Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste. Elfriede Jahn

Mary und das Geheimnis der Kristallpaläste - Elfriede Jahn


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Doff, dass etwas Wichtiges vorgefallen sein musste. Auch Larry, der zu bedenken gab, dass er das Boot zum Anlegesteg zurückbringen müsse, wirkte seltsam nervös, was gar nicht seine Art war. Neugierig bestürmte Doff Mary mit Fragen, doch sie winkte ab. Mary überlegte. Heute war Mittwoch. Laura spielte wie immer mit ihren Freundinnen in Corrdall Fort Karten, also würden sie im Haus ihrer Großmutter ungestört sein.

      „Wir gehen zu mir“, schlug sie vor und alle waren einverstanden. Larry stieg wieder ins Boot und Mary und Doff machten sich an den Aufstieg durch die Klippen.

      Um diese Tageszeit wirkte Lysardh Fount wie ausgestorben. Nicht einmal von Emily war etwas zu sehen, doch das war gut so, weil sie so wenig Aufsehen erregen wollten wie möglich. Immerhin war es ein normaler Schultag und gute Nachbarschaft hatte den Nachteil, dass jeder alles vom anderen wusste oder wissen wollte, und Emily war dabei keine Ausnahme, wie Mary aus eigener Erfahrung wusste.

      Erst nachdem sie sich in Lauras Cottage um den runden Tisch versammelt hatten, weihte Mary Doff ein.

      „Gut“, sagte er, zufrieden darüber, dass sein ungesprochenes Gebet erhört worden war. „Wann soll’s losgehen? Wir müssen doch jemanden retten, oder?“ Dabei steckte er sich das letzte Stück Marzipan in den Mund.

      Mary lachte. „Wenn du so weitermachst, Doff, müssen wir dich bald durch die Gegend rollen.“

      In Erinnerung an einen Hinweis, den er dem sprachgewandten Larry verdankte, konterte Doff: „Besser dick als doof.“

      Larry verzog gequält sein Gesicht, aber Mary dachte, dass es einer von Doffs liebenswertesten Zügen war, dass er es niemandem nachtrug, wenn er sich über seine Dickleibigkeit oder Naivität lustig machte. Selbst für jeden Spaß zu haben, war er auf eine Weise großzügig, die sie immer wieder erstaunte.

      „Also, was machen wir jetzt?“, wollte Doff wissen.

      „Wir warten auf den nächsten Hinweis“, sagte Mary, die selbst noch keine Ahnung hatte, wie das alles gemeint war. „Oder was denkst du?“, wandte sie sich an Larry, der zustimmend nickte.

      „Was auch kommt, wir bleiben zusammen!“

      „Klar“, stimmte Doff kauend zu, doch Larry murmelte undeutlich: „Wir werden sehen.“

      Mary streckte ihre Hände bis zur Mitte des kleinen Tisches aus und Larry und Doff legten ihre Hände auf ihre. Mit diesem kleinen Ritual besiegelten und erneuerten sie ihre Freundschaft – doch diesmal schloss Mary dabei die Augen, hob leicht den Kopf und ließ die Schultern fallen. Doff schielte zu Larry hinüber und sah, dass auch er die Augen geschlossen hatte, schluckte das letzte Marzipanstück hinunter und tat es ihnen gleich. Ihre Hände begannen zu pulsieren. Sie spürten eine vibrierende Kraft, die durch ihre Körper aufstieg und dabei zunahm. Ein Energiekreis bildete sich, eine Art schützender Bannkreis, und sogar die Luft, die sie umgab, schien zu knistern. Sie hatten keine Ahnung, wie lange sie die Spannung halten konnten, bis sich, wie auf ein unhörbares Kommando hin, ihre Hände lösten und sie ihre Augen wieder öffneten.

      „Cool!“, flüsterte Doff.

      Larry murmelte leise: „Wahnsinn!“, und Mary rief: „Das war unglaublich!“

      In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer und Laura trat ein. Sie war klatschnass.

      „Ich hatte Glück! Den ersten Bus hab ich versäumt, der nächste wäre erst in vierzig Minuten gekommen. Und dann dieser Wolkenbruch. Wie aus dem Nichts. Keine Möglichkeit, mich unterzustellen, keine Autos, die ich hätte anhalten können. Dann kam irgendwann Gott sei Dank Mr Griffin mit seinem Polizeiauto vorbei und hat mich mitgenommen.“

      Larry sprang auf und half Laura aus der nassen Jacke, Doff nahm ihr die Tasche ab, und Mary lief in die Küche, um den Wasserkessel aufzusetzen.

      „Ein Wolkenbruch?!“, rief Mary fragend durch die offene Tür. „Sonst sieht man doch, wenn sich ein Unwetter zusammenbraut.“

      „Ja, habt ihr denn nichts gemerkt?“, fragte Laura erstaunt, bevor sie im Badezimmer verschwand, um sich umzuziehen. „Es hat geblitzt. Und wie! Direkt über dem Dorf.“

      „Es war wie vor einem Gewitter!“, platzte Doff heraus, „Nur stärker und wir ...“ Verwirrt verstummte er, als ihm Mary und Larry bedeuteten, den Mund zu halten.

      „Was war vor dem Gewitter?“

      „Nichts, Laura!“, rief Mary und schob Larry und Doff rasch in Richtung Eingangstür, wobei sie flüsterte: „Wir treffen uns jetzt jeden Tag gegen vier Uhr nachmittags in der Höhle, unserem Versteck in der Nähe vom Bootshaus. Falls einer von uns nicht kommen kann, sehen wir uns am nächsten Morgen vor der Schule.“

      Erleichtert schloss Mary die Tür hinter den beiden und drehte sich um. Vor ihr stand ihre Großmutter im Bademantel und frottierte sich das Haar. Obwohl Laura schon so alt war, hielt sie sich sehr gerade, und ihr Gesicht zeigte trotz der vielen Falten immer noch die Spuren großer Schönheit. Einen Augenblick lang kam es Mary vor, als ob sie sich in den Augen ihrer Großmutter spiegelte, die nachdenklich auf ihre Enkelin gerichtet waren. Sie hatten dieselbe Farbe wie ihre Augen und die Augen ihrer Mutter, und Mary dachte traurig: „Wie die ruhige See bei schönem Wetter, aber unergründlich in ihrer Tiefe.“

      „Du sollst mich nicht immer Laura nennen“, sagte die alte Dame ruhig. „Vor allem nicht vor deinen Freunden. Suchend sah sie sich um. „Wo sind sie eigentlich?“

      „Die mussten heim“, antwortete Mary vage. Der Wasserkessel pfiff, und sie lief erleichtert nach nebenan, um den Tee aufzugießen. Laura folgte ihr in die Küche.

      „Was ist denn los mit euch?“, fragte sie. „Ihr drei habt doch irgendetwas vor?“

      Mary schüttelte den Kopf, und ihre Großmutter nahm sie fest am Arm und führte sie ins Wohnzimmer zurück.

      „Setz dich, Kind“, forderte sie Mary auf, die gehorchte, dann nahm die Großmutter neben Mary Platz.

      „Ich spüre doch, dass etwas passiert ist.“ Aufmerksam sah Laura ihre Enkelin an, bevor sie nachdenklich hinzufügte: „Ich sehe es doch, Mary, wenn ich dich anschaue. Du kannst mir nichts vormachen.“

      Mary, die wusste, dass ihre Großmutter ihr nie böse war, seufzte unglücklich: „Ich kann es dir nicht erzählen“, sagte sie leise und versicherte dann: „Glaub mir, Großmutter, wir machen keine Dummheiten.“

      Laura schwieg. Sie wusste seit heute Morgen, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen war. Das war der Grund, weshalb sie früher als geplant nach Hause gekommen war.

      „Ich hab für dich die Zigeunerkarten gelegt“, sagte Laura und schüttelte den Kopf, „doch ich konnte sie nicht deuten.“ Wieder schwieg Laura eine Weile, bevor sie fortfuhr: „Ich verstehe ihre Botschaft zwar nicht, konnte allerdings erkennen, dass uns große Veränderungen bevorstehen.“

      Laura legte ihre Hand auf die ihrer Enkelin. „Versprich mir, Kind, dass du dich nicht in Gefahr bringst.“

      Mary, der es wehtat, dass sie Laura nicht ins Vertrauen ziehen konnte, umarmte sie und sagte leise: „Ich hab dich sehr lieb, Großmutter.“

      „Ich dich auch“, flüsterte Laura, „aber das weißt du ja.“

      Dann lachte Laura und fragte: „Hast du heute noch was vor?“

      Als Mary verneinte, zog Laura sie hoch. „Dann koche ich uns meinen berühmten Bohneneintopf, und während der vor sich hinköchelt, spielen wir eine Runde Karten. Ganz wie in alten Zeiten!“

      Es wurde ein sehr gemütlicher Abend, an den Mary noch lange zurückdenken würde. Der Regen, der leise gegen die Fenster trommelte, der süße Duft von Bienenwachs, mit dem Laura die alten Möbel behandelte, der warme Schein der Lampen und das Knistern des Kaminfeuers: die vertraute Umgebung half Mary, sich zu entspannen. Sie gewann ihre spontane Fröhlichkeit zurück, und Laura ließ sich nicht mehr anmerken, dass sie sich Sorgen um ihre Enkelin machte. Was immer Mary erwartete, sie war überzeugt, dass sich dahinter etwas Gutes und Wundervolles verbarg. Sie hatte schon immer gewusst,


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