„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher
„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“
aber auch die Städte wie beschrieben zuvor die tragenden Rollen spielten, waren Konflikte vorprogrammiert. Unvermeidbar.
Alle Beteiligten an diesem Spiel um Einfluss und Macht versuchten, sich so gut wie möglich zu positionieren. Dazu bedienten sie sich, in heutiger Diktion, ihrer think tanks. Leiter des wichtigsten Think Tank (desjenigen, der die Reformation im Sinne der Landesfürsten betrieb) war Luther, insofern und insoweit mehr homo politicus quam religionis.
Die Städte hatten andere Vordenker, namentlich Zwingli und Calvin (s. zuvor). Und die Städte hatten andere Interessen. Als die Landesherren. Und Luther als deren Herold. Sie, die Städte, spielten eine wichtige Rolle bei der Um- und Durchsetzung der Reformation. Auch wenn erst die jüngere Forschung diese ihre Bedeutung erkannte:
So wurde die Reformation ab 1520 auch in den Städten (namentlich in denen Süd-, Südwest- und Mitteldeutschlands) zu einer Massenbewegung; mit einer Verzögerung von (reichlich) einem Jahrzehnt folgten die norddeutschen Städte.
In den Städten, die selbst über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden konnten, war es meist der soziale und politische Druck „von unten“, der die Reformation beförderte; oft gaben die Stadt-Oberen diesem nach, um Unruhen zu vermeiden und ihre eigene Herrschaft nicht zu gefährden.
„Nicht zu vergessen ist, daß die Reformation in den Städten ihren ursprünglichen Impuls von Luther bekommen hatte. Seit 1524 jedoch kam es zu einem Ringen zwischen lutherischem und zwinglianischem Einfluß. Hier ging es nicht nur um das Abendmahlverständnis. Es ging um mehr … Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 meldete sich auch die Gruppe zu Wort, die sich zwischen Luther und Zwingli stellte: die oberdeutschen Städte. Sie reichten ihr ´Confessio Tetrapolitana´ ein.
Nach Luthers Tod gerieten die deutschen Städte des Westens mehr und mehr unter den Einfluß Calvins. Nürnberg bildete eine Ausnahme. Die Nürnberger sind nie dem Schmalkaldischen Bund beigetreten.“
Vermittler der Reformation waren Prädikanten ([Hilfs-]Prediger) und Theologen, Stadtschreiber und Schulmeister, Ratsherren und Bürgermeister. („Faber nennt seine lutherischen Mitprädikanten: ´Mammonsknechte, grobe Simonisten [Simonie: Kauf/Verkauf von – geistlichen – Ämtern], … Bier-Amseln, Esel, gottlose Schelmen, Sodomiten …´ ´Jetzt darf Mancher wohl eine ganze Nacht sitzen und saufen bis am Morgen; dann tritt er auf die Kanzel und predigt und ist voll – nicht des heiligen Geistes, wohl aber des süßen Weines und plaudert daher, was ihm einfällt. Mancher ist so voll, wenn er taufen soll, daß er das Kindlein nicht halten kann und allerlei Aegerniß anrichtet´ … Die sogenannte lutherische Geistlichkeit ist also durch Luther´s Evangelium um kein Haar besser geworden, sondern böser und ärger in allen Stücken. Wir wollen dabei nicht in Abrede stellen, dass auch die katholische Kirche schlechte Priester habe, ja daß gerade damals das Verderben in der Kirche hinsichtlich der Disciplin groß war, aber das war eben zu jener Zeit, wo eine Reformation in Haupt und Gliedern notwendig war, also zur Zeit des Verderbens; Luther aber und die Prädikanten rühmten sich, diese Reformation durchgesetzt zu haben, in Haupt und Gliedern, sie behaupten die Gräuel des Pabstthums, sein Unwesen, seinen Wuchergeist, seine Aergernisse entfernt zu haben; allein die Sitten wurden schlechter, statt besser, aus der Reformation wurde eine Deformation.“)
An den Namen der Vermittler lässt sich erkennen, dass viele zwischen Luther und Zwingli hin und her wanderten; in diesem Zusammenhang zu nennen ist beispielsweise Martin Bucer, der Reformator Straßburgs. Etliche dieser Pendler, beispielsweise Andreas Osiander („Niemals, Martinus, werde ich dem zustimmen, was Du über die Juden gesagt und geschrieben hast“) sind indes mehr und eher Humanisten als Lutheraner; dies verband sie mit Zwingli, nicht mit Luther.
Martin Luther selbst „… steckte mit seiner Zwei-Reiche-Lehre … den Rahmen für Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden und andere religiöse Minderheiten ab. Und so fordert Luther neben der Verfolgung und teilweisen Hinrichtung der Juden die Hinrichtung von Andersgläubigen, von so genannten ´Wucherern´, von Prostituierten, von als Hexen verleumdeten Frauen, von Predigern ohne amtskirchlichen Auftrag, und er droht Bürgern den Tod an, die diese nicht denunzieren. Im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre erklärt Luther auch, dass der Christ dem Staat als Henker dienen kann. Und genau so ist es im Dritten Reich vielfach gewesen. Das evangelische Personal in den KZs bzw. den Vernichtungslagern hat sich z. B. damit gerechtfertigt, sich den Opfern gegenüber nicht bösartig verhalten zu haben. Und das führt schließlich zu der Frage: Ist ein evangelischer Henker vielleicht höflicher und zuvorkommender mit den Opfern als ein Henker, der keiner der beiden Großkirchen angehört? Wie weit darf ein evangelischer Judenverfolger gehen? Ist er im Unterschied zu nichtkirchlichen Antisemiten nur ´frei von Hassgefühlen und Racheinstinkten´, wie es der Theologe und Sektenbeauftragte Walter Künneth 1934 in seinem Gutachten über die ´Ausschaltung der Juden´ formuliert? Und was hat das Opfer davon, wenn es ohne statt mit Hass verfolgt und ermordet wird?“
Insofern war die Reformation nichts anderes als ein gigantischer Kampf der Systeme an der Schwelle zu einer neuen Zeit, als Auseinandersetzung um Macht und Herrschaft, verbrämt als religiöser Richtungsstreit, als alter Wein in neuen Schläuchen. Insofern leben wir, seit Tausenden von Jahren, in einem System von Tarnen und Täuschen. Luther war ein Meister ersteren wie letzteren. Insofern ein treuer Diener seiner Herren. Deren Nachfolger uns immer noch Luthers Lehren als Religion verkaufen. Nicht als Herrschaftsideologie. Was sie tatsächlich waren. Und sind.
Würde meine Frau noch leben, erlaubte ich mir, wie folgt anzumerken und zu ergänzen: 500 Jahre später hat sich an diesem System des Tarnens und Täuschens nichts geändert. Auch wenn die Protagonisten des Gesellschafts-Spiels: „Wie besch… ich das Volk“ heutzutage ein Virologe ohne rechtmäßigen Doktor- und Professorentitel und namens Drosten, ein Viehdoktor namens Wieler und ein Bankkaufmann namens Spahn sind. Die sich anmaßen, fach-“kompetent“ über Gesundheit resp. Krankheit zu entscheiden – es möge das Volk, hoffentlich in Bälde, über ihren Geisteszustand entscheiden und darüber, ob sie den Rest ihres Lebens im Gefängnis oder in der Klapse verbringen werden.
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