Lakota Moon. Antje Babendererde

Lakota Moon - Antje Babendererde


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begrüßten mich mit nickenden Köpfen und ich fragte mich, womit ich das verdient hatte. Es waren sieben Tiere, mit kräftigem, kompaktem Körperbau und geflecktem Fell. Behütet wurde die kleine Herde von einem dunkelgrauen Hengst mit weißem Hinterteil, das mit faustgroßen grauen Punkten gesprenkelt war. Ein richtiges Indianerpferd, wie aus dem Bilderbuch. Auch die Stuten waren gescheckt oder hatten Flecken. Zwei waren trächtig, eine hatte ihr Fohlen schon. Auf langen, staksigen Beinen stand es dicht neben der Mutter und beäugte mich misstrauisch. Beinahe musste ich lachen, als ich es ansah. Die beiden anderen Stuten schienen noch jung zu sein und waren sehr neugierig.

      Der Hengst schnaubte und ich hielt es für besser, ihn nicht zu berühren. Eine der Stuten, eine graue, die am ganzen Körper mit weißen Punkten gefleckt war, ließ sich streicheln, bis der Hengst dazwischen ging. Er rollte mit den Augen und ließ mich wissen, dass er es nicht mochte, wenn ein Fremder seine Frauen anfasste, noch dazu einer, der so aussah wie ich.

      Die Pferde gefielen mir, auch wenn ich mich ein bisschen vor ihnen fürchtete. Sie gefielen mir, aber es waren Rodneys Pferde. Ich meine, Rodney war keineswegs der böse Stiefvater. Er ließ mich in Ruhe und war immer freundlich. Aber ich traute dem Frieden nicht. Ich hatte keine Ahnung, woran ich bei ihm war und ob ich mich auf ihn verlassen konnte.

      Bei dieser Gelegenheit bekam ich auch noch Sehnsucht nach meinem richtigen Vater. Keine Ahnung, ob er überhaupt wusste, wo Mom und ich waren. Seine Alimente gingen weiterhin auf ein Konto in Deutschland. Ob er mal vorbeikam, wenn er erst unsere Adresse hatte? Möglich war es immerhin, schließlich kam er ziemlich herum in der Welt. Aber wenn ich ganz ehrlich war, wollte ich ihn gar nicht sehen. Er hatte mich im Stich gelassen, und dass ich plötzlich Sehnsucht nach ihm hatte, hing sicher damit zusammen, dass meine Nerven bloß lagen. Ich streckte die Hand erneut nach der Stute aus und versuchte nicht mehr an meinen Vater zu denken.

      Beim Abendessen fragte mich meine Mutter nach den Schrammen in meinem Gesicht und ich erzählte ihr, dass ich gestolpert und hingefallen war. Sie glaubte mir nicht, fragte aber nicht weiter nach, denn sie hatte ganz andere Sorgen. Es dämmerte schon und Rodney war immer noch nicht nach Hause gekommen. Meine Mutter wurde mit jeder halben Stunde, die verrann, immer nervöser und schließlich sah ich Tränen in ihren Augen. Halb blind starrte sie das Telefon an.

      »Mach dir mal keine Sorgen, Mom«, versuchte ich sie zu trösten. »Er wird schon noch kommen.«

      »Vielleicht ist etwas passiert«, flüsterte sie Hände ringend, als irgendwann der Mond zum Fenster hereinschien.

      »Was soll schon passiert sein?«, brummte ich und Mom warf mir einen Mangel an Phantasie vor.

      »Er könnte ja wenigstens anrufen.«

      »Vielleicht rufen Indianer nicht an, wenn sie sich verspäten«, sagte ich. »Vielleicht ist alles bloß ein kulturelles Missverständnis.«

      Das tröstete meine Mutter kein bisschen. Irgendwann hörte ich sie »Wakan Tanka, bitte!« murmeln.

      »Gib dir keine Mühe«, sagte ich. »Er ist jemand, der die Gebete von Weißen nicht erhört.«

      Das verblüffte sie einigermaßen. »Woher willst du das wissen?«

      »Ich habe es auch schon versucht.«

      »Wakan Tanka ist kein Jemand, Olli. Er ist kein Gott, wie du ihn dir vorstellst«, sagte meine Mutter.

      »Ich stelle mir gar nichts vor. Ich glaube nicht an höhere Wesen«, sagte ich, vorsichtig ausgedrückt.

      »Wakan Tanka, der Große Geist, wird auch Großes Geheimnis genannt. Die Lakota beten zu diesem Geheimnis, indem sie die Natur verehren. Mutter Erde ist Wakan, sie ist heilig. Und alles, was aus ihren Kräften wächst, ist es auch.«

      »Und du glaubst daran?«

      »Natürlich.«

      Mom hatte schon zu Hause, in Deutschland so geredet, aber nun ging sie richtig darin auf. Ich konnte ihr nicht folgen, aber ich wollte sie ein bisschen ablenken und so redeten wir noch eine Weile über Dinge, von denen wir beide nicht viel verstanden.

      Irgendwann ging ich ins Bett und ließ meine Mutter mit ihrer Sorge um Rodney allein. Schlafen konnte ich nicht, weil ich über all das nachdenken musste, was meine Mutter mir erzählt hatte. Ich machte mir keine Sorgen um Rodney, denn er war ein Fremder für mich. Ich wusste kaum etwas über ihn, und wenn er nicht zurückkehrte, konnten wir wieder nach Hause fliegen und alles wäre nur ein merkwürdiger Traum gewesen. Ein Traum, den ich schnell vergessen würde.

      Am nächsten Morgen hatte meine Mutter rote, verquolle-ne Augen und da wusste ich, dass Rodney nicht nach Hause gekommen war. Mir fiel nichts ein, womit ich sie trösten konnte, und so redeten wir kaum miteinander. Irgendwann machte ich mir dann auch Sorgen, keine Ahnung, warum. Als am Nachmittag der weiße Pick-up, beladen mit langen Stangen den staubigen Weg zum Haus heraufrollte, verzog ich mich in mein Zimmer. Wenn der Zorn meiner Mutter auf Rodney niederging, wollte ich nicht dabei sein.

      Rodney kam ins Haus und zuerst war es ganz furchtbar still. Ich hatte meine Tür einen Spaltbreit geöffnet und lauschte. Nichts. Das war typisch für meine Mutter, wenn sie auf jemanden wütend war. Zuerst strafte sie ihn mit Schweigen, das hatte sie mit meinem Vater und mir auch immer so gemacht. Aber dann brach das Donnerwetter los.

      »Warum hast du nicht angerufen, wenn du über Nacht nicht nach Hause kommst?«, sagte Mom laut und vorwurfsvoll. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht.«

      »Die Leute, bei denen ich letzte Nacht war, haben kein Telefon«, verteidigte sich Rodney.

      »Aber wenn du doch gewusst hast, dass du nicht nach Hause kommst, warum hast du mir das dann nicht gesagt?«

      »Weil ich es eben nicht vorher gewusst habe, es ist was Unvorhergesehenes dazwischengekommen.«

      Der erste Ehekrach war also im Gange, und das noch vor der eigentlichen Hochzeit. Na, das fing ja gut an. Genau so hatte ich es mir gedacht. Schließlich kannten sie sich überhaupt nicht richtig. Alles war ein einziges, riesengroßes Missverständnis.

      Meine Mutter war immer noch aufgebracht, während Rodney ganz ruhig blieb. »Du musst dich daran gewöhnen, Susan, dass ich manchmal nicht nach Hause komme«, eröffnete er ihr. »Das bringen meine Arbeit und die großen Entfernungen hier so mit sich. Und schließlich bist du ja nicht allein, sondern hast einen erwachsenen Sohn im Haus.«

      Meinte er damit etwa mich?

      Irgendwann, ziemlich rasch, kam es dann zur Versöhnung. Meine Mutter entschuldigte sich und Rodney entschuldigte sich und dann umarmten sie sich wahrscheinlich. Was sonst!

      Kurze Zeit später rief Rodney nach mir und ich ging nach unten.

      »Ich brauche deine Hilfe, Oliver«, sagte er. »Die Tipis müssen aufgebaut werden.«

      Tipis? Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Wollten wir jetzt »Der mit dem Wolf tanzt« spielen?

      Ich half Rodney die etwa sieben Meter langen Stangen und die Zeltplane vom Pick-up zu laden. Die Stangen waren schwer und die Plane auch und ich kam ganz schön ins Schwitzen. Dann tat Rodney seltsame Dinge und ich sah ihm dabei zu. Er breitete die Plane auf der Wiese aus und errechnete so die Höhe, in der die drei Hauptstangen zusammengebunden werden mussten. Dabei zeigte er mir, wie der Strick um die Stangen geschnürt wurde, damit er beim Aufstellen nicht verrutschte.

      Schließlich richteten wir diese Stangen in einem Dreieck auf und Rodney prüfte, ob sie auch sicher standen. Dann setzte er die übrigen Stangen in demselben Winkel ein, der durch die drei Hauptstangen entstanden war. Immer wieder prüfte er, ob die Stangen richtig saßen, und befestigte sie mit dem langen Strick, indem er rund um das Holzgerüst marschierte und das Seil festzurrte. Mir wurde klar, dass ein Tipi aufzubauen eine Wissenschaft für sich war.

      »Früher haben das die Frauen gemacht«, erzählte er mir augenzwinkernd. »Zwei Frauen konnten ein Tipi in kurzer Zeit aufstellen. Tja«, er zuckte die Achseln, »die Zeiten haben sich wohl geändert. Heutzutage müssen die Männer ran.«

      Ich sagte nichts dazu, ich hatte keine Lust,


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