Mit Killern darf man nicht handeln: 7 Strand Krimis. Conrad Shepherd
„Genau! Dessen Leute machen sich hier überall breit. Aber das Gebiet, in dem der Werbe-Fuzzi umgekommen ist, gehört immer noch den Dealern aus Polen.”
„Die Kerimov-Leute trauen sich was”, meinte Kömmings. „Die tauchen in Gegenden auf, in denen sie absolut nichts zu suchen haben und machen einem das Leben schwer, indem sie den Stoff so billig anbieten, dass man es kaum glauben kann, dass das wahr ist! Oder sie machen sowas wie die Sache mit dem Werbe-Fuzzi. Ich habe gehört, dass der Frau und Kinder hatte…”
Kömmings Mitleid mit Nöllemeyers Angehörigen wirkte irgendwie nicht sehr überzeugend. Ich war mir im Übrigen immer noch nicht sicher, ob sich dieser Dealer einfach nur interessant machen und mit ein paar windigen Gerüchten ein paar Vorteile für seinen eigenen Prozess herausholen wollte, oder ob da noch irgendetwas kam, was uns wirklich weitergebracht hätte.
„Woher wissen Sie, dass Ferdinand Chovsky den Stoff an Nöllemeyer verkauft hat?”, fragte ich. „Sie haben wohl nicht daneben gestanden, nehme ich an.”
„Er hat es mir erzählt. Wir haben früher für dieselben Leute gearbeitet und Ferdinand ist dann ausgestiegen. Er wollte mich auch abwerben, weil er bei dem Mann aus Hamburg viel mehr vom Erlös behalten könnte. Es klang fantastisch, aber ich glaube jetzt hat Ferdinand ziemlich starke Kopfschmerzen deswegen.”
„Und wieso?”
„Na, er wusste doch nicht, was er dem Werbetypen da verkauft und dass der im nächsten Moment daran stirbt! Er hat Stoff gekriegt und ihn vertickt, nehme ich an! Aber Ferdinand ist kein Killer!”
„Wo finden wir Ferdinand Chovsky?”
„Kann ich Ihnen sagen”, meinte Kömmings. Er wandte sich an Melanie Schmidt. „Hängt jetzt ein bisschen von Ihnen ab”, sagte er dann und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Je nachdem, wie Sie meinem superharten Verteidiger entgegen kommen, Sie verstehen, was ich meine?”
12
Wenig später saßen wir wieder im Wagen und waren unterwegs zur Albrecht Meyer Straße. Nach Angaben von Kömmings wohnte dort eine gewisse Annalisa Melgent. Und dort wohnte Ferdinand Chovsky offenbar seit einiger Zeit.
Die Adresse, unter er er offiziell gemeldet war und die er auch bis zum Ablauf seiner letzten Bewährung angegeben hatte, wurde nach Kömmings’ Angaben kaum von Chovsky benutzt. Er traute wohl einfach den Polizisten nicht und wollte nicht so schnell auffindbar sein, falls er wegen irgendetwas in Verdacht geriet.
Maik Ladberger fuhr uns mit seinem Dienstwagen voraus. Und außerdem war natürlich Verstärkung angefordert worden, die so schnell es irgend möglich war, zur Adresse von Annalisa Melgent fahren und das Gebäude abriegeln sollte.
Schließlich nahm niemand von uns an, dass Chovsky sich so einfach festnehmen ließ. „Das Dossier über Chovsky ist ziemlich umfangreich”, sagte Rudi, der das Laptop während der Fahrt auf den Knien hatte. „Abgesehen von Drogendelikten gibt es da auch noch Verstöße gegen die Waffengesetze, Angriff auf Polizisten, Körperverletzung und so weiter und so fort.”
„Sicherheitshalber also besser die Kevlar-Weste anlegen”, meinte ich.
„Das sowieso.”
Die Adresse, die Kömmings uns gegeben hatte, gehörte zu einem Wohnblock in einer Seitenstraße. Es herrschte akuter Parkplatzmangel. Uns blieb nichts anderes übrig, als die letzten fünf Minuten zu Fuß zu laufen Die Kevlar-Weste trugen wir unter der Kleidung, und wir verbargen unsere Ausrüstung so gut es ging, um nicht übermäßig aufzufallen.
Maik Ladberger hatte in der Nähe geparkt.
„Die Verstärkung braucht noch ein bisschen”, sagte er. „Sie haben ja gesehen, was momentan auf den Straßen in dieser Stadt los ist, seit bei der Stadtverwaltung der Bauwahn ausgebrochen ist.”
Ich deutete zu dem Gebäude hinüber.
„Mein Gefühl sagt mir, dass wir da schonmal hereingehen und nicht auf die anderen warten sollten”, sagte ich.
„Ich habe gehört, es ist noch nicht allzu lange her, da sind Sie noch Kriminalhauptkommissar im Außendienst gewesen”, meinte Ladberger.
„Woher haben Sie das denn gehört?”
„Ich habe gute Ohren. Und was so die Runde macht, schnappe ich auf. Aber anscheinend scheinen Sie sich noch nicht so hundertprozentig daran gewöhnt zu haben, dass solche Sachen wie diese hier eigentlich von denen erledigt werden, die darauf spezialisiert sind.”
„Das sind wir auch”, sagte ich. „Oder bist du anderer Meinung, Rudi?”
„Ich habe nicht widersprochen”, stellte Rudi klar.
Maik Ladberger grinste. „Mir gefallen Leute, die anpacken”, meinte er.
Eine Sensation!, dachte ich. Es war das erste Mal, seit Rudi und ich diesem Kerl begegnet waren, dass ich den Eindruck hatte, dass ihm überhaupt irgendetwas gefiel. Ich hielt das für ein ermutigendes Zeichen. Und Rudi konnte ich ansehen, dass er genauso darüber dachte.
„Du hast recht, Harry: Greifen wir ihn uns - wenn wir unter diesen Bedingungen auf unsere Kavallerie warten, wird das jemanden wie Chovsky nur alarmieren und die ganze Situation verkomplizieren”, sagte Rudi. Und damit fasste er die Situation ziemlich gut zusammen. Die Wohnung, in der sich Chovsky jetzt befand, lag im siebten Stock. Von dort aus hatte man eine freie Sicht auf jeden, der sich dem Haus näherte. Und bei jemandem wie Chovsky war zu vermuten, dass er darauf achtete, was sich in der Umgebung so tat. Leute wie er hatten dafür meistens einen sechsten Sinn.
Wir gingen zu dem Gebäude. Besondere Sicherheitsvorkehrungen gab es hier nicht. Keine Kameras und auch kein privater Sicherheitsdienst.
Um keine Zeit zu verlieren nahmen wir den Aufzug.
Wenige Minuten später standen wir vor der Wohnungstür von Annalisa Melgent.
Hinter der Tür war eine Männerstimme zu hören.
Wir zogen die Dienstwaffen. Rudi trat die Tür ein. Mit einem Ruck flog sie zur Seite. Ich hielt die Waffe mit beiden Händen und stürmte in das Apartment. „BKA! Keine Bewegung!”, rief ich. Rudi und Ladberger waren mir auf den Fersen.
Im Wohnzimmer befanden sich ein Mann und eine Frau. Ferdinand Chovsky war von den Dossiers-Fotos gut zu erkennen. Die Frau musste Annalisa Melgent sein. Auch über sie gab es ein Dossier. Während der Fahrt hatte Rudi einen Blick hineingeworfen. Da standen mehrere Anklagen wegen Zwangsprostitution zu Buche und außerdem Drogenbesitz. Ich hatte das dazugehörige Foto nur flüchtig gesehen. Sie hatte sich seitdem stark verändert. Haarfarbe, Haarlänge und offenbar hatte sie sich auch die Lippe aufspritzen lassen. Chovsky hielt in der Rechten eine Reisetasche, die er jetzt fallenließ.
Offenbar kamen wir genau im richtigen Moment. Er schien vorgehabt zu haben, sich davonzumachen.
Die Linke steckte unter seiner Jacke. Er zögerte einen Moment zu lange. Die Hand umfasste einen Pistolengriff. Er riss die Waffe heraus und erstarrte dann mitten in der Bewegung.
Außer meiner Waffe waren auch die Pistolen von Rudi und Ladberger auf ihn gerichtet. Er hatte keine Chance. Einen kurzen Moment schien er trotzdem zu überlegen, ehe er dann die Waffe fallen ließ.
Rudi legte ihm Handschellen an. „Sie haben das Recht zu schweigen, Herr Chovsky”, sagte er. „Aber falls Sie von diesem Recht keinen Gebrauch machen, kann und wird alles, was Sie von nun an sagen vor Gericht gegen Sie verwendet werden.”
„Ich habe niemandem etwas getan”, behauptete Chovsky.
Rudi drückte ihn in einen der Sessel hinein. Dann nahm er die Waffe vom Boden auf. Ladberger wandte sich unterdessen der Reisetasche zu. Er hob sie auf, öffnete sie. Ganz oben lagen zwei Flugtickets. „Sie wollten nach Rio?”, fragte Maik Ladberger. „Für jemanden, der sich nichts zu schulden hat kommen lassen, ist das aber eine ziemlich plötzliche Abreise,