Der Kandidat. Джек Марс

Der Kandidat - Джек Марс


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musst hinsehen, Mann“, sagte Ed weich. „Es ist dein Job hinzusehen.“

      Luke schüttelte seinen Kopf. „Nein.“

      Aber er hatte keine Wahl. Er blickte auf die Leiche unter sich. Der schwarze Bart des Dschihadi war verschwunden. Anstelle des rauen Gesichts waren die schönen Züge einer Frau getreten. Das lockige schwarze Haar war jetzt lang, weich und hellbraun.

      Luke hatte seine Hand immer noch auf ihrem Mund. Ihre leblosen blauen Augen starrten ihn an, ohne etwas zu sehen – die Augen seiner Frau, Becca.

      Ed flüsterte jetzt. „Du hast es getan, Mann. Du hast sie umgebracht.“

      Luke schreckte auf.

      In tiefster Dunkelheit setzte er sich kerzengerade hin, während sein Herz immer noch wie wild pochte. Er war nackt und sein Körper war schweißgebadet. Sein Haar war ein langes, verfilztes Durcheinander. Sein blonder Bart war so dick wie der eines heiligen Kriegers des Islam. Mit seiner Frisur und dem Bart konnte man ihn leicht mit einem Obdachlosen verwechseln.

      Er war in einen dicken Schlafsack eingewickelt – ausgelegt für extreme Temperaturen, bis zu 20 Grad unter null. Außerhalb seines kleinen Zelts heulte der Wind – das Zelt flatterte wie verrückt, ein Geräusch, das den Wind fast übertönte. Er war alleine auf fast 5000 Meter Höhe am westlichen Hang des Denali und der Berg war bereits mitten im Winter. Ein Schneesturm war vor zwei Tagen aufgezogen und hatte bis jetzt nicht aufgehört.

      Seitdem hatte er kein Feuer machen können. Er hatte das Zelt seit 40 Stunden nicht verlassen, außer um Wasser zu lassen. Es waren noch weitere 1000 Meter bis zum Berggipfel und es sah so aus, als würde er es nicht mehr dorthin schaffen. Vielleicht würde er es nirgendwo mehr hinschaffen.

      Er war denkbar unvorbereitet hierhergekommen – das wurde ihm jetzt klar. Er hatte genug Wasser für vier Tage – es war ihm vor zwei Tagen ausgegangen. Inzwischen musste er Schnee essen und aufgetautes Eis trinken, um genug Wasser zu bekommen. Aber das war nicht das größte Problem. Feste Nahrung war schlimmer. Er hatte einen Stapel getrockneter Mahlzeiten mitgebracht. Von ihnen war jetzt fast nichts mehr übrig. Als der Sturm aufgezogen war, hatte er begonnen, die Mahlzeiten zu rationieren. Er nahm weniger als die Hälfte Kalorien zu sich, die er normalerweise täglich benötigte – zum Glück hatte er sich seit zwei Tagen kaum bewegt und sparte Energie, wo er nur konnte.

      Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, einen Campingkocher mitzunehmen. Er hatte kein Radio, also hatte er keine Ahnung, was der Wetterbericht vorhersagte. Er war mit einem privaten Helikopter eingeflogen worden und hatte sich nicht beim Parkservice gemeldet. Niemand außer dem Piloten wusste, dass er hier draußen war und er hatte ihm nur gesagt, dass er ihm Bescheid geben würde, wenn er fertig war.

      „Versuche ich, mich selbst umzubringen?“, fragte er sich laut. Er erschreckte sich fast vor dem Geräusch seiner eigenen Stimme.

      Er kannte die Antwort. Nein. Nicht unbedingt. Wenn es passierte, okay, aber er versuche nicht aktiv zu sterben. Man könnte behaupten, dass er das Schicksal herausforderte, unnötige Risiken einging, seitdem Becca gestorben war.

      Aber er wollte leben. Er wollte überleben. Wenn er das nicht schaffen würde…

      Als Ehemann war er eine Niete gewesen. Als Vater hatte er versagt. Mit 41 Jahren war seine Karriere vorbei – vor zwei Jahren hatte er sich aus dem Regierungsdienst verabschiedet und sich keinen Ersatz gesucht. Er hatte schon eine Weile nicht auf seine Konten geschaut, aber er nahm an, dass er fast kein Geld mehr hatte. Das einzige, was er einigermaßen gut konnte, war in rauen und unnachgiebigen Umgebungen zu überleben. Und töten – darin war er auch gut. Abgesehen davon war er eine komplette, elende Niete.

      Vielleicht würde er hier auf diesem Berg sterben, aber diese Aussicht machte ihm keine Angst.

      Er fühlte sich leer… wie betäubt.

      „Ich sollte mir überlegen, wie ich hier rauskomme“, sagte er, aber er murmelte nur vor sich hin. Hier wäre ein annehmbarer Ort, um zu sterben und es wäre nicht einmal besonders schwer. Alles was er tun musste war… nichts. Schließlich – schon bald – würde ihm das Essen ausgehen. Geschmolzenen Schnee zu trinken würde ihn nicht besonders lange versorgen. Er würde langsam schwächer werden, bis es am Ende unmöglich wäre, aus eigener Kraft wieder abzusteigen. Er würde verhungern. Irgendwann würde er einfach einschlafen und nie wieder aufwachen.

      Was sollte er nur tun?

      Plötzlich fing er an zu schreien, wie aus reinem Instinkt.

      „Gib mir ein Zeichen! Sag mir, was ich tun soll!“

      In dem Moment machte sein Telefon ein Geräusch, das er schon lange nicht mehr gehört hatte – es klingelte. Er erschreckte sich und sein Herz setzte einen Moment lang aus. Der Klingelton war so laut, wie man ihn nur stellen konnte. Es war ein Rocksong, den sein Sohn, Gunner, vor zwei Jahren eingestellt hatte. Luke hatte ihn nie geändert. Er hatte ihn absichtlich behalten. Es war seine letzte Verbindung zu ihm.

      Er schaute das Handy an. Es kam ihm fast lebendig vor, wie eine giftige Viper – man musste sich vorsehen, wie man sie anfasste. Er nahm es in die Hand, überprüfte die Nummer und ging schließlich ran.

      „Hallo?“

      Er hörte nur Statik. Natürlich, das dicke Zelt blockierte das Satellitensignal. Er müsste nach draußen gehen, um den Anruf anzunehmen – kein besonders angenehmer Gedanke.

      „Ich muss Sie zurückrufen!“, rief er in den Hörer.

      Obwohl er sich beeilte, dauerte es mehrere Minuten, die Schichten an Kleidung anzuziehen, die er benötigte. Es war zu kalt draußen, um sich nur etwas überzuwerfen. Er öffnete den Reißverschluss des Zelts und krabbelte nach draußen in den Sturm. Der Wind und das beißende Eis schlugen unmittelbar auf sein Gesicht. Hoffentlich ging es schnell.

      Er hängte eine Lampe an das Zelt und stolperte ein paar Meter weiter. Er hatte eine starke Taschenlampe dabei und drehte sich alle paar Meter um, um die Richtung zurück zu überprüfen. Abgesehen von seinem Zelt gab es hier draußen keine Lichter und er konnte nur etwa 20 Meter weit sehen. Schnee und Eis wirbelten um ihn herum.

      Er drückte den Knopf, um zurückzurufen und hielt das Telefon an sein Ohr. Er stand da wie eine Statue und hörte dem Piepsen zu, während das Telefon Daten mit dem Satelliten austauschte und versuchte, den Anruf durchzustellen.

      „Stone?“, sagte eine tiefe männliche Stimme.

      „Ja.“

      „Die Präsidentin der Vereinigten Staaten.“

      Einen kurzen Augenblick war es still in der Leitung.

      „Luke?“, sagte eine weibliche Stimme.

      „Frau Präsidentin“, rief Luke. Er konnte nicht anders, als zu lächeln. „Ganz schön lange her.“

      „Viel zu lange“, sagte Susan Hopkins.

      „Welchen Umständen verdanke ich diese Ehre?“

      „Ich stecke in Schwierigkeiten“, sagte sie. „Du musst herkommen.“

      Luke dachte einen Moment lang nach. „Äh, ich bin in der tiefsten Wildnis. Es wird ein bisschen schwer, zu –“

      „Das ist egal“, sagte sie. „Wo auch immer du bist, ich schicke ein Flugzeug. Oder einen Hubschrauber. Was auch immer du brauchst.“

      „Ein freundlicher Bernhardiner wäre zunächst mal nicht schlecht“, sagte Luke. „Einen mit diesen kleinen Whiskeyfässern um den Hals.“

      „Abgemacht. Er kann dir auch ein Sandwich mitbringen, falls du Hunger hast.“

      Luke lachte fast. „Das klingt gut. Und wenn ich fertig gegessen habe, wäre ein Hubschrauber tatsächlich nicht schlecht.“

      „Auch abgemacht. Bevor wir auflegen gebe ich dich an jemanden weiter, der deine Koordinaten aufnimmt und dir ein Taxi schickt. Du weißt, wie es bei uns läuft. Rundum-Service.“

      Luke musste zugeben, dass er erleichtert war. Nur wenige Augenblicke zuvor hatte er keine Möglichkeit gehabt, von diesem Berg zu entkommen. Jetzt hatte er seine zweite Chance. Er hatte


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