Christmas Bloody Christmas 2. Thomas Williams

Christmas Bloody Christmas 2 - Thomas Williams


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sie mich mit einem schrillen Kreischen an der Jacke und hätte mit ihrer Aktion fast Erfolg gehabt, wenn ihr meine Mutter nicht plötzlich den Ellenbogen ins Gesicht gerammt hätte. Mom kam wie aus dem Nichts, schlug der Frau die Handkante gegen den Kehlkopf, als die Fremde noch ihre blutende Nase hielt, und verschwand mit ihr im Getümmel. Ich hatte keine Zeit, mir Sorgen um sie zu machen, denn irgendwie wusste ich, dass mein Vater mich trotz all dem Chaos im Auge behielt.

      In einem der Geschäfte zerbrach Glas, woanders schrie jemand gellend auf und dann stürzte ein Mann aus dem oberen Stockwerk ins Untergeschoss.

      »Er hat eine Axt! Eine Axt!«, rief wer. Ich drängelte mich weiter, schlug und trat zu, schubste Menschen beiseite und gab mir redlich Mühe, diesen Irrsinn zu ignorieren.

      Da war ein Buchladen, in dem ein Mann eine Frau würgte und mit ihr auf einen Tisch mit dem neusten Werk von Dan Brown fiel. Während die Frau um ihr Leben kämpfte, rissen andere Menschen heruntergefallene Bücher an sich, um damit zur Kasse zu rennen. Aus reiner Neugier zog es mich in den Laden. Die Kunden an den Kassen standen auf roten, etwa fünf Meter langen Flächen, dort durften sie nicht angegriffen werden. Die Kassierer bedienten sie in aller Seelenruhe und mit einem freundlichen Lächeln. Wer es nicht auf die Fläche schaffte, musste befürchten, angegriffen zu werden, weil er oder sie vielleicht das letzte Exemplar eines Harry-Potter-Buches hatte.

      Ich lief weiter. Auf der anderen Seite der Ladenstraße lagen bereits zwei tote Männer vor einem Sockengeschäft. Dort drinnen war die Hölle los, denn die Safe-Zone vor der Kasse reichte nur für zwei Leute und die etwa vierzig anderen prügelten aufeinander ein, weil es Farben und Größen nur in begrenzter Stückzahl gab.

      Dank der vielen Bekleidungsgeschäfte verteilte sich das Chaos etwas. Ich hielt weiterhin nach dem Schmuckladen Ausschau und versuchte, möglichst unauffällig zu bleiben, während andere ganz offen die Konfrontation suchten. Wie mein Vater und dessen Freunde pickten diverse Gruppen ihre Opfer aus der Menge, um sie gemeinsam fertigzumachen. Vor diesen musste man sich besonders in Acht nehmen, denn sie würden erst kurz vor Ladenschluss nach Geschenken suchen und nur das mitnehmen, was sie noch kriegen konnten. Weihnachten selbst hatte keine Bedeutung für sie, ihre Liebsten glücklich zu machen, interessierte sie nicht. Diese Leute kamen nur zum Brawl, um andere zu verletzen oder Schlimmeres.

      Eine Gruppe Frauen trat auf einen am Boden liegenden Mann ein, während vier weitere ihre Sneakers gegen High Heels tauschten, um dann mit diesen auf dem Gesicht des armen Kerls herumtrampelten. Ich wartete nicht, bis er aufhörte, sich zu bewegen, sondern lief geduckt weiter.

      Es konnte gut sein, dass der Schmuckladen schon hinter mir lag. Vielleicht war er auch irgendwo über oder unter mir. Es gab keine Hinweistafeln und so musste ich mich allein zurechtfinden.

      Doch weil in fast jedem Geschäft nur Kleidung verkauft wurde, überlegte ich, Claudia etwas zum Anziehen zu schenken. Wenn da nicht mein Vater gewesen wäre, hätte ich es wohl getan. Aber ich konnte ihn nicht enttäuschen, das würde er mir ewig vorhalten, schließlich war die Halskette seine Idee gewesen.

      So zog ich weiter, umging miteinander kämpfende Menschen und musste nur selten austeilen oder einstecken. Es gab einen kleinen Laden für Küchenutensilien, durch dessen Schaufenster ich meinen Vater sehen konnte, wie er mit einem Toaster auf den Schädel eines Fremden einschlug. Seine Freunde standen im Halbkreis drum herum und feuerten ihn an. Bevor mich jemand von ihnen sehen konnte, ging ich zum nächsten Geschäft und fand Regale mit Schuhkartons. Bei vielen war der Inhalt auf dem Boden verteilt und Menschen kämpften in den umherliegenden Schuhpaaren auf Leben und Tod miteinander.

      »Suchst du was Bestimmtes?«, fragte plötzlich jemand und mir lief es kalt den Rücken herunter, denn auch darauf hatte mein Vater mich vorbereitet. Eine Gruppe Mädchen, etwas älter als ich, trat auf mich zu. Sie hatten bunt gefärbte Haare, Piercings und trugen dreckige Klamotten. Eine von ihnen drehte gerade die Lautstärke an ihrer Boombox lauter, eine Heavy-Metal-Version von Santa Claus is coming to Town wummerte durch den Gang. Ich dachte an die Worte meines Vaters: »Wenn dir jemand seine Hilfe anbietet, dann lauf! Das sind Aasgeier, die haben dich als ihr persönliches Opfer auserwählt. Sie werden dich jagen und töten aber nicht schnell, sondern langsam. Einer meiner Kollegen ist ihnen vor ein paar Jahren zum Opfer gefallen. Sie haben ihn wie ein Schwein über einem Feuer gebraten.«

      Ein Mädchen mit grünem Irokesenschnitt trat auf mich zu. Von dem Ring in ihrem linken Nasenflügel führten mehrere dünne Ketten zu ihrem Ohr.

      »Suchst du etwas Bestimmtes? Wir können dich beraten. Sag uns einfach, was du brauchst«, bot sie an, was laut meinem Vater die typische Masche war. Freundlichkeit vermitteln und das Opfer darauf reinfallen lassen. Sie wollten, dass man sich bei ihnen sicher fühlte und sie einen zum passenden Geschenk führten.

      »Erinnerst du dich an Misses Carlson von gegenüber?«, hörte ich meinen Vater fragen, als die Mädchen bereits einen Halbkreis um mich gebildet hatten. »Sie ist nicht umgezogen, wie wir es dir gesagt haben, aber du warst damals noch zu jung für die Wahrheit. Die Aasgeier haben sie gepackt. Einer von ihnen hat aus ihrer Haut einen Mantel gemacht und ihn seiner Freundin geschenkt. Verstehst du jetzt, was das für Menschen sind? Meine Jungs und ich gehen zum Brawl, um mal etwas Dampf abzulassen. Die Aasgeier hingegen wollen töten.«

      Mir fiel auf, dass sich trotz des herrschenden Chaos plötzlich alle anderen von uns fernhielten, als wüsste jeder, mit welcher Gruppe ich es zu tun hatte.

      »Sag uns einfach, was du brauchst«, säuselte jetzt ein Mädchen mit knallroten Haaren und kam näher, »wir haben bestimmt etwas, das dir gefällt.«

      Zwischen ihr und einem anderen Mädchen sah ich eine Lücke. Zwar bemerkte sie es, aber ich war schneller. Mit großen Schritten huschte ich an ihnen vorbei und hörte eine rufen:

      »Fasst ihn!«

      Panisch stürmte ich den Gang entlang, überlegte, auf einer der Rolltreppen nach oben zu rennen, aber die waren vollkommen überfüllt. Und selbst dort versuchten die Menschen, sich gegenseitig umzubringen, während sie rauf- oder runtergefahren wurden. Ich erinnerte mich an die Safe-Zonen, konnte aber keine entdecken, also musste ich weiterlaufen.

      Niemand hielt mich auf, als hätten alle Angst, den Aasgeiern die Beute zu klauen und ihnen dann selber zum Opfer fallen zu können. Ich übersprang eine am Boden liegende Frau und flüchtete in ein Geschäft, um mich dort zu verstecken. Die Safe-Zonen vor den Kassen wären von zu kurzer Dauer gewesen und waren ohnehin überfüllt. Es handelte sich um einen Laden für Elektrogeräte. Ich rannte an Fernsehern, Kühlschränken und Computern vorbei, als ein Mann mir aufgeregt zwei Filme hinhielt.

      »Schnell, Junge, ich hab es eilig. Welcher davon ist der Spiderman mit Tom Holland?«

      Anstatt zu antworten, hielt ich nach meinen Verfolgerinnen Ausschau und sah zwei von ihnen im Eingang stehen. Ihre Blicke waren auf mich gerichtet, was bedeutete, dass die anderen auf dem Weg zu mir waren und diese zwei den einzigen Fluchtweg versperrten.

      »Hey, ich hab dir eine Frage gestellt«, drängte der Mann und packte mich am Arm.

      Bevor ich begriff, fielen drei Mädchen über ihn her.

      »Der gehört uns!«, schrie eine von ihnen, während sie gemeinsam mit Klappmessern auf ihn einstachen.

      Ich wollte die Chance nutzen und loslaufen, als sich das Licht rot färbte und alle Menschen wie versteinert stehen blieben. Niemand kämpfte mehr oder suchte nach einem Geschenk. Musik lief nur noch außerhalb des Geschäfts, wo auch der Betrieb ganz normal weiterlief.

      Dann sah ich Bewegungen zwischen den Regalen. Aber es handelte sich nicht um Kunden. Vier Angestellte in weißen Hemden und blauen Westen, wie sie in jedem Geschäft anzutreffen waren, kamen lächelnd, lautlos und sehr eilig in unsere Richtung.

      »Weg hier!«, zischte eines der Mädchen und rannte Richtung Ausgang. Die anderen beiden folgten ihr, genauso wie die Verkäufer. Das Licht wechselte wieder von Rot zu Weiß. Wie vorher lief Musik und die Menschen machten weiter, als wäre nichts gewesen.

      Erst dann wurde mir bewusst, dass die Mädchen gegen eine der Regeln verstoßen und Waffen mitgebracht hatten. Erleichtert über ihr Verschwinden


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