Schröders Geist und Mozarts Noten. Jens Oberheide
der Bühne erwarb er sich aber »den Ruf eines rauflustigen Taugenichts«. »Heißes Blut und ungezügelte Lebenslust« (Devrient) überlagerten jahrelang alles, was in ihm steckte. Auf den Weg zum Menschen und zum Schauspieler haben ihn zwei relativ zeitgleiche Begegnungen gebracht. Die eine war männlich und hieß Hans Konrad Dietrich Ekhof (1720–1778), die andere war weiblich und hieß Susanne Mecour (1738–1784). Er Schauspieler, sie Sängerin, beide Mitglieder des Ackermann-Ensembles.
Konrad Dietrich Ekhof, »Vater des deutschen Schauspiels«, Gemälde von Anton Graff, 1744
Susanne Mecour, gefeierte Soubrette
Ekhof, gern apostrophiert als »Vater der deutschen Schauspielkunst«, besaß eine natürliche Gebärdensprache und »eine Stimme, der nie ein Herz widerstand« (F. L. Meyer 1819 in seiner Schröder-Biographie). Er wurde schauspielerisches Vorbild, geistiger und moralischer Ziehvater von Schröder. In mehreren Stücken traten beide gemeinsam auf. Die deutsche Theatergeschichte benennt mit Ekhof und Schröder die Schlüsselfiguren der neu entdeckten Schauspielkunst.
Die zweite schicksalhafte Begegnung war »die Liebe zu der viel gefeierten Soubrette Susanne Mecour. Nach langem vergeblichen Werben hatte sich 1768 die damals Dreißigjährige … dem jüngeren Mann zu eigen gegeben« (Berthold Litzmann: »Der große Schröder«). Die Liebe blieb ein »Verhältnis« und dauerte drei Jahre. Sie war ihm eine »verständnisvolle Gefährtin«, und der »Unreife, in der Ausbildung des feineren Empfindungs- und Gemütslebens bisher Vernachlässigte, hatte in der Liebe der geist- und gemütvollen Frau sein Leben von innen heraus« (Litzmann) entdeckt und neu gestaltet.
Zu den zwei prägenden Begegnungen kommen noch weitere glückliche Umstände, durch die der Rebell Schröder nachhaltig zur Persönlichkeit von Format und Ansehen reifte.
1765 wurde die Ackermann-Truppe (und damit auch Friedrich Ludwig Schröder) sesshaft. Das »Ackermannsche Comödienhaus« am Gänsemarkt in Hamburg war eins der ersten festen »stehenden« Theater im deutschen Sprachraum. Schröder übernahm 1769 die künstlerische Leitung und nach Ackermanns Tod 1771 die Volldirektion des Theaters. Nun ging Friedrich Ludwig Schröder daran, eine Familie und damit auch eine »bürgerliche Existenz« zu gründen.
Das Ehepaar Schröder, Kupferstich von Daniel Berger, 1790 (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky)
Die Auserwählte war die achtzehnjährige Tänzerin Anna Christina Hart (1755–1829) aus St. Petersburg, die im Januar 1773 bei Schröders Mutter im Theater in Hamburg vorgesprochen hatte, um Schauspielunterricht zu nehmen.
Am 18. Februar hat Anna Christina mit Friedrich Ludwig Schröder im Ballett »Die Scherenschleifer« bei einem Gastspiel auf der Schlossbühne in Celle einen romantischen »Pas de deux« getanzt. Am 26. Juni des gleichen Jahres heirateten die beiden in Hannover. Die Ehe wirkte auf die Zeitgenossen harmonisch, blieb kinderlos und hielt ein Leben lang.
Einen weiteren Wendepunkt markiert der 8. September 1774. Die Loge »Emanuel zur Maienblume« in Hamburg nahm Friedrich Ludwig Schröder zum Freimaurer auf. Nachdem er 1769 in einer Loge in Braunschweig noch gemeinsam mit seinem Kollegen Borchers eine schroffe Ablehnung erfahren hatte, »weil besagte beyde Comödianten seyen«, galt er nun bei seiner Aufnahme in Hamburg als »ein freier Mann von gutem Ruf«. Da war er neunundzwanzig Jahre alt. Später hat er einmal gesagt, dass »ich der Freimaurerei moralisch viel verdanke«.
Nicht nur moralisch, darf man hinzufügen. »Die Bedeutung der Freimaurerei für den sozialen Aufstieg Schröders ist nicht zu unterschätzen.« (Franklin Kopitzsch: »Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklärung«, Hamburg, 1990)
»Als Mitglied einer Loge kam der Schauspieler und Theaterdirektor zwanglos mit höheren Beamten, vermögenden Kaufleuten und Intellektuellen bürgerlichen und adligen Standes zusammen und konnte mit diesen auf einer gemeinsamen Ebene abseits der Standesgrenzen kommunizieren.« (Christian Hannen: »Zeigtest uns die Warheit von Kunst erreichet«, Münster, 2004).
Schröder hatte es geschafft, von »ganz weit unten« nach »ziemlich weit oben« zu kommen. In Bezug auf Karriere und Reputation, aber auch in einem großen Reifeprozess als Mensch mit Familie und sozialer Verantwortung.
Musik. Auch in der Loge. (zeitgen. Stich)
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