Das Entwirren. Rebekah Lewis

Das Entwirren - Rebekah Lewis


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Wir werden das kaufen und gehen.« Sie legte rasch einen Arm um ihre zitternde Schwester und führte Cadence zur Kasse.

      Als sie im Auto waren, stieß sie die Einkaufstasche, die das Buch enthielt, in den Schoß ihrer Schwester. »Was ist denn los mit dir?«

      Cadence rieb sich ihre Augen, die rot von zuvor vergossenen Tränen waren, und stellte die Tasche neben ihren Füßen ab. »Es muss irgendwo eine Antwort geben. Das muss es. Kaninchenbau, Spiegelglas, verschwindende Insel: Das sind die anderen Wege hinein. Ich muss eines dieser Dinge finden. Aber wo? Wo sind sie verortet?« Sie zog an strähnigen braunen Haare, die seit Tagen nicht gewaschen worden waren. Sie faselte weiter. »Devrel hat mich beim ersten Mal mitgenommen, aber er kam nicht zurück und er ist der Letzte der Boojums. Ich muss einen der anderen Wege finden.«

      »Sssch. Ich weiß nicht, aber falls du bestimmt bist einen zu finden, dann wirst du es.« Melody konnte dem Blick ihrer Schwester nicht begegnen, während sie die Beschwichtigung bot, aber schließlich brachte sie die Courage auf hinüberzublicken.

      Cadence umarmte ihre Ellbogen und drehte sich zum Fenster, Tränen glitzerten in der Spiegelung im Glas. »Ich war nicht bereit. Zwei Tage sind nicht genug Zeit, um die Liebe über Familie zu wählen. Es ist nicht genug Zeit sich zu verlieben. Ich hatte nicht die Zeit diese Entscheidungen zu treffen oder diese Gefühle zu fühlen. Ich kannte ihn kaum.« Sie zog ihre Knie vor sich auf den Sitz und legte ihre Stirn dagegen. »Wir hätten uns verlieben können, wenn wir die Chance dazu gehabt hätten.« Ihre Stimme brach. »Jetzt werde ich es nie erfahren.«

      »Na ja, nein. Ich nehme an, dass es nicht genug Zeit ist.« Sie unterdrückte ein Stöhnen und führte ihren Gedanken laut weiter: »Was, wenn es dir dort elend gehen würde? Sei dankbar, dass du nicht in einem seltsamen Land ohne Familie oder Freunde gefangen bist, die für dich da sein können.«

      »Möglicherweise.«

      Die Atmosphäre während der Fahrt zurück zum Haus konnte nur als angespannt beschrieben werden. Cadence starrte aus ihrem Fenster, die Wange gegen das Glas gepresst, und beantworte ihre Fragen mit Ein-Wort-Kommentaren, wenn sie überhaupt antwortete.

      Melody ergriff das Lenkrad fest und atmete aus. »Cadence, Mom und Dad machen sich wirklich Sorgen. Diese Besessenheit … Sie hat dein Leben übernommen. Sie ziehen in Betracht nach Hilfe zu fragen. Du weißt, was das bedeutet, richtig?«

      Die Aussage erhaschte ihre Aufmerksamkeit und sie glotzte Melody an. »Sie wollen mich wegsperren? Ich bin nicht wahnsinnig. Es ist mir wirklich passiert.«

      »Ich sage nicht, dass ich dir nicht glaube.« Sie sagte aber auch nicht, dass sie es tat. »Aber du musst die Fakten betrachten. Deine Freunde behaupten, dass du im Wald ohnmächtig geworden bist, und dass du nur ungefähr zehn Minuten außerhalb ihres Sichtfelds warst. Wie hast du zwei Tage weg verbracht und bist zehn Minuten später zurückgekehrt?«

      Melody wünschte sich, dass sie ihr glauben könnte, aber das Wunderland war eine erfundene Welt und die Fakten ergaben keinen Sinn. Sie hatte in der Highschool und im College genug Psychologiekurse belegt, um zu wissen, dass traumatische Erfahrungen oftmals zu geistigen Zusammenbrüchen führten. Wenn sie ihr helfen konnte den Schaden zu beheben, würde sie das. Cadence musste zugeben, dass ein Verbrechen vorgefallen war, und erkennen, dass die Fantasie, an die sie sich klammerte, es ihr niemals erlauben würde zu ihrem Leben zurückzukehren. Bis sie das tat, konnte Melody wenig mehr tun, als sie so gut sie konnte zu trösten, aber es war keine Behandlung, die zu Fortschritten bei dem Problem führte.

      »Zeit bewegt sich dort anders. Gareth sagte dies bei mehr als einer Gelegenheit.« Cadence verschränkte ihre Arme. »Ich habe es mir nicht eingebildet. Ich habe mich kaum an Zeug aus den Alice-Geschichten erinnert, als es geschehen ist. Wie baut man eine ganze Fantasie um Material auf, mit dem man nicht völlig vertraut ist? Du hattest das Buch, als du aufgewachsen bist, aber ich hatte es nie gelesen. Ich denke, ich habe den Cartoon ein- oder zweimal gesehen, aber ich dachte, dass es wirklich schräg war und mochte es nicht einmal.«

      »Okay, okay.« Melody stellte ihren Blinker an und bog auf die lange Erdauffahrt ein. Dass ihre Eltern am Stadtrand lebten, bot ihnen weniger Nachbarn und ein riesiges Grundstück. Der Wald blockierte ihr Zuhause vor der Hauptstraße. Ihre Eltern hatten gehofft, dass abgeschieden zu sein Cadence dabei helfen würde zu heilen. Aber das hat es nicht.

      »Gareth war real. Die Ärzte haben den Beweis unserer gemeinsamen Zeit gefunden.«

      Melody zuckte jedes Mal zusammen, wenn dieses spezielle Thema aufkam. Es war eine heikle Situation und das Letzte, was sie wollte, war dem Trauma, welches Cadence auch immer erfahren hatte, etwas hinzuzufügen. »Süße, Grinsekatzen und Jabberwockys, sie sind erfunden. Ich wünschte, du hättest dem Arzt erlaubt ausführlichere Tests –«

      Nachdem er Cadences bizarre Geschichte gehört hat, hatte einer ihrer Freunde sie schnell ins Krankenhaus gebracht, da er dachte, dass sie sich den Kopf gestoßen hatte. Was sie gefunden hatten, war viel, viel schlimmer gewesen. Es hatte einen Beweis gegeben, dass sie nicht lange zuvor Geschlechtsverkehr gehabt hatte, aber der DNS-Test des Samens war fehlerhaft vom Labor zurückgekommen, aber ihre Blutproben waren völlig normal. Sie hatten keine Spuren von einer Vergewaltigungsdroge gefunden, trotz dass die Polizei überzeugt war, dass die »Wunderland-Halluzinationen« von Drogen gemischt mit dem Alkohol in ihrem System kamen.

      »Diese Tests waren evasiv und unnötig, weil es nicht einmal ein Verbrechen gegeben hat«, biss sie harsch heraus.

      Cadence leugnete, dass irgendeiner ihrer Freunde Schindluder mit ihr getrieben hatte, und hatte ihre offizielle Aussage abgegeben: Sie war von einer sprechenden Katze entführt worden und sollte einen drachenerschlagenden Ritter heiraten. Ihre Eltern waren zu diesem Zeitpunkt prompt benachrichtigt worden und sie hatte die Nacht in der Psychiatrischen des Krankenhauses verbracht.

      Es war wahrscheinlich das Beste, dass sie das College verlassen hatte und nach Hause gekommen war. Wer auch immer ihr das angetan hatte, war noch immer dort draußen, aber sie war sicher. Sie konnten ihr nicht noch einmal wehtun. Unglücklicherweise glaubte Cadence die Halluzination und ließ sie nicht fallen. Der Therapeut nahm an, dass sie die Wahrheit mit der Fantasie unterdrückte, weil sie zu schrecklich war, um sie zu verarbeiten.

      »Ich wurde nicht unter Drogen gesetzt oder vergewaltigt«, sagte Cadence leise. »Vertrau mir. Ich würde nicht jemanden beschützen, der mir das angetan hat, indem ich eine Geschichte erfinde. Der Beweis kam als fehlerhaft aussehend heraus, weil es keine DNS aus unserer Welt war. Ganz gleich wie viel sie stochern und stupsen, die Resultate würden jedes Mal uneindeutig aussehen.«

      Das Auto kam zum Stehen und Melody schielt in Parken. Als sie die Zündung ausmachte und den Schlüssel abzog, legte sie ihren strengen, ältere-Schwester-ist-weiser-Gesichtsausdruck auf. »Ich will nicht mit dir streiten, aber du musst einsehen, dass du niemals Eingänge in eine andere Welt finden wirst, weil sie nicht existieren. Du machst alle wahnsinnig und ich will dich nicht in einer Anstalt sehen. Dad wird dich übergeben.« Sie öffnete die Autotür und schlug sie hinter sich zu, wartete nicht darauf zu sehen, ob Cadence ihr folgte. Sie konnte mit der Unterhaltung nicht mehr länger umgehen. Wenn jemand ihrer Schwester wehgetan hatte, würde er frei herumlaufen und es wieder tun, weil Cadence die Wahnvorstellung nicht fallen lassen konnte. Es brach ihr das Herz.

      »Was würde ich ohne dich tun, Sunny?« Melody kratzte die orangene, gefleckte Katze hinter ihren Ohren. Sunny schnurrte vor Zustimmung. Der Katze schien die lange Fahrt nach Hause nicht zu viel ausgemacht zu haben, wenn man die Menge an Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten bedachte, die sie von der Familie bekam.

      Schwere dunkle Wolken füllten den Nachmittagshimmel und die Vorhersage zeigte Gewitter während der restlichen Woche. Eine Menge Regen bedeutete, dass Cadence tagelang Zuhause festsitzen würde, da das Gebiet überflutet wurde, und es gäbe keine Wiederholung des Vorfalls zuvor im Laden. Der Gedanke erleichterte sie und machte sie zur selben Zeit traurig.

      Ganz gleich wie sehr Melody versuchte sich auf den Krimi zu konzentrieren, der geöffnet auf ihrem Schoß lag,


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