Vier Mordfälle für den Schnüffler: N.Y.D. New York Detectives Sammelband 4 Krimis. A. F. Morland
Jagger arbeiteten, um es Bount sodann brühwarm mitzuteilen, damit er ihre Namen hinterher großzügig von seiner Abschussliste strich. Eine Hand wäscht eben die andere.
Am nächsten Vormittag läutete in Bounts Büro das Telefon.
Wilkie Lenning machte in dieser Zeit beim Tompkins Square Überstunden.
Die Anruferin war Neely Black. Bount war ehrlich erfreut. Sie wollte wissen, ob sein Angebot noch Gültigkeit hätte und er sagte ja. Sie trafen sich zwanzig Minuten später beim Central Park, Einfahrt West, 72. Straße und Bount klapperte mit dem Mädchen mehrere Leute ab, die ihm zu Dank verpflichtet waren. Zu Mittag hatte Bount Reiniger das Girl in der Redaktion einer auflagenstarken Pop-Zeitschrift untergebracht. Neely dankte ihm mit tränenglänzenden Augen.
Er lächelte. „Ich hoffe, dass Sie sich bewähren können.“
„Ich werde mir die größte Mühe geben, um Sie nicht zu blamieren, Bount.“
Er nickte. „Genau das erwarte ich von Ihnen.“
Sie küsste ihn auf den Mund. „Warum habe ich dich nicht schon früher kennengelernt? Dann wäre es mit mir bestimmt nicht so weit gekommen.“
Bount kniff sie in die Wange. „Bleib von nun an sauber, Baby.“
Sie versprach es ihm.
Er kehrte in sein Büro zurück. Im Vorbeigehen nahm er von Musi’s Bar & Grill in der Warmhaltepackung zwei Steaks mit allen Beilagen mit. Die schlang er dann in seinem Büro Apartment zwischen etlichen Telefonaten ärgerlich hinunter. Jetzt, wo June mal außer Haus war, sah er erst, wie sehr sie ihn sonst immer entlastete.
Toby Rogers rief an und wollte wissen, wie Bount in seinem Fall vorankam.
Bount Reiniger gab dem Freund keine erschöpfende Auskunft. Zu viele Dinge hingen noch in der Luft. Er wollte nicht darüber sprechen, ehe sie mit Fakten greifbar gemacht werden konnten. June March meldete sich kurz. Es gab nichts Neues. Oder doch eines: Mortimer Frayne kochte angeblich vor Wut, weil Neely Black den Kram hingeschmissen hatte. Da das Mädchen von da, wo es gewohnt hatte, aber wohlweislich ausgezogen war, war es dem Mulatten unmöglich, die Ausreißerin wieder einzufangen und zur Truppe zurückzuholen.
Gegen fünfzehn Uhr klingelte das Telefon wieder.
Bount hob ab. „Detektei Reiniger. Büro für private Ermittlungen...“
„Hier spricht Derek Morris.“ „Derek!“, rief Bount erfreut aus. „Ist das nicht wunderbar? Da sieht und hört man so lange Zeit nichts voneinander und plötzlich geht es wieder Schlag auf Schlag.“
„Ich habe mich für Sie umgehört, Bount Reiniger.“
„Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Weißt du, was ich gestern noch zu Wilkie gesagt habe? Man kann sich auf niemanden so hundertprozentig verlassen wie auf dich. Was sagst du zu meiner Menschenkenntnis?“
„Großartig“, knurrte Morris ärgerlich. „Einfach großartig, Bount Reiniger.“
„Was hast du für mich?“, fragte Bount daraufhin sachlich.
„Ich kann für meinen Informanten natürlich nicht die Hand ins Feuer legen...“
„Das geht schon in Ordnung, Derek. Sag mir getrost, was du erfahren hast. Ich verspreche dir, die Sache auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen.“
„Ich möchte damit klarstellen, dass ich nichts dafür kann, wenn der Tipp sich als Niete erweist, Bount Reiniger.“
„Wir werden schon keinen Richter brauchen, Derek. Nun komm endlich heraus mit der Neuigkeit. Wie lange willst du mich noch auf die Folter spannen?“
Morris atmete geräuschvoll ein. „Also das Pärchen, hinter dem Sie her sind, ist angeblich jeden Abend in einer Bar, die sich Alhambra nennt.“
„Damit hast du dir einen dicken Gutpunkt verdient, mein Junge.“
„Werden Sie meinen Namen jetzt wieder vergessen?“, fragte Morris hoffnungsvoll.
„Aber Derek. Wie könnte ich jemals den Namen eines Freundes, der mir einen so großen Gefallen erwiesen hat, vergessen? Das wäre doch nicht fair, oder?“, sagte Bount schmunzelnd.
„Und wenn ich Sie nachdrücklich darum bitten würde?“
„Na, schön. Wenn dir soviel daran liegt...“, meinte Bount, vervollständigte den Satz jedoch nicht, sondern drückte mit Zeige- und Mittelfinger auf die Gabel. Alhambra. Die redliche Arbeit trug nun ihre ersten Früchte...
14
Sie sah verdammt gut aus, hatte ein bildhübsches Engelsgesicht, langes blondes Haar und die unschuldigsten Augen, die Bount je gesehen hatte. Sie war weder aufdringlich noch dezent gekleidet. Ihre Garderobe bewegte sich genau auf dem schmalen Grat, der dazwischen liegt.
Es war Bount nicht schwergefallen, sich ins rechte Licht zu setzen.
Nachdem er ein bisschen Geld unter die Leute gestreut hatte, saß sie plötzlich auf dem Hocker neben ihm. Sie hatte einen Blick, der einem tief unter die Haut ging. Wenn Bount nicht gewusst hätte, mit wem er es hier zu tun hatte, wäre vermutlich sogar er diesem raffinierten Biest auf den Leim gegangen.
So aber spielte er von Anfang an ihr Spiel.
Und so war sie es, die auf ihn hereinfiel.
Er fragte sie: „Möchten Sie etwas trinken?“
Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und rückte ihre unwahrscheinlich langen Beine in sein Blickfeld. „Sprechen Sie Mädchen, die allein sind, immer auf diese Weise an?“
„Es ist mir ernst mit dem Drink“, sagte Bount.
Sie tat so, als würde sie kurz überlegen. Alles war genau durchdacht. „Okay“, sagte sie schließlich. „Ich denke, ich vergebe mir nichts, wenn ich Ihre Einladung annehme.“
„Das ist ein Wort“, strahlte Bount.
„Nun müssen Sie mir nur noch sagen, was es sein darf.“
Sie wollte einen Wodka Martini. Bount bestellte ihn für sie und während sie seinen korrekt sitzenden Anzug fachkundig musterte, erzählte er ihr von einem Mädchen, das ihm den Laufpass gegeben hätte kurz vor der Verlobung. Dabei hätte die Kleine alles von ihm haben können: Pelze, Schmuck, einen teuren Wagen... Denn Geld hätte für ihn nicht die geringste Bedeutung, er besitze so viel davon, dass er damit nichts weiter tun könne, als es ausgeben. Das alles hörte Martha Jagger natürlich furchtbar gern und Bount ließ sie auch während er in seiner Brieftasche herum fummelte, einen Blick auf die Bucks werfen, die er sich eigens für diesen Abend eingesteckt hatte. Ihre unschuldigen Augen strahlten vor heller Begeisterung. Im Laufe des Abends erlaubte sie ihm, Martha zu ihr zu sagen und er durfte sie kurz darauf sogar duzen. Den Kuss, der das Du besiegeln sollte, ließ sie sich allerdings vorerst nur auf die Wange geben. Oh, sie war wirklich ein verflucht raffiniertes kleines Luder.
Um halb elf erzählte sie ihm eine rührselige Geschichte: Sie behauptete, bis vor einem Jahr verheiratet gewesen zu sein. Glücklich verheiratet sogar, doch dann habe ihr das grausame Schicksal ihren Mann genommen. Flugzeugabsturz. Wie tragisch! Zum Glück hätte ihr Mann sie nicht mittellos zurückgelassen.