G.F. Barner Staffel 4 – Western. G.F. Barner
Cerringa hörte das Brüllen des Schusses über sich und fuhr herum. In derselben Sekunde polterte es drüben am Stall. Die vier Türen flogen mit einem Ruck auf.
Das scheppernde Klirren von Glas ertönte überall. Fensterläden am Haus schnellten auf, und ehe Cerringa einen klaren Gedanken fassen konnte, sah er James Bowlen mit ausgebreiteten Armen vom Pferd kippen. Hinter dem Mexikanerscout polterte irgend etwas. Der Scout hatte die Hand bereits an seinem Revolver, als ihm etwas zwischen die Schulterblätter stieß.
Während der Stoß Cerringa traf, sah er, daß die angeblichen Peones binnen zwei Sekunden in Tonnen und Körbe griffen. Vor Schreck starr stierte Cerringa auf die Waffen, die plötzlich in den Händen der Männer lagen.
»Hände hoch – nicht bewegen!« schrie es gellend über den Hof. »Nehmt die Hände hoch! Wir schießen euch nieder! Die Hände von den Waffen – schnell!«
Im letzten Wagen rutschte Bradford, einer der Texaner, der gerade die Leinen festgebunden und sich nach vorn gebeugt hatte, blitzschnell tiefer. Die Wagen standen in zwei Reihen nebeneinander, und Bradford handelte im Bruchteil eines Augenblicks.
»Verflucht!« knurrte Bradford. »Diese Greaser sollen…«
Seine Hand griff nach der Schrotflinte. Er wußte nicht, daß ihre einzige Chance auf diese nahe Entfernung nur in den Schrotflinten lag. Ohne sehen zu können, was sich rechts hinter dem neben ihm stehenden Wagen abspielte, riß Bradford die schwere Schrotflinte herum.
Jenkins, sein Partner, griff nach der anderen Schrotflinte, zuckte dann aber wie unter einem Peitschenhieb zusammen.
Aus dem Obergeschoß des Hauses, dessen Fensterladen krachend nach dem Aufstoßen an die Mauer geprallt waren, kam der dröhnende, brüllende Hall eines Gewehrschusses. Das Pfeifen der Kugel fuhr so hart an Jenkins vorbei, daß er sich zurückwarf und die Hand von der Flinte nahm.
In derselben Sekunde sah er, wie die Kugel in Bradfords Nacken schlug.
Bradford stürzte gegen den Eisenbügel des Sitzbretts. Dann neigte sich sein Körper weiter nach vorn. Und dann kippte Bradford über die Kastenkante neben dem Vorderrad zu Boden. Dort blieb er liegen, unfähig, sich zu erheben oder nach der Flinte zu greifen, die vor ihm am Boden lag. Sein Stöhnen drang zu dem leichenblaß gewordenen Jenkins empor.
»Nicht bewegen, Gringos – nicht bewegen, stillsitzen, ganz still!«
Die Stimme fauchte über die Wagen hinweg. Petersen, ein bärtiger blonder Mann, ein Riese mit ungeheuren Kräften, stierte auf die Bäume. Er und Johnson hockten auf einem der ersten Wagen, und sie hatten den Blick auf die Bäume zwischen Scheune und Haupthaus frei. Das dichte Blattgewirr hatte sich geteilt, die blanken Läufe der Gewehre blickten auf sie herab.
»Allmächtiger«, keuchte Johnson. »Eine Falle – verdammt – was tun…?«
»Nimm die Hände hoch«, ächzte Petersen, dem eine Gewehrmündung genau zwischen die Augen sah. »Versuche nichts – sie haben uns. Teufel, wie viele sind das?«
Es war an den anderen Wagen nicht besser. Und wenn es einen Fehler in den Berechnungen von Felice Garcia gab, dann den, daß er mit einer anderen Reaktion der verhaßten Gringos gerechnet hatte. Sie waren keine Mexikaner, die auch in einer aussichtslosen Situation, den sicheren und sinnlosen Tod vor Augen, an Widerstand dachten. Diese Männer waren durch hundert Fegefeuer gegangen, und der Krieg war jahrelang ihr Handwerk gewesen. Nur ein Narr kämpfte ohne Aussicht auf Erfolg. Wenngleich jeder Mexikaner gewußt hätte, daß er doch sterben mußte – den Amerikanern blieb immer noch die Hoffnung auf eine spätere Chance.
So reckte Petersen die Arme in die Höhe. Er knurrte voller Grimm dabei, während Johnson die Lippen zusammenpreßte und jetzt die ersten Bravados auf die Wagen zustürmen sah.
»Keine Maximilianos – keine Kaiserlichen«, zischte Petersen zwischen halbgeöffneten Lippen. »Mann, tu, was sie sagen – das sind Banditen – Bravados. Jetzt haben wir nur eine Chance… die Chance zu sterben! Die haben es auf unsere Ladung abgesehen! Vielleicht verschonen sie uns…«
Garcia kam, seinen Spencerkarabiner unter dem Arm, mit einem breiten, satten Grinsen aus dem Haupthaus und blieb auf dem erhöhten Teil an den Baldachinstützen stehen.
»Bueno, ihr seid klüger, als ich gedacht habe«, begrüßte er die Texaner höhnisch. »Wir werden euch jetzt entwaffnen. Ihr seid meine Gefangenen, verstanden? Später nehme ich euch mit, ich habe ein kleines Geschäft mit euch vor, versteht ihr? Die Señores Benson und Hedge besitzen noch viel mehr Waffen. Und werden sie euch jemals wiedersehen, werden sie mehr Waffen für El General Garcia liefern müssen. Sonst… por todos los santos, meine Freunde… werde ich ihnen eure Köpfe schicken. Seid jetzt vernünftig und gebt alles ab, was ihr bei euch tragt. Versteckt keine Waffe, meine Freunde, hört ihr? Wer eine Waffe versteckt, den hänge ich an die Äste der Bäume dort hinten. Adelante – durchsucht ihre Taschen gründlich!«
Es gab keinen Texaner, der nicht mindestens ein Gewehr oder einen Revolver auf die Brust oder in den Bauch gedrückt bekam. Einige standen mit den scharfen Klingen der Machetas am Hals reglos da und mußten es sich gefallen lassen, daß man ihnen die Taschen ausräumte.
Dann tastete man sie ab und stieß sie zu einer Gruppe zusammen. Bowlen lag tot im Hof, aber auch ihm hatte man die Taschen geleert. Jenkins wurde mit Petersen zu Bradford getrieben. Sie mußten ihn aufheben, und dann jagte man sie unter Flüchen und Stößen um das Haupthaus an den nördlichen Seitengiebel. Dort führte eine steile, schmale Steintreppe zu einem Keller hinunter, dessen schwere, eisenbeschlagene Tür aufstand.
»Hinein – alle hinein!« fluchte Garcia drohend. »Es sind dort nur zwei Keller, ich habe sie ausräumen lassen. Versucht nicht die Tür aufzubrechen oder eins der Gitter auszuheben. Meine Soldados werden euch dann erschießen. Hinein mit euch, Gringos, adelante… vorwärts!«
Trevor war einer der ersten Männer, die mit eingezogenen Köpfen in die kühlen, leicht feuchten zwei Steinkeller gestoßen wurden. Auf den ersten Blick sah Trevor, daß die Mauern aus meterdicken Felsbrocken bestanden, die sauber ineinandergefügt und behauen aufgesetzt worden waren. Die Fensterscharten verbreiterten sich nach innen, hatten vorn zwei Finger starke Vierkantstäbe aus Eisen im Kreuzverband und keine Glasfenster. Es waren Schachtlöcher, außen überdeckt von einer Steinplatte, so daß der hier seltene Regen gleich ablaufen und nicht in den. Keller eindringen konnte. Der zweite Blick Trevors ging zur Decke, und hatte er eine Hoffnung gehabt, dann gab es nun keine mehr. Die Decken wölbten sich zur Mitte höher. Sie bestanden aus Felsplatten.
Petersen stieß sich den Kopf. Sie legten den röchelnden Bradford hin, die Tür donnerte hinter ihnen zu. Ein Schlüssel drehte sich im Schloß. Das schwere Dröhnen kam, und sie wußten nun, daß die beiden Balken, die draußen an der Mauer gelehnt hatten, vor die Tür gerammt worden waren. An einem der Fenster zeigte sich plötzlich das eckige Gesicht Felipes. Der Mischling spähte in das Halbdunkel des Kellers hinunter. Sein gellendes, hämisches Lachen schallte durch den Schacht zu den Männern hinab.
»Muy bien!« lachte der Mischling schadenfroh. »Dort sitzt ihr sehr gut… muy bien, Amigos! Macht es euch bequem und schlaft ein wenig. Ihr werdet es auch nicht bei Licht müssen. Es schläft sich viel besser in der Dunkelheit, eh?«
Augenblicke später schabte es. Man warf einige Säcke vor die Schächte, und es wurde stockfinster.
*
Charlton war sieben Jahre jünger gewesen, als er seine Ausbildung zum Artilleristen durchgemacht hatte – und er war, da er sich immer für Waffen interessiert hatte, nicht der schlechteste Artillerist gewesen.
Garcia stand hinter ihm und sah ihm neugierig zu. Die kleine, vierpfündige Kanone, die in einzelnen Traglasten transportiert werden konnte, stand jetzt am Ende der Wagenreihen genau zwischen den Wagen. Die Entfernung bis zum Tor betrug sechzig Schritt. Es war bereits so dunkel, daß Charlton Felipe mit einer Laterne vor das Tor geschickt hatte. Charlton kurbelte das Rohr der Bronzekanone herunter, bis er über die feststehende Visiereinrichtung genau die Lampe sah.
»Diablo«, knurrte