Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland
Da er sie bei der Bank in guter Obhut wusste, hielt er das wohl nicht für erforderlich. Ich rate auch Ihnen davon ab. Sie müssten die Elefanten unnötig durch die Stadt schleppen. Außerdem — ich schäme mich fast, das einzugestehen — wüsste ich nicht, welche Gesellschaft ich Ihnen empfehlen sollte. Viele Sachbearbeiter sind korrupt und auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Wenn Sie nicht gerade ein Kenner altchinesischer Kunst sind, laufen Sie als Ausländer Gefahr,“ betrogen zu werden. Es ist auf jeden Fall weniger riskant, die Figuren ins Flugzeug zu schaffen und den Koffer, in dem sie sich befinden, als Kopfkissen zu benutzen. Vor allem steht ja auch gar nicht fest, dass Mr. Shao Ch’eng wegen seiner wertvollen Sammlung sterben musste. Verlieren Sie nicht die Kaufurkunde und die Vollmacht, die ich Ihnen ausgestellt habe. Sie laufen sonst womöglich Gefahr, als Kunstdieb verhaftet zu werden.“
An diese Selbstverständlichkeiten brauchte Bount nicht erinnert zu werden. Er war kein Anfänger in seinem Fach. Bount Reiniger akzeptierte auch noch Aufträge, bei denen seine Berufskollegen nur noch entsetzt abwinkten. Er gab nicht auf und gab sich mit keinem ungeklärten Fall zufrieden.
Eine hübsche, sanfte junge Frau und eine Herde zahmer Elefanten mit dem Flugzeug von Thailand in die Staaten zu bringen, gehörte sicher nicht zu seinen schwierigsten Jobs. Aber es ging um ein Menschenleben und um eine halbe Million.
Dabei zählte Bount sein eigenes Leben noch nicht einmal mit.
6
An der Rezeption gab es keine Schwierigkeiten. Bounts Zimmer war reserviert.
Ein Boy wollte ihm seine Reisetasche abnehmen. Bount stellte ihn mit einem Trinkgeld zufrieden, zog es aber vor, seine Tasche selbst zu tragen. Immerhin befanden sich einige Dinge darin, auf die er nicht verzichten wollte.
Der Lift beförderte ihn in die sechste Etage.
Nach dem Horror des Straßenverkehrs wurde Bount von dem Zimmer auf angenehmste Weise überrascht. Es war geräumig, hell und vor allem sauber.
Er stellte seine Reisetasche ins Bad. Bevor er sich unter der Dusche erfrischte, trat er auf den Balkon hinaus und genoss die prächtige Aussicht auf den unter ihm vorbeiziehenden Maenam mit seinen farbenfrohen Booten.
Es klopfte an der Tür.
„Der Begrüßungsdrink des Hauses, Sir“, meldete sich eine höfliche Stimme.
„Stellen Sie ihn auf den Tisch“, antwortete Bount, ohne sich deswegen stören zu lassen. Hoffentlich war der Drink gut gekühlt. In New York war er bei klirrendem Frost abgeflogen. Hier herrschte ebenfalls Winter, doch das Thermometer zeigte dreißig Grad an.
Bount fiel auf, dass sich der Etagenkellner noch immer nicht entfernt hatte. Wahrscheinlich wartete er auf ein Trinkgeld. Seufzend griff er in die Tasche, wurde aber von einer schneidenden Stimme gestoppt.
„Lass die Hände, wo sie sind, Reiniger. Dreh dich ganz langsam herum und komm her.“
Bounts Haut zog sich in der Nackengegend krampfartig zusammen. Auf einmal gefiel ihm das renommierte Hotel Orientale wesentlich weniger.
Vorläufig blieb ihm nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Er musste herausfinden, was der Kerl von ihm wollte. Dass er tatsächlich zum Hotelpersonal gehörte, war nicht anzunehmen.
Bount drehte sich um und stand einem Burschen gegenüber, der einen halben Kopf größer war als er. Sein Gesicht sah sanft aus, aber das täuschte offensichtlich.
Das Tablett mit dem Glas hatte er auf den Tisch gestellt. Dafür hielt er jetzt ein gefährlich blitzendes Messer in der Hand, das er zwischen Daumen und Zeigefinger wippen ließ.
„Komm näher!“, befahl er. „Wo hast du dein Gepäck?“
Es schien sich um einen stinknormalen Raub zu handeln. Sekundenlang hatte Bount befürchtet, der Überfall könnte etwas mit seiner Mission zu tun haben.
„Der Schrankkoffer wird morgen zugestellt“, antwortete er, „und die sechs Hutschachteln werden gerade vom Flughafen abgeholt.“
Das Babygesicht verengte die Schlitzaugen noch stärker. Hinter seinem Rücken öffnete sich die Tür, was ihn aber nicht störte. Er erwartete seinen Komplizen.
„Man sagt uns Chinesen Höflichkeit nach“, spottete der Gangster mit dem Messer. „Über deinen Witz kann ich aber nicht lachen, Reiniger. Du übrigens auch nicht, denn wenn du nicht augenblicklich das Maul aufmachst, kannst du dir Zähne aus Elfenbein einsetzen lassen. Wo sind sie, Schnüffler? Ich bin nicht für übermäßige Geduld bekannt.“
Der andere, ein Kerl mit massenhaft vielen Narben im Gesicht, blickte sich im Zimmer um.
„Er trug eine große Tasche, Lao“, erinnerte er sich. „Die hat er anscheinend versteckt.“
„Such sie!“, ordnete Babyface an und behielt Bount scharf im Auge.
Der Narbige begann, die Schränke aufzureißen und unter dem Bett nachzusehen.
Bount wartete auf einen günstigen Moment, dann würde er versuchen, den Strolch zu überwältigen.
Der Mann verschwand im Bad und frohlockte: „Ich habe sie. Sie ist verdammt schwer.“
„Bring sie her, Guan. Wir müssen uns vergewissern, ob sie tatsächlich drin sind, bevor wir ihm das Maul stopfen.“
Bount biss die Zähne zusammen. Wenn er sich nicht täuschte, suchten sie die Elefanten. Also doch! Er hatte es wahrscheinlich mit den Burschen zu tun, die auf Myang geschossen hatten. Die Mörder ihres Vaters.
Der Narbige, den das Babygesicht mit Guan angeredet hatte, brachte die Reisetasche und stellte sie auf den Tisch. Sie war noch verschlossen. Den Schlüssel dazu trug Bount in der Sakkotasche.
Er baute darauf, dass sie den Schlüssel von ihm forderten. Dazu mussten sie ihm gestatten, in seine Tasche zu fassen, wobei er seine Automatic herausholen würde, die nach Thailand einzuführen einige Schwierigkeiten bereitet hatte. Oder aber sie waren gezwungen, sich ihm auf Reichweite zu nähern. Dann sollten sie ihn kennenlernen.
Sie entschieden sich für eine dritte Möglichkeit. Der Mann, der Lao hieß, schlitzte die Ledertasche mit seinem scharfen Messer auf, bis der Inhalt herausquoll.
Die Chinesen machten lange Gesichter.
„Du Schwein!“, kreischte Lao und schleuderte die zerfetzte Tasche in die Ecke. „Wo hast du die Elefanten?“ Jetzt war es heraus.
„Ich weiß nicht, wovon du redest“, behauptete Bount. Er wollte den Chinesen reizen und zur Unvorsichtigkeit veranlassen. Für sich selbst sah er noch keine akute Gefahr. Sie würden ihn wohl nicht töten, bevor sie wussten, wie sie an die Sammlung herankamen.
Der Narbige fletschte die gelben Zähne.
„Ich mache ihn fertig“, verkündete er. Er zog eine Pistole aus der Tasche und schraubte blitzschnell einen Schalldämpfer auf den Lauf.
Jetzt wurde es ungemütlich.
„Warte noch!“, hielt ihn sein Kumpan zurück. „Der Meister hat uns genau gesagt, wie wir uns in einem solchen Fall verhalten sollen.“ Er wandte sich mit gemeinem Grinsen an den Privatdetektiv. „Hör jetzt mal genau zu, Reiniger. Ich weiß, dass du dich für unbesiegbar hältst. Drüben in Amerika