Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
und war eingetreten.
»Ich verstehe gar nicht, warum meine Tante überhaupt hier ist«, sagte er.
»Keine Angst«, lachte der Bergpfarrer. »Sie werden’s gleich versteh’n. Glaube S’ mir.«
Er führte den Ankömmling hinaus in den Pfarrgarten, wo die Gräfin saß, in der Hand den unvermeidlichen Zigarillo.
»Da bist du ja, mein Junge«, rief Annemarie von Haldenstätten und sprang auf, um ihn zu begrüßen.
»Kannst du mir erklären, was das alles zu bedeuten hat?« fragte er, nachdem er sie umarmt hatte.
»Setzen S’ sich erst einmal, Graf«, sagte Sebastian und deutete auf einen der bequemen Gartenstühle. »Darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Sie sind doch bestimmt durstig, nach der langen Fahrt.«
»Ja. Ein Mineralwasser vielleicht.«
Der Seelsorger ging hinein, um das Getränk zu holen, Alexander sah seine Tante an.
»Also? Was machen wir hier?«
Gräfin Annemarie lächelte.
»Du wirst es nicht glauben«, antwortete sie. »Aber Angela ist auch hier.«
Ihr Neffe fuhr von seinem Platz auf. »Was? Wo? Hier im Pfarrhaus?«
»Nein, sie wohnt in einer Pension«, erklärte Sebastian, der gerade wieder herauskam. »Aber in ein paar Minuten wird sie hier sein. Ich hab’ sie zum Abendessen eingeladen.«
Ungläubiges Staunen machte sich auf dem Gesicht des jungen Grafen breit, als er diese Nachricht vernahm. Er setzte sich wieder und trank einen großen Schluck.
»Also, jetzt aber bitte von vorne«, bat er.
»Gleich«, nickte der Geistliche. »Aber zuerst möchte’ ich von Ihnen wissen, ob sich an Ihren Gefühlen für Angela etwas geändert hat.«
Er sah seinen Gast schmunzelnd an.
»Eigentlich kann ich’s mir net vorstellen«, meinte er. »Und Ihre Tante hat’s mir ja auch schon bestätigt.«
Alexander holte tief Luft.
»Nein«, schüttelte er den Kopf. »Da hat sich nichts geändert. Ich liebe sie immer noch so, wie am ersten Tag.«
Gräfin Annemarie sah Sebastian an.
»Na also«, lachte sie. »Wie ich es Ihnen gesagt habe.«
Dann nahm sie einen Zug von ihrem Zigarillo und lehnte sich zufrieden zurück.
»Gut, Graf, dann will ich Sie net länger auf die Folter spannen und Ihnen alles erklären.«
Alexander von Haldenstätten hörte genau zu, was Sebastian berichtete. Als er von Angelas Unfall hörte, stöhnte er auf.
»Aber, das ist ja Wahnsinn. Und ich habe nichts davon gewußt. Mein Gott, was muß sie gelitten haben!«
»Das hat sie wohl«, nickte der gute Hirte von St. Johann. »Aber die körperlichen Schmerzen sind überstanden. Die seelischen jedoch noch nicht...«
Der Graf sah ihn etwas fragend an.
»Wie meinen Sie das, Hochwürden?«
»Angela weiß, daß sie Ihnen Unrecht getan hat, mit ihrer haltlosen Beschuldigung. Und darunter leidet sie jetzt. Sie wagt net, Ihnen unter die Augen zu treten, aus Angst, Sie könnten sie verachten.«
Wieder sprang Alexander auf.
»Niemals!« rief er erregt. »Ich liebe sie doch. Mehr, als mein Leben!«
»Dann soll sie’s auch endlich erfahren.«
Sebastian sah auf die Uhr.
»Jeden Moment wird sie da sein«, sagte er an die Gräfin gewandt. »Machen wir’s so, wie wir besprochen haben?«
»Ja, und dann werden wir hoffentlich bald essen«, entgegnete die alte Dame. »Alexander, du glaubst nicht, was für eine phantastische Köchin hier im Pfarrhaus arbeitet. So eine hätte ich gerne im Schloß.«
»Ach, Tantchen«, seufzte ihr Neffe, »wenn ich nur Angela wiederbekomme. Dann engagiere ich dir den teuersten Drei-Sterne-Koch Deutschlands.«
»Na«, meinte Gräfin Annemarie zweifelnd, »ob der es tatsächlich mit der Frau Tappert aufnehmen kann?«
*
»Ein Abend im Pfarrhaus wird dir guttun«, hatte Ria Stubler gesagt. »Das bringt dich auf and’re Gedanken.«
»Ja, die kann ich auch gut gebrauchen«, erwiderte Angela und nickte der Zimmerwirtin zu. »Bis später.«
Leichtfüßig sprang sie die Treppe hinunter und lief zur Straße. Sie hatte sich gefreut, als Pfarrer Trenker die Einladung aussprach.
Gleich am Morgen war sie zur Kirche hinübergegangen, in der Hoffnung, den Geistlichen dort anzutreffen. Zu ihrer Freude fand sie ihn in der Sakristei.
»Angela, schön, daß Sie da sind«, hatte er sie begrüßt. »Ich wollt’ heut’ ohnehin zu Ihnen hinüber kommen. Aber jetzt haben S’ mir den Weg erspart. Wie geht’s Ihnen?«
Die junge Frau zuckte die Schulter.
»Darüber wollt’ ich gern’ mit Ihnen reden«, antwortete sie. »Ich bräuchte Ihren Rat.«
»Aber natürlich«, nickte Sebastian Trenker. »Warum machen S’ mir net die Freud’ und kommen heut’ abend zum Essen ins Pfarrhaus? Danach haben wir Zeit, uns über alles zu unterhalten.«
»Sehr gern’, Hochwürden«, freute sie sich.
Als sie jetzt läutete, fühlte sie sich schon viel besser, als noch am Tag zuvor. Am Abend stand Rolands Wagen nicht mehr auf dem Hotelparkplatz. Offenbar war er abgereist, um pünktlich am nächsten Tag wieder in der Klinik zu sein.
Einerseits war sie darüber froh gewesen, andererseits hatte sie ein schlechtes Gewissen.
Vielleicht hätt’ ich noch mal mit ihm reden müssen, überlegte sie. Bestimmt hätte er sie verstanden, und sie wären nicht so voneinander geschieden. Schließlich hatte er es nicht verdient, nach allem, was er für sie getan hatte.
Hoffentlich kann Pfarrer Trenker mir einen Rat geben.
Sebastian öffnete.
»Kommen S’ herein, Angela«, begrüßte er sie. »Wir können gleich schon essen. Hier geht’s lang.«
Er ließ die Besucherin vortreten und öffnete die Tür zum Eßzimmer.
»Geh’n S’ nur schon hinein. Die and’ren kommen auch gleich.«
Angela drehte sich um.
»Die anderen?« fragte sie verwundert. »Aber ich hab’ gedacht...«
Wir wären allein’ und könnten uns unterhalten, hatte sie sagen wollen, aber da hatte Pfarrer Trenker die Tür schon wieder geschlossen und war nicht mehr zu sehen.
Sie sah sich um. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch. Er war für sechs Personen gedeckt. Angela wunderte sich noch mehr. Sie hatte gar nicht damit gerechnet, daß es eine kleine Abendgesellschaft sein würde, zu der sie eingeladen war.
Am Fenster stand ein kleiner Tisch mit zwei Sesseln daneben. Sie setzte sich und war gespannt, wer die anderen Gäste sein würden. Kurz darauf wurde die Tür wieder geöffnet und ein Mann trat ein.
»Guten Abend«, begrüßte er sie. »Sie sind die Frau Holzer, net wahr?«
Er reichte ihr die Hand.
»Max Trenker«, stellte er sich vor.
Die Ähnlichkeit mit dem Pfarrer war unverkennbar, auch wenn er jünger war, als der Geistliche.
Max hatte mehrere Weinflaschen hereingebracht, von denen er eine öffnete.
»Haben S’ auch die Kirchweih besucht?«