1177 v. Chr.. Eric H. Cline

1177 v. Chr. - Eric H. Cline


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(bis auf ein paar Pferde). Später erzählte Allenby, er habe zuvor James Breasteds Übersetzung des Berichts von Thutmosis III. gelesen und daraufhin beschlossen, die Geschichte zu wiederholen. Der Philosoph George Santayana schrieb einmal: »Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.« Allenby bewies, dass es auch andersherum funktioniert: Er las nach, was in der Vergangenheit geschehen war, und wiederholte es mit großem Erfolg.43

      Thutmosis’ III. Feldzüge führten ihn auch nach Nordsyrien, gegen das Königreich Mitanni, das um 1500 v. Chr. in jener Gegend entstanden war, als sein Vorfahre Thutmosis I. dort Krieg geführt hatte.44 Das Reich Mitanni wuchs immer weiter und verleibte sich sämtliche angrenzenden Gebiete ein, zum Beispiel das hurritische Reich Ḫabingalbat. Folglich trug das Königreich unterschiedliche Namen – je nachdem, wer wann darüber schrieb. Die Ägypter nannten es im Allgemeinen »Naharin« oder »Naharina«, die Hethiter das »Land der Hurri« und die Assyrer nannten es »Ḫabingalbat«; die Könige selbst nannten ihr Reich »Mitanni«. Seine Hauptstadt hieß Waššukanni, doch man hat sie noch immer nicht entdeckt – sie ist eine der ganz wenigen Hauptstädte des alten Orients, deren Standort die Archäologie trotz interessanter Hinweise in den archäologischen Befunden und antiken Texten bis heute nicht ermitteln konnte. Einige glauben, sie könnte in den Hügeln des syrischen Tell Fakhariyeh gelegen haben, östlich des Euphrat; bestätigen konnte man dies bislang nicht, doch das liegt nicht daran, dass man es nicht versucht hätte.45

      Verschiedene Texte geben an, die Bevölkerung dieses Königreiches habe zu etwa 90 Prozent aus ortsansässigen Hurritern, wie man sie nannte, bestanden, die von den restlichen 10 Prozent regiert wurden; dies waren die Herren von Mitanni, die, wie es scheint, von indoeuropäischer Herkunft waren. Diese kleine Gruppe war offenbar von irgendwo anders eingewandert, hatte sich der indigenen hurritischen Bevölkerung bemächtigt und das Königreich Mitanni gegründet. Die militärische Elite von Mitanni nannte man marjannu (»Wagenkrieger«); diese Männer waren berühmt dafür, dass sie geschickt mit Streitwagen und Pferden umgehen konnten. Ein Text, den man in Hattuša, der Hauptstadt der anatolischen Hethiter, entdeckt hat, enthält eine um 1350 v. Chr. von einem Pferdeausbilder namens Kikkuli verfasste Abhandlung darüber, wie man über einen Zeitraum von 214 Tagen ein Pferd ausbildet. Es ist ein ziemlich aufwendiger Text, der sich über vier Tontafeln erstreckt. Dabei beginnt er ganz einfach: »So (spricht) Kikkuli, der Pferdetrainer aus dem Lande Mitanni.«46

      In seinem achten Feldzug in seinem 33. Jahr (ca. 1446 v. Chr.) griff Thutmosis III. das Reich Mitanni an, und zwar zugleich zu Land und zu Wasser, genau wie vor ihm sein Großvater. Wie berichtet wird, fuhr er mit seinen Streitkräften den Euphrat hinauf, obwohl er dabei nicht nur gegen den Strom, sondern auch gegen den Wind segeln musste. Vielleicht war der Angriff eine Strafaktion, als Vergeltung für die mutmaßliche Beteiligung von Mitanni am Aufstand der Kanaaniter im ersten Jahr seiner Herrschaft.47 Er besiegte die Mitanni und ließ zur Erinnerung an seinen Sieg nördlich von Karkemiš am Ostufer des Euphrat eine beschriftete Stele aufstellen.

      Doch Mitanni ließ sich nicht unterkriegen. Innerhalb von nur 15 bis 20 Jahren begann der mitannische König Sauštatar, die Grenzen des Reiches noch einmal im großen Stil zu erweitern. Er griff Aššur, die Hauptstadt der Assyrer, an und erbeutete dabei eine kostbare Tür aus Gold und Silber, mit der er seinen Palast in Waššukanni schmückte (wie wir aus einem späteren Text in den hethitischen Archiven in Hattuša wissen), und es könnte sogar sein, dass er die Hethiter angriff.48

      Binnen eines Jahrhunderts, bis in die Zeit von Pharao Amenophis III. Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr., herrschten so gute Beziehungen zwischen Ägypten und Mitanni, dass Amenophis gleich zwei mitannische Prinzessinnen heiratete.

      Mitanni, Assyrien, Ägypten. Die Welt wuchs immer mehr zusammen, wenn auch manchmal nur als Ergebnis blutiger Kriege.

      Es ist eine faszinierende Vorstellung, dass Thutmosis III. mit weit entfernten Gebieten nördlich und westlich von Ägypten in regem Kontakt stand und vielleicht sogar aktiv mit ihnen Waren austauschte. Es kann durchaus sein, dass der Kontakt Ägyptens mit Aššuwa (vorausgesetzt, dass es tatsächlich mit Isy identisch war) von Aššuwa ausging. Um 1430 v. Chr. kam es in Aššuwa zu einem Aufstand gegen die zentralanatolischen Hethiter, und es ist durchaus möglich, dass Aššuwa im Jahrzehnt vor diesem Aufstand aktiv nach diplomatischen Kontakten zu anderen Großmächten suchte.49 Bis 1991 interessierten sich nur wenige Forscher für den Aufstand von Aššuwa; doch dann stieß der Fahrer eines Bulldozers beim Straßenbau in der Nähe der antiken Stätte Hattuša (208 Kilometer östlich von Ankara) auf etwas Metallisches. Er sprang aus dem Fahrerhaus und fand im gelockerten Erdreich einen langen, dünnen und dunkelgrün gefärbten Gegenstand. Das Objekt sah aus wie ein antikes Schwert, und als die Archäologen des örtlichen Museums es reinigten, bestätigte sich ihre Annahme.

      Es handelte sich jedoch nicht um eines der typischen Hethiter-Schwerter, sondern um eine Waffe, die man in dieser Region noch nie zuvor gesehen hatte. In die Klinge waren Schriftzeichen eingeritzt, und es schien zunächst erfolgversprechender, die Schrift zu entziffern, als die Herkunft des Schwertes auf andere Weise zu bestimmen. Der Text war in Akkadisch verfasst, der üblichen Diplomatensprache des bronzezeitlichen alten Orients, und zwar in Keilschrift: Er lautete wie folgt: »i-nu-ma mDu-ut-ha-li-ya LUGAL.GAL KUR URUA-as-su-wa u-hal-liq GIR HI.A an-nu-tim a-na DIskur be-li-su u-se-li.« Falls es tatsächlich Leser geben sollte, die kein Akkadisch können, hier die Übersetzung: »Als Duthalija, der Großkönig, das Land Aššuwa zerschlug, weihte er diese Schwerter dem Gott des Sturmes, seinem Herrn.«50

      Die Inschrift bezieht sich auf den sogenannten Aufstand von Aššuwa, den der Hethiterkönig Tudhalija I./II. ca. 1430 v. Chr. niederschlug (man bezeichnet ihn stets als »I./II.«, da man nicht genau weiß, ob er der erste oder der zweite König mit diesem Namen war). Forschern, die sich mit den Hethitern beschäftigten, war diese Revolte bereits wohlbekannt: Sie wird in diversen Keilschrifttexten auf Tontafeln erwähnt, die deutsche Archäologen Anfang des 20. Jahrhunderts bei Ausgrabungen in Hattuša entdeckten. Das Schwert jedoch war die erste Waffe und überhaupt das erste Artefakt, das man mit diesem Aufstand in Verbindung bringen konnte. Aus der Inschrift geht hervor, dass es wahrscheinlich noch mehr solche Schwerter gibt, die noch nicht gefunden wurden. Doch bevor wir hier fortfahren, sollten wir einen Moment innehalten und uns mit den Hethitern beschäftigen, Aššuwa verorten und den Aufstand ein wenig eingehender untersuchen. Dabei geht es darum, inwiefern diese Rebellion Zeugnis eines frühen »Internationalismus« ist und – möglicherweise – ein Beweis dafür, dass der Trojanische Krieg 200 Jahre früher stattfand und aus ganz anderen Gründen, als Homer sie anführt.

      Was zunächst einmal erstaunlich ist: Obwohl die Hethiter den größten Teil des 2. Jahrtausends v. Chr. von ihrer Heimat in Zentralanatolien aus ein riesiges Reich regierten, gerieten sie (zumindest in geographischer Hinsicht) komplett in Vergessenheit, bis man sie vor gerade einmal 200 Jahren wiederentdeckte.51

      Bibelkennern waren die Hethiter immerhin ein Begriff, da sie in der Bibel mehrmals auftauchen, als eines von zahlreichen Völkern, deren Namen auf »-iter« endete (Hethiter, Heviter, Amurriter, Jebusiter usw.) und die gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. in Kanaan lebten, mit den Hebräern/Israeliten interagierten und ihnen am Ende unterlegen waren. Beispielsweise erfahren wir, dass Abraham von einem Hethiter namens Ephron eine Grabstätte für seine Frau Sarah kaufte (1. Mose 23: 3–20), dass König Davids Frau Bathseba in erster Ehe mit dem Hethiter Uria vermählt war (2. Samuel 11: 2–27) und dass König Salomo unter seinen Gattinnen »hethitische Frauen« hatte (1. Könige 11: 1). Dennoch waren die Bemühungen, die Hethiter in der biblischen Landschaft zu verorten, lange Zeit nicht von Erfolg gekrönt, und das, obwohl Moses in der Szene mit dem brennenden Dornbusch ziemlich genau ihren Standort erfährt: »Ich bin herabgestiegen, um sie [die Israeliten] der Hand der Ägypter zu


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