Ichsucht. Johannes Stockmayer
als der Ort seiner Selbstverwirklichung. Aber er kommt nicht darauf, was es sein könnte. Er fühlt sich als Fremdköper. Das erhöht die Unruhe in ihm, die innere Leere zeigt sich in der Gemeinde deutlicher als anderswo. Er hat nicht das, was die anderen haben, er kommt sich vor wie ein Außenseiter. Es ist so, als würde er vor einer Fensterscheibe stehen und hineinschauen. Dort drin ist das, was er sich wünscht. Aber er erreicht es nicht. Es steht etwas zwischen ihm und den anderen. Er ist Zuschauer, andere agieren, leben, lachen, singen, beten, weinen, sind berührt – er nicht. Er hat keinen Zugang und, was noch schlimmer ist, keinen Zugriff. Seine innere Einsamkeit und Leere steigert sich ins Unerträgliche. Umso mehr verstärkt er nun seine Bemühungen, das schlechte Gefühl in sich zu bekämpfen. Er steht vor der Fensterscheibe und wedelt mit den Armen, damit die Leute zu ihm herauskommen. Er macht auf sich aufmerksam und macht sich wichtig. Er will ihnen sagen, dass dort die Musik spielt, wo er sich befindet. Wo er ist, ist es gut. Er will nicht einer von ihnen werden, denn das geht nicht, er ist ja anders und will anders sein. Er will vielmehr als jemand gesehen werden, der mehr ist, der alle überragt, der einzigartig ist. Er will Bewunderung. Und er unternimmt nun alles, um grenzenlose Zuwendung zu erhalten. Er stellt sich als der Größte vor und zeigt sich von einer grandiosen Seite. Dass das alles so nicht wahr ist, erkennt er nicht, will er nicht erkennen. Denn er schafft sich ja seine eigene Wirklichkeit. Für ihn gibt es nur das, was er für wirklich hält. Durch die Bewunderung der anderen kann er bestimmen. Weil er groß ist, sind die anderen klein, weil er mächtig ist, brauchen sie ihn. Weil er der Mächtigste ist, kann er kontrollieren. Nun hat er wieder die Dinge in seiner Hand und ist Herr der Lage. So fühlt er sich dazugehörig, akzeptiert. Er ist auf der sicheren Seite, das schlechte Gefühl verschwindet. Durch die Bewunderung fühlt er sich selbst wieder. Nun ist die Welt in Ordnung. Für ihn jedenfalls. Aber die Gemeinde gerät in Unordnung, sie steht in der Gefahr, zu einem Ort zu werden, wo es nur noch um ihn, den ichsüchtigen Menschen geht.
Im folgenden Kapitel zeige ich anhand einiger Beispiele, wie das konkret aussieht. Die Beispiele sind echt, aber nicht authentisch. Ich habe verschiedene reale Situationen zusammengesetzt. Es gibt also keine Übereinstimmung, aus der man Rückschlüsse auf Personen und Gemeinden ziehen könnte.
33Zitiert nach: Helmut Obst, August Hermann Francke und sein Werk, Halle 2013, Seite 16
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