Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Verletzungen, sie war nur leicht verletzt.«
»Ich habe gedacht, du könntest Olivia nicht vergessen, weil du sie sehr geliebt hast«, sagte Antonia leise.
»Inzwischen müßtest du eigentlich wissen, daß ich dich sehr liebe«, erwiderte er.
»Olivia war in gewisser Weise faszinierend, solange man ihr Wesen nicht durchschaute, aber dann wurde sie zum Alptraum. Für Daisy wird sich in der Erinnerung wohl einiges verschieben. Wir hatten uns nur flüchtig kennengelernt. Sie braucht nicht so zu tun, als wären wir die besten Freunde gewesen.«
»Hast du Angst gehabt, daß ich eifersüchtig wäre?« fragte Niklas neckend.
»Du lieber Himmel, du stellst sie doch allemal in den Schatten.«
»Da ist ein Herrengeschäft«, sagte Antonia. Sie wurde auf andere Gedanken gebracht, aber bevor sie eintraten, meinte Niklas, daß sie jetzt hoffentlich nicht einen früheren Bekannten von Antonia treffen würden.
»Keine Bange, die paar Männer, die ich kenne, arbeiten jetzt in unserer Firma, und München ist weit.«
Es war auch für sie in weite Ferne gerückt. Sie lebte jetzt in einer anderen Welt, und wovon andere so gern träumten, war für sie Wirklichkeit geworden.
*
Fee Norden hatte auch von Antonia geträumt, was aber kein Wunder war, denn sie beschäftigte sich intensiv mit ihr, seit sie die große Neuigkeit erfahren hatte.
Merkwürdig war das schon, daß sie erst als erwachsene junge Frau von dem Mann erfahren hatte, der ihr Vater war, und das erst, als er nicht mehr lebte. Öfter hatte Fee in der letzten Zeit in den Zeitungen gelesen, daß sich Geschwister oder Verwandte im hohen Lebensalter wiederfanden, da sie im Krieg auseinandergerissen worden waren. Es hatte erschütternde Wiedersehen gegeben. Aber Antonia war kein Kriegskind, sie war in einer Zeit geboren, in der es den meisten Menschen gutging, und ihre Mutter hatte auch nicht zu den Sozialfällen gezählt, die Tante Erni schon gar nicht. Fee hatte die alte Dame gut gekannt, und sie fand es schon sehr verwunderlich, daß nicht einmal sie etwas von dem fremden Vater gewußt haben sollte. Lebe man doch in einer modernen Welt, in der viele Frauen ihre Kinder allein aufzogen.
Nun wußten sie, daß Antonias Vater ein Ausländer gewesen war, der in Deutschland nicht richtig hatte Fuß fassen können. Wer weiß, was da alles mitgespielt hat, dachte Fee, aber sie freute sich für Antonia, daß es für sie ein Happy-End gab und hoffte, daß sie diesmal, nach ihrer ersten Enttäuschung, einen Mann gefunden hatte, dem sie vertrauen konnte.
»Ob uns Antonia mal eine Ansichtskarte schickt, Mami?« fragte Anneka, denn Ansichtskarten aus aller Welt sammelten alle Kinder. »Aber vielleicht hat sie uns längst vergessen.«
»So ganz wird sie uns sicher nicht vergessen, Anneka«, meinte Fee, »aber sie erlebt jetzt viel Neues.«
Sie konnten ja nicht wissen, daß Antonia gerade ein Kindergeschäft mit den hübschesten Sachen entdeckt hatte und nun unbedingt für die Norden-Kinder Mitbringsel einkaufen wollte.
Niklas wußte gar nicht wie ihm geschah, als sie ihn in das Geschäft zog.
»An welche Kinder denkst du?« fragte er.
»An die Kinder von Dr. Norden. Sie sind allesamt goldig. Na ja, die beiden Buben sind beinahe schon Teenager, aber Anneka und die Zwillinge sind ganz goldig. Natürlich muß ich auch was für die Buben finden, aber da wird es schon schwieriger.«
»Fünf Kinder, wie schaffen sie das?« meinte Niklas kopfschüttelnd. »Noch dazu, wo er Arzt ist, da weiß er doch, wie man das verhüten kann.«
Antonia warf ihm einen schrägen Blick zu. »Bist du gegen Kinder?« fragte sie beklommen.
»Nein, aber eins oder zwei genügen.«
»Ich werde nicht böse sein, wenn es mehr werden. Man kann Kinder doch nicht einfach planen, wenn das jetzt auch Mode geworden ist.«
»Man sollte aber auch bedenken, in was für eine Welt sie geboren werden.«
»Jede Zeit und jedes Jahrhundert hat Katastrophen gehabt, und die Menschen sind nicht ausgestorben.«
»Da hat es auch noch keine Atombomben und andere Vernichtungswaffen gegeben.«
»Es wird hoffentlich verantwortungsbewußte Staatsmänner geben, die das Schlimmste zu verhindern wissen. Ich finde Kriege schrecklich, vor allem wenn sie Völker untereinander vernichten, aber es liegt wohl in der Natur der Menschen, Gewalt einzusetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen.«
»Ein Thema, mit dem wir uns den Tag nicht verderben wollen. Such deine Kinderkleidung aus, ich habe nichts dagegen.«
»Niedlich«, sagte er, als sie die Sachen für die Zwillinge aussuchte.
»Du wirst sie schon mal kennenlernen. Leider wachsen Kinder so schnell. Ich kann schon verstehen, daß Fee Norden noch mal so kleine Babys haben wollte, wenn es auch eine Überraschung war, daß es gleich zwei auf einmal wurden. Aber so ein Pärchen ist besonders reizend.«
Sie sah, wie er sie beobachtete und verspürte wieder dieses nun schon wohlbekannte Kribbeln, das seine Nähe verursachte.
»Eine Tochter möchte ich schon haben, die so ist wie du«, sagte er dicht an ihrem Ohr. »Und ich würde auch hübsche Sachen für sie kaufen.«
»Würdest du?« In ihren Augen blitzte es übermütig. »Männer wollen doch immer zuerst einen Sohn.«
»Ich will aber lieber eine Tochter haben.«
»Dann wirst du sie auch bekommen.«
Wieder wurde es ein großes Paket, das zum Hotel geschickt werden sollte. Sie waren jetzt hungrig geworden und setzten sich in ein französisches Restaurant, aßen Crepes mit verschiedenen Füllungen und tranken Café au lait dazu.
»Mir gefällt es«, sagte Antonia, »morgen schauen wir uns mal die Umgebung an.«
»Das machen wir erst am Tag nach dem Empfang, sonst überstehen wir den Trubel nicht.«
»Ich bin gespannt, was uns geboten wird. Du kennst ja so was, für mich ist es neu.«
»Und mich hat es immer schrecklich gelangweilt, unter vielen fremden Leuten zu sein.«
*
Das sollte am nächsten Abend anders sein. Ein bißchen bange war es Antonia doch. Als sie sich dann in dem grünen Kleid im Spiegel betrachtete, war sie ganz zufrieden. Das Grün stand ihr wirklich besonders gut. Sie war vormittags beim Friseur gewesen, und der hatte ihre Frisur tatsächlich so hinbekommen, wie sie sie haben wollte. Ihr schönes Haar fiel ganz natürlich und glänzte im Lampenlicht. Es erfüllte sie mit Freude, als Niklas sie so bewundernd betrachtete. Er sah blendend aus im Abendanzug. Sie sah ihn ja auch zum ersten Mal so festlich gekleidet. Es war wirklich nicht verwunderlich, daß dieses attraktive Paar Aufsehen erregte.
Der Empfang fand im großen Festsaal des Hotels statt, und es war alles versammelt, was Rang und Namen hatte. Man konnte sagen, daß Antonia wie eine Prinzessin willkommen geheißen wurde. Man war entzückt von ihrer Natürlichkeit.
Sie konnte sich freilich nicht alle Namen merken, die sie genannt bekam, aber einige der Gäste fielen ihr doch besonders angenehm auf, auch die Ehefrauen der beiden Anwälte, die sehr liebenswürdig waren.
»Jetzt wirst du wohl beruhigt sein, daß unsere Anwälte glücklich verheiratet sind«, sagte sie leise zu Niklas.
»Andere verheiratete Männer verschlingen dich auch mit den Blicken«, meinte er.
Es wurde englisch und französisch gesprochen, mit letzterem haperte es bei ihr, aber da überließ sie Niklas die Konversation, und sie konnte ihn damit aufziehen, daß er auch großen Erfolg bei den Damen gehabt hätte. Es war ein gelungenes Fest, bei dem ein ehrender Nachruf auf den großen Antonio Aldamare nicht fehlte. Es wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß seine bezaubernde Tochter sich mit ihrem künftigen Ehemann auch hier niederlassen würde.
»Mir