceretic, wie Hengist seinen Schild als Schallverstärker an die Lippen hob. Er brüllte mit ohrenbetäubender Lautstärke: „HENGIST!“

      Offenbar hatten die Friesen ihn trotz der Entfernung verstanden und Ceretic traute kaum seinen Augen. Die beiden flachen Schiffe mit dem merkwürdig runden Heck und Bug drehten unvermittelt ab und nahmen Reißaus.

      „Seht, wie schnell die Friesen rudern können!“, lachte Hengist grimmig.

      Ceretic verschlug es die Sprache. Was für einen schrecklichen Ruf musste der Sachse bei den Friesen erworben haben!

      Dann drehte er sich um und entdeckte Horsa und Willerich. Sie hatten inzwischen wieder dichter aufgeschlossen und pullten schnell und hart. Die See schäumte unter ihren Riemen. Ob auch die Friesen sie gerade bemerkt hatten? Oder schlug allein die Furcht vor Hengists Namen diese harten Männer in die Flucht? Ceretic konnte es sich kaum vorstellen. Aber mit welcher Gerissenheit und wie viel Geschick hatte Hengist dann den richtigen Zeitpunkt abgepasst, um ihn und seine Mannschaft zu beeindrucken. Jedenfalls ließ sich Hengist nicht auf eine Verfolgung der flüchtigen Friesen ein. Bald verschwanden sie, ebenso rasch wie sie erschienen waren, in der Sicherheit ihres Wattenmeeres mit seinem Gewirr an Inseln und Sandbänken.

      VII. Eine neue Welt

      Durovernum cantiacorum, Januar 441

      Vortigern

      „Pikten, Scoten und Sachsen mästen sich am Fett unserer Weiden. Im Land wütet die Hungersnot und unsere heilige Kirche wird von Heiden bedroht. Welche Zeichen willst du noch? Die Häresie des Pelagius und diese gottverdammten Agricola grassieren noch immer im ganzen Land! Gib endlich der Kirche die Ehre und vernichte diese Häretiker. Vielleicht wird Gott sich dann wieder deiner erbarmen“, tönte Albanus drohend.

      Der Bischof, sechs verdiente Unterführer – die Vortigern gern als seine Equites, seinen Ritterstand, bezeichnete –, sein oberster Iudex – oder Barnwr, wie ihn die ungebildeten Untertanen in ihrer britannischen Mundart nannten – und der gerade mannbar gewordene Sohn Vortimer gehörten zu Vortigerns Kronrat, dem Consilium. Sein jüngerer Sohn Cateyrn zeigte zwar vielversprechende Anlagen, war aber mit zwölf Jahren noch zu jung, um seine Stimme im Rat zu erheben.

      Der große Rat, oder Comhairle, wie er entgegen Vortigerns Vorliebe in der barbarischen Muttersprache seiner Untertanen genannt wurde, umfasste, zumindest der Theorie nach, alle Kleinkönige Britanniens und die Vorsteher der Städte, die sich wie Londinium eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt hatten. Von dieser Gruppe war aber lediglich Gwyrangon, Vortigerns Vasallenkönig über Cantium, anwesend. Der gesamte Comhairle war seit Menschengedenken nicht mehr vollständig zusammengetreten. Es wäre auch keineswegs klar gewesen, ob Vortigern tatsächlich die meisten Anhänger hinter sich vereinigen könnte, um den Titel des Hochkönigs über Britannien zu beanspruchen. Tatsächlich neigten nicht wenige der Kleinkönige dazu, Ambrosisus von Dumnonias Ambitionen auf eine Vorherrschaft über alle Stämme zu unterstützen. Und je länger Vortigern zögerte, je weniger Anhänger blieben ihm. Das offene Misstrauen in den Blicken seiner Gefolgsleute zeigte, dass zumindest der Iudex Muirdoch und Bischof Albanus den Ernst der Situation erfasst hatten.

      Nun starrten ihn alle gespannt an. Vortigern ließ sie warten. Heute genoss er die Spannung, denn seine nächsten Worte würden die Probleme Britanniens, und damit seine eigenen, lösen. Sein Plan war so einfach wie genial. Theatralisch wickelte er seine Rechte in den purpurnen Mantel, der ihn wie einem römischen Imperator aussehen ließ. Er konnte ein schmales Lächeln nicht unterdrücken. Der alte Rechtsgelehrte und der Bischof mochten schlaue Füchse sein, aber ihm, dem einzig wahren Princeps, oder lieber gleich rex britannorum, waren sie nicht gewachsen.

      „Es ist, wie ihr sagt“, begann er schließlich in langsamen, wohlgesetzten Worten. „Die Feinde, die uns umringen, sind darin übereingekommen uns zu vernichten. Uns Britanniern dagegen fehlt diese Einigkeit. Wir fürchten die Waffen der Scoten aus Hibernia und Dál Riata, wir zittern vor den Pikten und bei jedem ungünstigen Wind schauen wir voll Zagen auf unsere Küsten, ob sich nicht die Schiffe der Sachsen am Horizont zeigen. Die Römer sind fort und können uns nicht mehr helfen, Rom selbst wurde von Alarichs Horden geplündert.


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