Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland

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dran.‟

      „Sie werden in schätzungsweise zwölf Minuten in der Zweiundneunzigsten sein‟, sagte Clive. „Bis dahin kann es zu spät sein.‟

      „Wenn es wirklich stimmt, was der Anrufer erzählt hat, dann können wir sowieso nur noch beten. Und Schadensbegrenzung betreiben. Rufen Sie das neunzehnte Revier an, Clive.‟ Jonathan McKee ging zum Schreibtisch und griff nach einem der Telefone. „Sie sollen ein paar Streifenwagen hinschicken. Wie hat der Anrufer den Mann beschrieben?‟

      „Mittelgroß, schmal, schwarzhaarig, heller Trenchcoat, Hornbrille.‟

      „Die Cops sollen das Theater weiträumig absperren. Ein Team soll in den Saal gehen, falls es vor Leslie und Jay vor Ort ist. Evakuierung von der hintersten Reihe an. Vielleicht können sie den Mann erkennen. Die Sicherheit der Schauspieler und Theaterbesucher hat oberste Priorität.‟

      „In Ordnung, Sir.‟ Clive nahm ebenfalls einen der fünf Telefonhörer ab.

      Jonathan McKee wählte die Nummer der Telefonzentrale. „McKee. Hören Sie zu, Linda – ich muss mit dem 92nd Street Y-Theater sprechen. Versuchen Sie, den Regisseur an den Apparat zu kriegen – es geht um Leben und Tod ...‟

      5

      Sharon lachte laut. Das abgefahrene Stück machte ihr Spaß. Apfelschnaps hieß es. Auf der Bühne ging es zu, wie bei einer wilden Fete.

      Gut zwanzig Schauspieler tummelten sich vor einer blutroten Kulisse: Abgerissene Penner, Transvestiten mit aufgedonnerten Frisuren und Klamotten, Punks, Typen in Nadelstreifentuch und so weiter, und so weiter.

      Hinter ihnen, vor der Kulisse, zog sich ein Stacheldraht quer über die Bühne. Dahinter war ein Baum zu sehen. In seinem Geäst hing die Box, aus der die bekiffte Stimme von Axel Rose und die unverwechselbaren Klänge seiner entfesselten E-Gitarre drangen.

      Auch ein paar nackte Männer und Frauen befanden sich unter dem bunten Volk auf der Bühne. Die ganze Gesellschaft tanzte zu Axel Rose′ Knockin on Heavens Door. Nur drei Männer nicht – sie trugen lange, schwarze Gewänder und starrten todernst ins Publikum hinunter.

      Sharon beugte sich zu Mike, der neben ihr saß. „Sollen das Priester oder so was sein?‟, flüsterte sie.

      Ihr Partner machte ein ähnlich versteinertes Gesicht wie die drei Figuren in den schwarzen Umhängen auf der Bühne. „Das sind Jesus, Mohammed und Buddha‟, flüsterte er.

      Am wildesten tanzte eine Frau. Sie war in ein loses weißes Tuch gehüllt. Während ihres Tanzes öffnete sich das Tuch, und man sah ihre Brüste und das dunkle Dreieck zwischen ihren Beinen. Auf der Rückseite des Umhangs war ein Paar kleiner, goldener Flügel angenäht. Sharon hatte schnell begriffen, wen diese halbnackte Tänzerin darstellen sollte – den Erzengel Michael, der den Eingang zum Paradies bewachte.

      „Gegen Eves Stück sind unsere Comics ja religiöse Erbauungsliteratur‟, kicherte Sharon in Mikes Ohr.

      „Jetzt halt endlich mal die Klappe‟, fauchte ihr Partner.

      „O Verzeihung.‟ Sharon mimte die Hochachtungsvolle. „Sir Michael Valezki will sich ungestörtem Kulturgenuss hingeben ...‟ Grinsend betrachtete sie den vierzigjährigen Griesgram. In den vier Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte sie sich an seine chronisch schlechte Laune gewöhnt. Selbst wenn er die witzigsten Comics zeichnete, machte er ein Gesicht, als hätte man gerade seinen Hund vergiftet. Sharons Aufmerksamkeit konzentrierte sich wieder auf das chaotische Treiben auf der Bühne.

      Der halbnackte Erzengel hatte sich inzwischen eine Drahtschere geschnappt und zerschnitt den Stacheldraht – den Zaun vor dem Paradies. Grölend strömte das bunte Volk durch die Lücke. Die drei schwarz Verhüllten schlossen sich der Menge an, aber der Erzengel stellte sich ihnen in den Weg und bedrohte sie mit der Drahtschere. „Ihr kommt hier nicht ′‚rein, bevor ihr nicht einige von euren Klugscheißereien zurücknehmt, mit denen ihr die arme Menschheit verwirrt habt ...‟

      Sharons Blick fiel auf einen Mann, vier Reihen weiter vorne. Der Orientale mit der Hornbrille und dem Trenchcoat. Langsam erhob er sich. Tief gebeugt drängte er sich an den Zuschauern seiner Reihe vorbei zum Mittelgang. Die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben ...

      6

      Sergeant Roger Castle steuerte seinen Streifenwagen die Lexington Avenue hinunter. Beleuchtete Häuserfassaden flogen vorbei, an den Kreuzungen die Kühlerhauben der Fahrzeuge aus den Seitenstraßen. Bremsen quietschten, Castle fuhr Slalom zwischen Gegenverkehr und Autos, die nicht ausweichen wollten.

      Castles Partner, Officer Kenneth Miler, bekreuzigte sich. „Himmel, Roger!‟, schrie er. „Geh vom Gas! Du musst kein Extremrennen fahren, es geht nur um einen beschissenen Einsatz, kapiert?!‟

      „Ein Terrorist mit ′‚ner Granate im Theater‟, knurrte Castle. „Darum geht’s, und nicht um irgendeinen Einsatz ...‟

      „Wer, zum Teufel, hat gesagt, dass wir als erste am Einsatzort sein müssen?!‟ Mit beiden Händen hielt Miler sich am Griff über dem Beifahrerfenster fest. „Du liest doch Zeitung, Sarge! Die Typen schrecken vor nichts zurück! Ich will nicht befördert werden!‟

      „Du bist und bleibst ein Loser, Ken ...‟ Eine Ampel tauchte auf. Die Kreuzung zur 92. Straße. Das Theater. Castle stieg in die Bremsen.

      „Das Trassierband!‟, brüllte er seinen Partner an. Bevor der sein Gurtschloss fand, war Castle schon aus dem Wagen gesprungen.

      Er rannte auf die Menge zu, die sich vor dem Theatereingang aufhielt. Die Leute skandierten irgendwelche Sprüche, die Castle nicht verstand, und die ihn auch nicht interessierten. „Weg hier!‟ Er zog seine Dienstwaffe. „Verschwinden Sie!‟ Die Menge wich zurück. „Los, los! Oder wollen Sie sich eine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt einhandeln!‟

      Polizeisirenen näherten sich. Zwei aus der anderen Richtung der Lexington Avenue, eine aus der 92. Castle sah seinen Partner mit einer Rolle Trassierband heran schaukeln. Die drei Streifenwagen stoppten, Wagentüren wurden aufgestoßen, Cops stülpten sich ihre Mützen auf die Köpfe und liefen mit großen Schritten herbei.

      „Sperrt den ganzen Block ab!‟, rief Castle. „Wir brauchen Platz für die Ambulanzen und die Feuerwehr!‟

      „FBI schon hier?!‟, schrie einer der Cops. Castle hörte es nicht. Er hetzte die Treppe hoch und stieß die Tür zum 92nd Street Y auf. Kein Mensch im Foyer. Die beiden Frauen hinter dem Garderobentresen beäugten ihn verblüfft.

      „Bombendrohung‟, zischte der Sergeant. „Raus hier.‟ Er sah


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