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den Strapazen der langen Reise geschafft, für kurze Zeit weg. Helga und Werner im Gepäckbus Als ich wieder aufwache, halten wir gerade an einem ›Saftladen‹ (ja, tatsächlich ein Saftladen mit frischen, fruchtigen Säften), der hatte auch um 5.30 Uhr geöffnet und es schien nicht so, als hätte er eben erst die Presse bedient. Wir steigen aus, um uns einige Flaschen Wasser zu kaufen, und ein paar von uns probieren den indischen Chai-Tee, der dort frisch serviert wird. Der ist interessant, doch ich kann mich zurückhalten. Was einen zuerst verwundert, sind die Preise. Trotz miesem Wechselkurs, an dem sich andere bereichern, nur nicht die Einzelhändler, die es an jeder Straßenecke gibt, erwarten Indienreisende Preise, die einen nicht lange herum rechnen lassen. Mit einigen Hundert Euro lässt es sich dort lange aushalten. Natürlich gibt es im Gegenzug keine europäischen Standards. Ein Gesundheitsamt, welches gastronomische Betriebe prüft, sucht man dort vergebens. Ebenso wenig scheint es Bauvorschriften zu geben oder sonstige Regularien. So mein erster Eindruck! Kurze Stärkung, dann geht es weiter Als die Morgendämmerung anbricht, gibt es niemanden im Bus, der nicht gebannt aus dem Fenster starren würde. Jetzt wird den meisten von uns das Ausmaß der örtlichen Gegebenheiten und der Infrastruktur erst so richtig bewusst. Ein typischer Straßenzug auf dem Weg nach Pondicherry Ich muss gestehen, dass diese ersten Impressionen großen Eindruck auf mich machen. Es ist zwar tatsächlich genau so wie es beschreiben wurde, dennoch bin ich fasziniert. Vor Ort zu sein, die Luft zu schmecken und das alles bewusst wahrzunehmen, ist eine einzigartige Erfahrung. Als wir die Stadt erreichen, sind die Straßen gefüllt mit Händlern und Menschen, die ihren Tageseinkauf erledigen. Der Versuch, sich in den Alltag dieser Frauen, Männer und Kinder hineinzuversetzen und ihn mit meinem eigenen Alltag zu vergleichen … das Gefühl, das mich dabei überkommt, ist überwältigend.
Wochenmarkt bei Sonnenaufgang auf Indisch Je mehr sich der Bus dem Hotel in Nähe des Strandes der ehemaligen französischen Kolonie Pondicherry nähert, umso schöner werden die Straßenzüge. Imposante Kolonialbauten, umringt von hochgewachsenen Bäumen mit buschigen Ästen, prägen das Straßenbild. Pondicherry (Puducherry) kam 1673 unter französische Herrschaft und blieb bis 1954 die Hauptstadt Französisch-Indiens. Im Französischen Viertel blieben zahlreiche Häuser im Kolonialstil jener Macht bis heute erhalten. Nach diesen ersten Impressionen kann ich es kaum fassen, an welchem schönen Fleck der Erde wir gelandet sind. Gegen 8 Uhr morgens erreichen wir endlich das Hotel. Ich sehe mich um und blicke in müde Gesichter. Die Anstrengungen der Reise zeichnen sich bei den meisten deutlich ab. Nachdem ich während des Fluges und einem Teil der Busfahrt in weiser Voraussicht geschlafen habe, fühle ich mich topfit und bin auch ein wenig aufgedreht. »INDIEN! PONDICHERRY!«, schreie ich innerlich und kann es kaum erwarten, die Stadt zu erkunden. Natürlich würde ich dafür am liebsten einige meiner Gefährten rekrutieren, doch noch erscheinen mir alle zu kaputt für ein urbanes Abenteuer. Ob sich das durch ein ausgiebiges Frühstück ändern ließe? Bestimmt! Außerdem soll man doch nach der Ankunft tagsüber gar nicht schlafen, um dem Jetlag entgegenzusteuern. Mit diesem Argument kann ich bestimmt arbeiten. Absolute Empfehlung: Villa Helena in Pondicherry Natürlich warten wir zuerst auf den zweiten Bus, der samt unserer wagemutigsten HeilerInnen inklusive Koffern gut und nur kurze Zeit nach uns ankommt. Perfekt, jetzt heißt es noch den Zimmerschlüssel abholen, kurz duschen und einen Milchkaffee trinken. Beim Betreten des Innenhofes unseres Hotels Villa Helena bin ich positiv überrascht. Es ist ein charmanter Palmengarten mit schönen Sitzgelegenheiten und einer mit dunklem Holz vertäfelten Bar. Hier lässt es sich leben! Die Dame des Hauses, Géraldine, eine Französin, überreicht mir den Zimmerschlüssel und führt mich in mein Bungalow-Apartment. Wirklich schön! Erneut bin ich auf angenehme Weise erstaunt. Ich hoffe, alle haben solch ein großes Glück mit ihren Hotels. Insgesamt sind wir in drei Hotels und einigen Unterkünften des Sri Aurobindo Ashrams untergebracht. Kein Wunder bei 33 freiwilligen Heilerinnen und Heilern samt Kamerateam und Journalisten. Wir bilden eine große 40 köpfige Entourage. Gegen 9 Uhr gibt es das lang ersehnte und liebevoll angerichtete Früh-stück. Ein frisch gepresster Ananassaft, verschiedene Eiervariationen, köstliche Buttercroissants mit Marmelade, dazu ein kleiner Obstsalat und exzellenter Kaffee, dies alles unter schattenspendenden Palmen. Ich bin geradezu verliebt in Pondicherry. Nun gestärkt, blicke ich in deutlich fittere Gesichter. Macht sich da etwa Motivation breit? Ich frage vorsichtig: »Hat jemand Lust, die Stadt zu erkunden?« Na, und wie sie plötzlich motiviert sind. Schnell wird ein Plan geschmiedet und schon eine Stunde später starten wir gesammelt zu acht oder neunt in die Stadt. In deren Zentrum, nur wenige Minuten vom Strand entfernt, befindet sich unser Hotel und so sind wir mitten im Geschehen. Planlos marschieren wir in irgendeine Himmelsrichtung. Trotzdem landen wir nur wenige Minuten und einige sehr verwinkelte Straßen später am atemberaubenden Strand von Pondicherry und blicken auf die unendlichen Weiten des Pazifischen Ozeans. Was für ein Anblick: Es ist schmutzig, es ist vermüllt – und irgendwie magisch! Der schwarze Strand von Pondicherry Als wir weiter den Strand entlang flanieren, werden wir angesprochen und um Selfies gebeten. Das kommt unerwartet, doch wir stimmen geschmeichelt zu und knüpfen die ersten Kontakte zu den Einheimischen. Einige Minuten Spaziergang später entdecken wir eine eindrucksvolle Kirche. In Pondicherry existieren die verschiedensten Religionen friedlich nebeneinander. Ein Vorzeigemodell. Ob das eine christliche Kirche ist? Get together der Kulturen! Mahatma Ghandi Es folgen ein eindrucksvolles Ghandi-Denkmal und weitere monumentale Bauten. Pondicherry ist ein wunderschöner Ort mit einer lebendigen Geschichte. Nach zwei Stunden Erkundungstour und einem ersten Kennenlernen der Stadt kehren wir ohne große Verirrungen zu unseren Hotels zurück. Mittagsschlaf ist die, so vermute ich, treibende Kraft hinter der Rückkehr. Ich bin noch völlig begeistert von den vielen Impressionen und würde am liebsten den ganzen Tag das Land und die Menschen kennenlernen. Dennoch schließe ich mich meinen Mitbewohnern an. Aber dann kommt es anders, es schlägt die Geburtsstunde des sagenumwobenen Wolfsrudels. Als wir uns eigentlich zurückziehen wollen, beschließen Ex-Unternehmer Thomas Krack, Ex-angestellter Elektromeister Gerhard Neugebauer und meine Wenigkeit uns einen kleinen Schlummertrunk zu genehmigen. Ein Bierchen vorm Schlafen geht doch wohl noch. Wer von uns das gesagt hat, lasse ich erneut offen. Auch weil ich es nicht mehr wirklich weiß. Da hat einer nur das ausgesprochen, was die anderen beiden ohnehin dachten. Aus einem Bier wurden drei und mit dem Alkohol entwickelte sich weiterer Aktionismus. Und auch der Hunger. Im wahrsten Sinne des Wortes gelegen erscheint das Bistro gegenüber mit dem verheißungsvollen Namen Xtasi. Auf einer wunderschönen Dachterrasse gönnen wir uns mit Blick auf Pondicherry eine leckere Pizza und ich knüpfe einen ersten Kontakt zu unseren beiden Österreicherinnen, die sich uns anschlossen. Auch Thomas‘ Freundin Martina begleitet uns und so sind wir eine witzige Truppe. Die beiden schließe ich von Beginn an ins Herz. Sie sind unglaublich warmherzige Menschen und ihre Anwesenheit reicht, um sich rundum wohlzufühlen. Schon jetzt habe ich eine gute Zeit mit meinen lieb gewonnenen Kameradeninnen und Kameraden innerhalb der Heilergruppe ohne Grenzen. Eine tolle Ankunft. Statt jetzt mit deutlicher Verspätung den ersehnten Mittagsschlaf anzutreten, folgen wir nach einigen schönen Stunden auf der bezaubernden Dachterrasse der Einladung unserer Mitreisenden in die Herberge Gratitude Heritage in der sie untergebracht sind. Inzwischen ist es früher Abend, übermüdet vergeht die Zeit wie im Flug. Gemeinsam kehren wir auf dem Rückweg in einem netten Ecklokal ein und tauschen uns über unsere ersten Eindrücke aus. Mit wir meine ich alle, bis auf Thomas, Gerhard und mich. Jetzt sichtlich vom Schlafmangel und der langen Reise gezeichnet kämpfen wir gegen den Sekundenschlaf an der sich bei uns heftig bemerkbar macht. Ich versuche, gute Miene zum müden Spiel zu machen doch es klappt nicht und so nicke ich mehrfach mit dem Kopf weg. Nach einer weiteren Stunde und einem leckeren Chicken Masala, das Essen in Indien ist hervorragend, das muss inzwischen auch Gerhard zugeben, der anfangs Bedenken gegen das fremde Essen hatte, kämpfen wir