Das Familienleben der Tiere. Mario Ludwig
Verantwortlich für diese Einstufung ist jedoch nicht die spätestens seit dem berühmten Disney-Zeichentrickfilm „Bernhard und Bianca“ bekannte Tatsache, dass Albatrosse bei ihren Flügen die mit großem Abstand schlechtesten Starts und vor allem Landungen im gesamten Tierreich hinlegen. In Sachen Start fehlt Albatrossen vor allem eine kräftige Flugmuskulatur, mit der sie schnelle Flügelschläge erzeugen können. Aus diesem Grund haben Albatrosse große Probleme, auf das für das Abheben nötige Tempo zu kommen, und können deshalb nur mit sehr großem Anlauf und reichlich Gegenwind starten. Sind die Windbedingungen ungünstig, brauchen die Meeresvögel oft Dutzende von Anläufen, um sich erfolgreich in die Lüfte heben zu können. Dazu kommt noch, dass die Flügel von Albatrossen sehr lang, aber auch sehr schmal sind und deshalb beim Starten eher der Kategorie unhandlich zugeteilt werden müssen.
Wenn sie sich aber erst einmal in die Luft erhoben haben, macht den großen Meeresvögeln in Sachen elegantes und ausdauerndes Fliegen so leicht keiner etwas vor. Hier kommen den Albatrossen ihre ausgesprochen langen Flügel zupass. Dank dieser Flügel können die Tiere, ähnlich wie ein Segelflugzeug, den Aufwind für energiesparende Gleitflüge nutzen und dabei in kürzester Zeit Tausende von Kilometern zurücklegen.
Bei der Landung wird dann allerdings die im Verhältnis zur Länge sehr überschaubare Breite der Albatrosflügel zum Ärgernis. Die Flügel haben durch ihre geringe Breite eine nur sehr begrenzte Bremswirkung beim Landeanflug. Und als wäre das alles noch nicht genug: Albatrosse sind mit einem Körpergewicht von bis zu 13 Kilogramm unter den flugfähigen Vögeln echte Schwergewichte, die bei der Landung ordentlich Schwung mitbringen. Diese beiden Handicaps versuchen Albatrosse damit auszugleichen, dass sie beim Landeanflug ihre großen Füße nach vorne strecken, um mehr Bremswirkung zu erzielen. Eine Maßnahme, die allerdings relativ wenig hilft, wie die aus zahlreichen Filmen berühmt-berüchtigten Purzelbäume der Meeresvögel zeigen.
Um auf die bedrohliche Situation der Wanderalbatrospopulationen zurückzukommen: Für deren Rückgang ist vor allem die moderne Thunfischfischerei verantwortlich. Die arbeitet mit bis zu 100 Kilometer langen sogenannten „Langleinen“: Angelleinen, die mit bis zu 20 000, mit kleinen Fischen beköderten Haken bestückt sind. Und da die Albatrosse stets den Fangschiffen der Thunfischfischer folgen, um die Bordabfälle abstauben zu können, schnappen sie beim Auswerfen der Leinen ganz gezielt nach den Ködern. Mit der traurigen Folge, dass sie von den Haken oft regelrecht aufgespießt werden und jämmerlich ertrinken, wenn die Leinen dann in die Tiefe absinken. Nach Angaben von Naturschützern kommen auf diese Art und Weise jährlich mehrere hunderttausend Wanderalbatrosse ums Leben.
Supereltern
Es gibt kaum ein Synonym, das so für schlechte Eltern steht wie der Begriff „Rabeneltern“. So werden gemeinhin Eltern bezeichnet, die ihre Kinder vernachlässigen. Genau das Gegenteil von sogenannten „Helikopter-Eltern“, überfürsorgliche Eltern, die sich ähnlich wie ein Beobachtungshubschrauber ständig in der Nähe ihrer Kinder aufhalten, um sie mit großer Liebe zu überwachen und zu behüten. Lange Zeit standen Raben tatsächlich im Ruf, sich nicht nur herzlich wenig um ihren Nachwuchs zu kümmern, sondern ihm sogar noch aktiv Schaden zuzufügen. Alles Unsinn, Raben sind keine schlechten Eltern. Der schlechte Ruf der schwarzen Vögel geht auf eine falsch interpretierte Naturbeobachtung zurück: Junge Raben, die von der Wissenschaft zu den sogenannten Nesthockern gezählt werden, verlassen ziemlich oft auf eigene Faust das Nest, bevor sie überhaupt fliegen können, und sitzen dann oft scheinbar völlig einsam und verlassen unter dem Nest.
Dieses auf den ersten Blick bedauernswerte Bild, das die Jungraben abgaben, führte zu der Vermutung, die kleinen Raben wären von ihren Eltern im Stich gelassen oder noch schlimmer, sogar aus dem Nest geworfen worden. Die Geschichte von der Rabenmutter bzw. vom Rabenvater als schlechte Eltern geht aber auch zum Teil auf die Bibel zurück. Im Buch der Bücher heißt es im Alten Testament, Buch Hiob, Kapitel 31, Vers 41, in der Rede Gottes zum frommen Mann: „Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, wenn seine Jungen schreien zu Gott und umherirren ohne Futter?“ Es war kein Geringerer als Martin Luther, der aus dieser Textstelle den Schluss zog, Rabeneltern würden ihre Jungen sträflich vernachlässigen. Kein Wunder also, dass sich schon im 16. Jahrhundert der negativ besetzte Begriff von den Rabeneltern in diversen Erziehungsratgebern wiederfindet. Doch genau das Gegenteil ist richtig: Raben sorgen sich geradezu rührend um ihren Nachwuchs, auch wenn die Jungen das Nest bereits verlassen haben. Die scheinbar schnöde im Stich gelassenen, am Boden hockenden Jungraben werden noch mehrere Wochen von ihren Eltern mit Futter versorgt und auch mit großem Eifer vor Fressfeinden geschützt.
Wer die beste Mutter im Tierreich ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Nach Meinung einiger Zoologen ist die beste Mutter jedoch nicht etwa, wie das zu erwarten wäre, bei den Säugetieren oder Vögeln zu finden, sondern bei den Spinnen, genauer gesagt, bei der australischen Spinnenart Diaea ergandros. Die Weibchen dieser rund zwei Zentimeter großen, zur Familie der Krabbenspinnen gehörenden Spinnenart legen im Frühjahr etwa 40 Eier, aus denen dann im Sommer die Jungtiere schlüpfen. Nach dem Schlupf fängt die Mutterspinne kräftig Insekten, die sie jedoch nicht nur fleißig an ihre Jungtiere verfüttert, sondern auch nutzt, um sich selbst einen gewaltigen Bauch anzufuttern. Bricht jedoch der Winter an und es gibt kältebedingt keine Insekten mehr zu fangen, beginnt der Opfergang der Mutter, die sich ihrem Nachwuchs als lebende Speisekammer anbietet. Und die lassen sich das nicht zweimal sagen, sondern fressen die Frau Mama allmählich Stück für Stück bei lebendigem Leib auf. Sich nicht nur für die eigenen Kinder zu opfern, sondern sich von ihnen auch noch bei lebendigem Leib auffressen zu lassen – mehr Mutterliebe geht wohl nicht. Für dieses selbstlose Verhalten der Mutter hat die Wissenschaft übrigens auch eine stringente Erklärung gefunden: Es ist die sicherste Methode, um die Art zu erhalten, denn nur so wird verhindert, dass die Jungen sich bei Hunger gegenseitig auffressen.
Von ebenfalls sehr guten, aber mit Sicherheit den ungewöhnlichsten Müttern im Tierreich weiß man erst seit relativ kurzer Zeit, dass sie überhaupt existieren: Die Weibchen der sogenannten Magenbrüterfrösche. Der Südliche Magenbrüterfrosch wurde erst 1973 nahe der australischen Stadt Brisbane entdeckt, der nahe verwandte Nördliche Magenbrüterfrosch sogar noch neun Jahre später im Norden von Queensland. Magenbrüterfrösche haben, wie schon der Name verrät, eine höchst ungewöhnliche Art der Brutpflege: Das Weibchen verschluckt das vom Männchen besamte Eigelege und bewahrt es wohlgeschützt vor hungrigen Fressfeinden im Magen auf. Nach einer Weile schlüpfen im Magen dann die Kaulquappen und entwickeln sich innerhalb von zwei Monaten zu Jungfröschen. Das Weibchen kann aus verständlichen Gründen in dieser Zeit keine Nahrung zu sich nehmen. Um zu verhindern, dass sie von den Magensäften verdaut werden, produzieren die Larven im Magen der Mutter das Hormon Prostaglandin E2, das die Produktion von Magensäure hemmt. Die fertigen Jungfrösche schlüpfen dann nach einem kurzen Marsch durch die Speiseröhre aus dem Maul der Mutter. Ab und an spuckt die Mutter die Jungfrösche allerdings auch in hohem Bogen aus. Allerdings hat man seit mehreren Jahren keine Magenbrüterfrösche mehr entdeckt und geht heute davon aus, dass beide Arten leider „ausgestorben“ sind. Es wird vermutet, dass nicht etwa die etwas seltsame Brutpflege für das Aussterben verantwortlich war, sondern eine Pilzkrankheit.
Klein, aber trinkfest
So langsam hat es sich herumgesprochen: Nicht nur viele Menschen, sondern auch viele Tiere sind einem guten Tropfen nicht abgeneigt. Gesoffen wird dabei quer durchs Tierreich: Vögel, Igel, Elefanten, Eichhörnchen, Hunde, Elche und sogar Insekten – man hat schon eine Menge Tiere beim Alkoholkonsum beobachtet. Dabei gibt es Tierarten, die ausgesprochen trinkfest sind, andere Tierarten torkeln schon nach dem Konsum geringer Dosen Alkohol unkontrolliert durch die Gegend. Elche, die im Herbst gerne vergorenes Obst konsumieren, sind beispielweise relativ schnell betrunken, während Stare, so haben Frankfurter Wissenschaftler errechnet, außergewöhnlich trinkfest sind: Wären sie so groß und so schwer wie ein Mensch, könnten sie alle acht Minuten eine Flasche Wein trinken, ohne jemals betrunken zu werden. Eine relativ neue Studie von Wissenschaftlern der Universität von Alaska in Anchorage zeigt jetzt, dass auch Campbells Zwerghamster der Gruppe Tiere zuzuordnen ist, die sich problemlos eine ganze Menge Alkohol