Das Schweigen der Kühe. Christian Macharski

Das Schweigen der Kühe - Christian Macharski


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Brust. Er runzelte kurz die Stirn und sagte dann ohne aufzusehen: „Was der Herr Hastenrath meint, ist, dass wir zunächst ein Profil erstel ...“

      „Ich meine genau das, was ich gesagt habe“, herrschte Will den Lehrer an. Und zwar so vehement, dass Haselheim fast vor Schreck mit seinem Stuhl hintenübergekippt wäre. Eingeschüchtert setzte er sich auf und machte eine beschwichtigende Geste in Richtung Will.

      „Noch Fragen?“ Wills Augen funkelten zornig. Niemand hatte in diesem Moment eine Frage.

      „Gut“, hob er nach wenigen Sekunden wieder an, „dann können wir ja jetzt zum nächsten Tagesordnungspunkt über gehen.“ Will ließ seinen Blick durch den Saal schweifen, von einem zum anderen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm jeder der Anwesenden wieder die volle Aufmerksamkeit schenkte, drückte er seinen Rücken durch und begann in einem nunmehr bedächtigen Tonfall: „In Zeiten wie diesen, meine sehr verehrten ...“

      In diesem Augenblick öffnete sich ächzend die Falttür. Maurice zwängte sich mühsam hindurch. Auf jeder Hand balancierte er ein Tablett, randvoll mit Getränken. Heribert Oellers sprang auf, um ihm durch die Tür zu helfen. Er nahm ihm ein Tablett aus der Hand und rief freudig in die Runde: „Nachschub!“ Unter frenetischen „Morris, Morris“-Rufen ging der junge Kellner daran, die Bier- und Schnapsgläser zu verteilen.

      Hastenraths Will trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, um sich zu beruhigen. Mit versteinerter Miene wartete er ab, bis die erneute Unruhe sich halbwegs gelegt hatte. Dann schlug er noch einmal schwach mit dem Hammer auf den Block und setzte müde an: „In Zeiten ... ähm ... wie diesen, meine sehr verehrten ...“ Plötzlich sah er aus dem Augenwinkel, wie sich der 17-jährige Schüler, den die Tageszeitung geschickt hatte, umständlich erhob, seine Jacke von der Stuhllehne nahm und hastig die Cola light hinunterstürzte. Will unterbrach seine Ansprache und wandte sich direkt an den Schreiber: „Wo soll’s denn hingehen, junger Mann?“ Vielleicht klang er zu vor wurfs voll, aber das war ihm mittlerweile egal.

      Der Schüler errötete leicht und antwortete mit dünner Stimme: „Tut mir leid, ich muss noch nach Waurichen, die Übergabe eines vergrößerten Schecks fotografieren. Da hat der Frauenkegelverein einen ...“

      „Mich interessiert nicht, was die Waurichener Kegelfrauen machen“, polterte Will unvermittelt los, „ich sage dir eins, mein Junge. Du bekommst jetzt von unser Pressewart Richard Borowka hier neben mir die Pressemappe mit den Themas vom heutigen Abend. Und achte dadrauf, dass alle Namen richtig geschrieben sind. Falls nicht, werden alle Vorstandsmitglieder und denen ihre Angehörige mit sofortiger Wirkung ihr Zeitungsabo kündigen. Ist das klar?“

      Der Junge nickte verschüchtert. Dann trat Stille ein. Will war irritiert. Er sah über seine rechte Schulter und bemerkte, dass Richard Borowka leise schnarchte. Richards Kopf war mittlerweile leicht zur Seite gekippt und ein dünner Speichel faden hing an seinem Mundwinkel. Will rammte seinem Presse wart wütend den Ellenbogen gegen die Schulter.

      Borowka schreckte hoch: „Was? Wie? Nein, Rita, ich hab die Frau nicht angeguckt.“ Einige im Saal lachten. Will funkelte sie wütend an. Auf der Stelle verstummten sie.

      In der Zwischenzeit hatte Borowka sich wieder einiger maßen gesammelt. Schuldbewusst sah er zu Will auf: „Tschul digung, Will. Ich muss wohl ein kurzer Sekundenschlaf gehabt haben. Was muss ich tun?“

      Will atmete einmal tief durch und sagte dann: „Hier, gib der Jung von der Zeitung die Pressemappe.“

      Borowka erhob sich, nahm eine Mappe von dem Stapel, der auf einem Beistelltisch lag, ging zu dem jungen Mann von der Zeitung und überreichte sie ihm mit den Worten: „Hier, Jung. Und achte dadrauf, dass alle Namen richtig geschrieben sind. Falls nicht, werden alle Vorstandsmitglieder und denen ihre Angehörige mit sofortiger Wirkung ihr Zeitungsabo kün digen. Ist das klar?“

      Will schüttelte resignierend den Kopf. Dann sah er, wie Maurice, der längst mit dem Verteilen der Getränke fertig war, am anderen Ende des Raumes schüchtern die Hand hob, so als würde er in der Schule aufzeigen. Will erteilte ihm kraftlos mit einer kurzen Handbewegung das Wort: „Was ist los, Morris?“

      Der Kellner zückte seinen Block. „Ich wollte nur noch eben schnell die Essensbestellung aufnehmen. Wie immer? Zehn mal Jägerschnitzel, achtmal Zigeunerschnitzel und ein kleiner Salat?“ Maurice quittierte das zustimmende Gemurmel mit einem Kopfnicken und beeilte sich, den Saal wieder zu verlassen. Will ergriff seinen Hammer.

      In diesem Augenblick erhob sich Peter Haselheim erneut. Er warf dem Ortsvorsteher einen freundlichen Blick zu. „Ganz kurz nur, Herr Hastenrath. Aus aktuellem Anlass würde ich gerne einen neuen Tagesordnungspunkt zur Diskussion stellen. Und zwar bean trage ich, dass hier in der Gaststätte Harry Aretz das ,Zigeunerschnitzel‘ umbenannt wird in ,Scharfes Schnitzel‘. Aus Respekt vor den Sinti und Roma.“

      Während sich alle fragend ansahen, umklammerte Will seinen Richterhammer so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Und wäre der Hammer nicht aus massiver Mooreiche gewesen, hätte er ihn in diesem Augenblick durchgebrochen.

       7

      Samstag, 10. Mai, 20.53 Uhr

      Drei Tage waren seit der Dorfversammlung vergangen. Die Angst vor der Bedrohung durch den unheimlichen Serien einbrecher war mittlerweile ein wenig der Vorfreude gewichen, die das Pfarrfest auslöste, das am nächsten Tag stattfinden würde. In unermüdlicher, ehrenamtlicher Arbeit hatten sämtliche wichtigen Institutionen des Dorfes, von der Freiwilligen Feuerwehr über den Karnevalsverein bis hin zu den katholischen Strickfrauen, ihren Beitrag geleistet zu dem Fest, das alljährlich zu den Höhepunkten des Dorflebens zählte. Die Vorbereitungen waren erfolgreich verlaufen, jetzt musste nur noch das Wetter mitspielen. Aber auch in dieser Hinsicht verhieß die angenehm frische Brise des Vorabends nur Gutes.

      Die Sonne versank sanft hinter den Baumwipfeln und tauchte die leicht verwitterte Parkbank, die auf einer Anhöhe am Waldrand stand, in ein warmes Licht. Von hier hat man einen wunderschönen Blick auf Saffelen, dachte er. Er saß nun schon fast eine Stunde hier und genoss die friedlich hereinbrechende Dämmerung. Die Nacht war sein Zuhause, da fühlte er sich am wohlsten. Bedächtig legte er die Zeitung zur Seite und atmete in tiefen Zügen die frische Mailuft ein. Er war sich noch nicht sicher, ob ihm das gefiel, was er da eben gelesen hatte. Pluto – was für ein seltsamer Name. Hieß nicht auch der unterbelichtete Hund von Micky Maus so? Ärger stieg in ihm auf. Er musste sich beruhigen, denn er wusste, dass er seine Gefühle manchmal nicht gut unter Kontrolle hatte. Dabei war es gerade jetzt so wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Zu viel stand auf dem Spiel. Er sah auf die Uhr. Es wurde Zeit.

      Der Mann, dem man den Namen Pluto gegeben hatte, erhob sich von der Parkbank und ging den steinigen Waldweg hinunter ins Dorf, um sein Werk zu vollenden.

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