Gesammelte Erzählungen und Gedichte. Joachim Ringelnatz

Gesammelte Erzählungen und Gedichte - Joachim  Ringelnatz


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deinem Mann.

      Doch uns schlug kein Gewissen.

      Gott weiß, wie redlich untreu

      Man sein kann.

      Weißt du noch, wie wir’s trieben,

      Was nie geschildert werden darf?

      Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf.

      Weißt du, daß wir uns liebten?

      Und noch lieben?

      Man liebt nicht oft in solcher Weise.

      Wie fühlvoll hat dein spitzer Hund bewacht.

      Ja unser Glück war ganz und rasch und leise.

      Nun bist du fern.

      Gute Nacht.

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      Joachim Ringelnatz

      11 Novellen

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      ISBN: 978-3-95855-227-2

      fabula Verlag Hamburg, 2016

      Covergestaltung: Marta Monika Czerwinski

      Coverbild: designed by freepik.com

      Der fabula Verlag Hamburg ist ein Imprint der Bedey Media GmbH.

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      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      © fabula Verlag Hamburg, 2016

      http://www.fabula-verlag-hamburg.de

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      Inhalt

       „Das – mit dem »blinden Passagier« (1910)“

       „Durch das Schlüsselloch eines Lebens (1911)“

       „Zwieback hat sich amüsiert (1911)“

       „Gepolsterte Kutscher und Rettiche (1912)“

       „Der tätowierte Apion (1912)“

       „Das Grau und das Rot (1912)“

       „Vergebens (1912)“

       „Auf der Straße ohne Häuser (1913)“

       „Das Gute (1913)“

       „Sie steht doch still (1913)“

       „Die wilde Miß vom Ohio (1913)“

      Das – mit dem »blinden Passagier« (1910)

      Alwine, die Blumenverkäuferin im Kurhause des Nordseebades Soldorp, pflegte in Augenblicken der Aufregung immer etwas Auffallendes zu tun.

      Diesmal drehte sie, während sie in Gedanken Pflicht und Vernunft gegeneinander wog, den obersten Westenknopf von Steuermann Lauken andauernd von links nach rechts, als habe sie es mit dem verkörperten Wankelmut zu tun, dem sie das Genick abdrehen wolle. Und als es so weit gelang, als Lauken halb ungeduldig, halb verwundert dem davonrollenden Knopfe nachblickte – da endlich antwortete sie ihm leicht errötend, aber mit fester Stimme: »Nein, nein, Jahn; es geht nicht. Er kann noch zurückkommen, und dann – du weißt doch.«

      »Aber es sind fast 7 Jahre, daß Henry fort ist«, wandte Jahn traurig ein, »so lange bleibt keiner bei der Fremdenlegion. Sieh mal, Wine, daß ich Steuermann bin und er nur ein Matrose – das will nichts heißen, dazu will ich gar nichts sagen, aber Henry kann tot sein; er kann irgendwo in Australien leben – mit einer anderen. Hier meine Hand, Wine, ganz ohne Eifersucht gesprochen: – treu ist Henry dir nicht. In der ganzen Welt gibt es Briefpapier und – –«

      Alwine drehte sich unwillig um und sagte unterbrechend: »Nein, ich will so etwas nicht hören. Du hast ihn nicht gekannt. Der schreibt nicht, hat nicht geschrieben und wird nicht schreiben. Es wird ihm schlecht gehen bei den Franzosen. Tom Hansen hat mir erzählt, wie’s dort zugeht. Und Henry wird zu stolz sein, das zu schreiben. – Er kann auch tot sein, ja – – aber wenn er noch lebt, dann ist er mir treu geblieben, wie ich ihm treu geblieben bin.«

      »Und wenn er nun tot ist und du erfährst es nicht? – Ertrunken, in Afrika ermordet, verunglückt? Willst du ewig warten? Wine, willst du einmal ganz einsam sterben?«

      Alwine schwieg. Sie war ans Fenster getreten und fischte mit ihrem Haarkamm Ameiseneier aus dem Goldfischglas, ohne zu wissen, was sie tat.

      Der Steuermann fühlte, daß er Boden gewonnen. Eindringlicher und zärtlicher fuhr er mit der weichen Stimme eines Menschen, der keine Hintergedanken hegt, fort: »Bin ich dir nicht auch treu gewesen? Habe ich nicht in vier Jahren viermal bei dir angefragt, mich immer wieder vertrösten lassen und bin doch immer wieder gekommen? In ein paar Tagen gehen wir wieder in See. Wine – Winchen – laß uns heiraten. Du wirst es gut bei Steuermann Lauken haben, vielleicht auch bald bei Kapitän Lauken.«

      Und er küßte sie sacht auf die Schulter und wischte sich vorher mit dem Handrücken den Mund ab, als könne da noch etwas von den vielen ausländischen Seemannsküssen hängengeblieben sein. Sie aber bemühte sich vergeblich, ihre Tränen zurückzuhalten, und als sie auf einmal in dicken Perlen unaufhörlich über die roten, vollen Backen rannen, da gab sie ihm eine derbe Hand und sagte: »Nur noch eine Reise, bitte, Jahn, und wenn du dann zurückkommst und keine Nachricht von Henry da ist, dann« – –

      Pftzsch! – Das war so einer von Alwinens treuherzigen Küssen gewesen, die wie ein Siegel waren, dem nichts hinzuzusetzen ist. –

      Jahn begab sich, innerlich heiter, äußerlich mit der erkünstelten Würde des Siegesgewissen, an Bord der »Florida«.

      Ein paar Tage später ging der Dampfer auf »wilde Fahrt« in See.

      Liverpool – Venedig – Odessa – Nikolajew. –

      Als Monate vergangen, da lag das Schiff im Hafen von Algier, um Kohlen einzunehmen und dann die Heimfahrt über Hamburg anzutreten.

      Steuermann Lauken stand auf dem Hinterdeck. Lächelnd sah er den arabischen Arbeitern zu, wie sie auf den schmalen, von einer Kohlenschute zum Dampfer führenden Laufbrettern hin und her trippelten und – je zwei Mann mit einem kleinen Korbe – unter monotonen Gesängen die Kohlen an Bord trugen.

      Da lief ein weißer Mann, rothaarig, recht ärmlich gekleidet und mit zerrissenen Segeltuchschuhen an den Füßen, über den Steg. Er sprach einen Moment mit dem Posten und schritt dann, dessen Fingerzeige folgend, auf Lauken zu.

      »Steuermann«,


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