Taekwondo. Alfonso Izquierdo von Paller
in den Blickpunkt des Sports gerückt zu werden? Oder geht es um eine wieder deutlichere Besinnung auf die Essenz und den eigentlichen Wert der Kampfkunst im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen und Formung einer entsprechenden Gesellschaft.
Neben allen Trainern und Trainingskameraden der letzten Jahre gilt mein besonderer Dank im Hinblick auf diese Arbeit insbesondere Panagiotis Dimitriadis und Heike Buscher, die mir mit ihrem reichen Wissensschatz und ihrer geduldigen und konstruktiven Kritik zur Seite standen!
Kapitel 2 – Was ist Taekwondo
Taekwondo ist eine koreanische Kampfkunst, die sich über annähernd 20 Jahrhunderte zu einem effektiven, waffenlosen Selbstverteidigungssystem entwickelt hat. Die WT bezeichnet Taekwondo anlässlich der Olympischen Spiele 2012 in London als genuin koreanische Kampfkunst, die gleichsam moderner Wettkampfsport ist, mit dezidierter sportwissenschaftlicher Grundlage und weltoffenem und tolerantem Wertesystem. Neben den rein verteidigungstechnischen und sportlichen Aspekten hat diese Kampfkunst aber vor allem einen Anspruch als Charakter- und Persönlichkeitslehre.
Frei übersetzt meint der Begriff Taekwondo in etwa „Kunst des Fuß- und Handkampfes“, wobei Tae Fuß- und Tritttechniken, Kwon Hand- und Schlagtechniken und Do so viel wie Weg, Lehre oder Methode meinen. Um dies zu erlernen, basiert die Kampfkunst auf einem Zyklus aus unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Einzeldisziplinen. Hierzu gehören Grundtechniken, der Formenlauf (Poomsae), Partnerübungen wie der Einschrittkampf (Ilbo Taeryon), Sparring beziehungsweise der Freikampf (Kyorugi), der Bruchtest (Kyokpa) und schließlich als höchstes Ziel die Selbstverteidigung (Hosinsul). In dieser letzten Teildisziplin vereinen sich nun alle zuvor genannten Aspekte zu einer waffenlosen Selbstverteidigung, die durch geschicktes Ausweichen, das Abfangen eines Angriffes sowie einen präzisen Konter zum schnellen Ausschalten des Angreifers führen soll.
Das sich zyklisch wiederholende, intensive Trainieren dieser verschiedenen Aspekte des Kampfkunstsystems entwickelt beim Sportler, dem beziehungsweise der Taekwondoin, zahlreiche positive körperliche und charakterliche Effekte, die es im Folgenden zu veranschaulichen gilt.
Der Begründer des modernen Taekwondo, der koreanische General Choi, Hong-Hi, formulierte hierzu den sogenannten Eid des Taekwondo, dem jeder Taekwondoin verpflichtet ist:
„Ich verpflichte mich, die Grundsätze des Taekwondo einzuhalten.
Ich verpflichte mich, meinen Trainer und alle Höhergestellten zu achten.
Ich verpflichte mich, Taekwondo nie zu missbrauchen.
Ich verpflichte mich, mich für Freiheit und Gerechtigkeit einzusetzen.
Ich verpflichte mich, bei der Schaffung einer friedlichen Welt mitzuarbeiten.“
Schon dieser Eid verdeutlicht, dass der Anspruch des Taekwondo weit über den sportlichen und verteidigungstechnischen Aspekt hinausgeht. Die wesentlichen Grundsätze beziehungsweise Prinzipien des Taekwondo, nämlich Höflichkeit, Unbezwingbarkeit, Durchhaltevermögen, Selbstdisziplin und Integrität können ein Instrumentarium darstellen, welches in die Persönlichkeit übernommen wird und in allen Lebenslagen eine große Hilfe darstellen kann.
Kapitel 3 – Historischer Hintergrund
Die Bedeutung des Taekwondo ist für sein Heimatland Korea nicht hoch genug einzuschätzen. Historisch gesehen spielte die Kampfkunst in Korea selbst eine prägende Rolle bezüglich der Herausbildung eines gemeinschaftlichen nationalen Bewusstseins, ebenso wie zur Darstellung dieser Identifikation nach außen hin. Dies muss vor allem für die Zeit der frühen 1970er Jahre und auch im Zusammenhang mit der national geförderten Eröffnung des Kukkiwon (sozusagen das Welt-Hauptquartier des Taekwondo, Standort der Welt-Taekwondo-Akademie und die offizielle Taekwondo-Regierungsorganisation Südkoreas) 1972 gelten. In dieser Zeit diente das Taekwondo hier als pädagogisches Instrument zugunsten einer militärisch geprägten, autoritär auftretenden Regierung. So musste annähernd jeder junge Mann mit Taekwondo in Berührung kommen, indem ihm durch seine konkrete Einbeziehung in die militärische Grundausbildung ein wesentlich höherer Stellenwert beigemessen wurde als dies bei einer reinen Freizeitbeschäftigung der Fall gewesen wäre. Dies fand schließlich mit dem Zugriff auf jüngere Teile der Bevölkerung Ergänzung, indem es Einzug in die Lehrpläne der Grund- und Mittelschulen hielt. Somit konnte sich Taekwondo als ein wichtiges Mittel und Instrument zur Begründung eines gesellschaftlichen nationalen Bewusstseins etablieren und sollte darüber hinaus die politische Führung des Landes nach außen hin in ein positives Licht rücken. Sogenannte Demonstrations-Teams wurden in verschiedene Länder weltweit entsandt, um das Image Koreas mittels ihrer eindrucksvollen Vorführungen zu verbessern. Dies wurde in den westlichen Industrieländern durch die Neigung zu einem stark mystifizierenden Verständnis von Kampfkünsten noch verstärkt. Filme aus Fernost in den frühen 1970er Jahren und dann schließlich auch aus Hollywood pflegten gerade dieses Bild und sprachen ihren Helden immer wieder scheinbar übermenschliche Fähigkeiten zu. Auch diese bei den Zuschauern sehr beliebten Entwicklungen in der Filmindustrie verhalfen dem Taekwondo zu einer großen Popularität, zunächst in den USA und dann etwas verzögert auch in Europa. Dass dies auch zu einer immer stärker werdenden Kommerzialisierung führte, welche sicherlich sehr kritisch zu hinterfragen ist, erscheint folgerichtig.
Somit entwickelte sich Taekwondo im wahrsten Sinne des Wortes auch zu einer Art Exportschlager und machte Korea seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der ganzen Welt bekannt, indem man gezielt Trainer in die Welt schickte. So wurde beispielsweise Kwon, Jae-Hwa, 1965 als Cheftrainer für Europa und Deutschland eingesetzt, der dann den Grundstein für das Taekwondo in diesem Bereich legte. Schließlich dauerte es bis zur Gründung der DTU einige Jahre, bis 1981.
Wurde Taekwondo in Korea zumindest subjektiv schon lange als Nationalsport empfunden, so wurde es tatsächlich am 30. März 2018 als solcher per Gesetz durch die koreanische General Assembly, die Nationalversammlung der Republik Korea, bestimmt und in der Verfassung verankert.
Zu diesem Zeitpunkt blickte das Taekwondo aber schon auf eine lange Geschichte und Entwicklung zurück. So lassen sich die Anfänge des Taekwondo bis in die Koguryu-Dynastie zurückverfolgen, die im Jahr 37 vor Christus im Norden Koreas gegründet wurde. Es handelte sich hierbei um eine kriegerische Nation, von angriffslustigen Königen regiert, die eine expansive Politik verfolgten, viele Gebiete bis in den Süden eroberten und auch die seinerzeit dort ansässigen Chinesen endgültig vertrieben. Vor diesem Hintergrund entstand eine einfache Form des Taekkyon, ein alter Name für Taekwondo. Als Beleg finden sich in Königsgräbern dieser Dynastie immer wieder Motive des Taekwondo. Ein aussagekräftiges Beispiel findet sich in Kyonju, der alten Hauptstadt des zeitlich parallel bestehenden Königreiches Silla. Hier befinden sich zwei buddhistische Steinskulpturen, die einen Schrein bewachen. Sie stellen eine noch heute gebräuchliche Abwehrhaltung, den Kumgang-Makki, dar.
In den folgenden Jahrhunderten war es vor allem die räumliche Nähe zu den Nachbarn Japan und China, die einerseits zu einem regen kulturellen und wirtschaftlichen Austausch, andererseits aber auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen führte, da diese Nähe immer wieder die Ursache für territoriale Begehrlichkeiten und Auseinandersetzungen war. Letzteres muss vor allem für die Beziehung Koreas zu Japan gelten, wobei natürlich in besonderem Maße die letzte kriegerische Auseinandersetzung, die Phase der japanischen Besatzung zwischen 1910 und dem Ende des 2. Weltkrieges, tiefe Spuren hinterlassen hat.
In diesem historischen Kontext entwickelte sich das Taekwondo stets weiter und wurde zu einem effektiven Selbstverteidigungssystem. Mit dem Ende der japanischen Besatzung besann man sich in Korea wieder verstärkt auf das eigene Kulturgut. In diesem Zusammenhang kam schließlich 1954 ein Gremium aus Kampfkunstmeistern, Politikern und Historikern zusammen, um verschiedene Kampfstile unter dem Namen Taekwondo zu vereinen. Als Oberhaupt dessen wurde General Choi, Hong-Hi, ernannt, der folglich heute als der Vater des Taekwondo, wie es heute derzeit wird, gilt. 1973 wurde die World Taekwondo Federation (WT) als Dachverband aller Taekwondo Betreibenden gegründet. In der Folgezeit wurde Taekwondo einer immer größer werdenden Personengruppe bekannt. Hierzu haben sicherlich diverse von der WT ins Leben gerufene