Der Gesang der Orcas. Antje Babendererde
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Antje Babendererde
DER
GESANGDER
ORCAS
Roman
Weitere Titel von Antje Babendererde im Arena-Programm:
Lakota Moon (Band 2936) Talitha Running Horse (Band 2937) Libellensommer (Band 50019) Die verborgene Seite des Mondes (Band 50111) Indigosommer (Band 50222) Rain Song (Band 6522) Findet mich die Liebe? (Band 6364)
Antje Babendererde, geboren 1963 in Jena/Thüringen, war zunächst als Arbeitstherapeutin in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie tätig. Seit 1996 ist sie freiberufliche Autorin mit einem speziellen Interesse an der Kultur der Indianer. Nach intensiven USA-Reisen und den Besuchen verschiedener Reservate erschienen von ihr mehrere Romane für Erwachsene zu diesem Thema. »Der Gesang der Orcas« ist ihr erstes Jugendbuch.
... mit einer Prise mystischem Pathos und (...) vor allem der zarten Liebesgeschichte (...) sorgt die Autorin für ein kurzweiliges Leseerlebnis. BULLETIN JUGEND & LITERATUR
Ein außergewöhnlicher Jugendroman, der auf vordergründige »Action« verzichtet, sehr ruhig und gefühlvoll und dabei unglaublich spannend ist. WESTDEUTSCHE ZEITUNG
Für Sophie und Friedrich
12. Auflage als Arena-Taschenbuch 2012
© 2003 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Frauke Schneider
Umschlagtypografie: KCS GmbH · Verlagsservice & Medienproduktion, Stelle/Hamburg
ISSN 0518-4002
ISBN 978-3-401-80296-1
www.arena-verlag.de Mitreden unter forum.arena-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
»Worte können das Unheimliche des Walgesangs nicht beschreiben; über Jahrmillionen zu einer unübertrefflichen Reinheit gestimmt, ein Klang, den die Menschen jeden Morgen hören sollten, damit er sie an den Morgen der Schöpfung erinnert.«
Peter Matthiessen, Blue Meridian, Random House 1971
Die Knie ans Kinn gezogen und meine Arme fest darum geschlungen, hockte ich auf der blauen Holzbank, meinem Lieblingsplatz. Hier, auf dem jüdischen Friedhof in Berlin Weißensee, hatte die Stille einen ganz eigenen Klang. Die vielen Geräusche der Stadt und der Straßenlärm blieben ausgesperrt hinter dicken, hohen Mauern. Sie umgaben den alten Friedhof wie ein Festungswall. Es waren dunkle Mauern aus Sandstein, bewachsen mit Efeu, Farnen und Moosen in den verschiedensten Grüntönen. Die Luft unter den dicken Kronen der hohen Bäume war kühl und schwer und über allem lag der Atem längst vergangener Zeiten.
Ich war jeden Tag hier. Eigentlich hätte ich auf einem ganz anderen Friedhof sein müssen als diesem, aber auch fünf Monate nach dem Tod meiner Mutter fiel es mir immer noch schwer, ihr Grab zu besuchen. Sie war nur 35 Jahre alt geworden. Die letzten vier davon hatte sie gegen den Krebs gekämpft, der ihren Körper durchwucherte und immer mehr zerstörte, ohne dass Operationen oder Chemotherapien ihn aufhalten konnten. Sie hatte gekämpft und verloren. Ich konnte immer noch nicht begreifen, dass sie nicht mehr da war.
Wenn Mama mir ganz besonders fehlte, ging ich hierher, an diesen stillen Ort mitten in der Stadt. Ich hatte den alten Friedhof vor zwei Jahren gefunden, gleich nachdem wir aus unserem kleinen Dorf in Brandenburg nach Berlin gezogen waren. Damals wollte ich nicht weg von dort, wo meine Großmutter lebte und ich Freunde hatte, die ich schon aus dem Kindergarten kannte. Aber ich sah ein, dass der Umzug notwendig war. Meine Mutter musste immer häufiger ins Krankenhaus und Papa und ich, wir wollten in ihrer Nähe sein, um sie jeden Tag besuchen zu können.
Wenn ich jetzt in ihrer Nähe sein wollte, kam ich hierher, auch wenn auf keinem der vielen verwitterten Grabsteine mit den hebräischen Schriftzeichen der Name Sabine Tanner stand. Meine Mutter hatte diesen Ort geliebt und ich tat das auch, denn hier spürte ich ihre Gegenwart mehr als anderswo.
Als ihr das Laufen bereits schwer fiel, waren wir auf diesen Wegen zusammen spazieren gegangen. Ganz langsam. Mama eingehüllt in ihren dicken Mantel. Wir hatten Gespräche geführt über Dinge, die sie mir eigentlich erst erzählen wollte, wenn ich älter sein würde und alles besser verstehen konnte. »Die Zeit läuft mir davon«,höre ich sie noch mit müder Stimme sagen. »Du sollst alles über mich wissen, Sofie, damit du weißt, wer deine Mutter war, und du deinen Kindern von mir erzählen kannst. Es tröstet mich, in dir weiterzuleben.«
Wir hatten über den Abschied geredet. Mama hatte versucht mich darauf vorzubereiten und ich war ungeheuer tapfer gewesen. Aber als es dann passierte, war ich überhaupt nicht vorbereitet. Ich glaube, das ist man nie, wenn jemand stirbt, den man sehr liebt.
Nun fand ich nur unter den riesigen alten Ahornbäumen und den Buchen mit ihren mächtigen Kronen ein wenig Trost. Die efeuumrankten Grabsteine erzählten traurige Geschichten, die mich von meinem eigenen Schmerz ablenkten. Jedenfalls für eine Weile. Ich hatte immer meinen Malkasten