Die Zähmung der wilden Lorinda. Barbara Cartland
einen Mann wie dich.“
„Das wäre möglich.“
„Wer hätte je eine Tigerin gezähmt? Ich wette jede Summe, daß das absolut unmöglich ist.“
Der Mann, der die grüne Maske getragen hatte, schwieg einen Moment und erwiderte dann: „Eintausend Pfund.“
„Ist das dein Ernst?“ fragte der Freund ungläubig. Dann lachte er.
„Die Wette gilt. Den Ausgang dieser wahrhaft heldenhaften Anstrengung möchte ich nicht versäumen, nicht für das Zehnfache der Summe.“
Sie waren bereits ein Stück gefahren, als er ausrief: „Da wir gerade von Tigerinnen in Menschengestalt sprechen, da vorne ist sie, direkt vor uns.“
Er deutete auf eine schwarze Reisekutsche, die den Hügel hinauffuhr und eben die ,Spanische Schenke’ passierte. An den Türen der Kutsche war das Wappen der Cambornes erkennbar.
Die Kutsche war nicht sonderlich auffallend, wäre nicht die Livree des Dieners und des Kutschers so außergewöhnlich gewesen. Anstatt der allgemein üblichen Livreefarben blau, grün oder weinrot, trugen Lady Lorindas Diener Weiß mit Silber abgesetzt.
Der Mann, der die Maske getragen hatte, betrachtete voller Erstaunen die Kutsche und die Diener. Er bemerkte, daß die Kutsche, als sie den Gipfel des Hügels erklommen hatte und langsam durch eine schmale Durchfahrt zwischen der ,Spanischen Schenke’ und dem Schlagbaum fuhr, abrupt stehenblieb.
„Was ist los?“ rief der Freund erschrocken aus.
Er hatte aber auch schon die Erklärung dafür.
„Guter Gott, Straßenräuber! Lady Lorinda soll ausgeraubt werden.“
Er benutzte die Peitsche und trieb seine Pferde an.
Plötzlich hörten sie den Knall eines Pistolenschusses und sahen, wie die Gestalt eines Mannes, der an der geöffneten Tür von Lady Lorindas Kutsche gestanden hatte, rückwärts in den Straßengraben fiel. Ein zweiter Mann, der neben ihm gestanden hatte, lief fort.
Bevor sich die Kutsche der Freunde genähert hatte, fuhr Lady Lorinda in schnellem Tempo davon. Die Freunde hielten neben dem Straßenräuber. Er lag mit ausgebreiteten Armen und Beinen im Graben, eine Hand hielt noch immer die Pistole umfaßt.
Seine Maskierung war verrutscht und gab einen besonders abscheulichen, verbrecherischen Gesichtsausdruck frei. Die rote Blutspur auf seiner Brust ließ keinen Zweifel aufkommen.
Der Kutscher war heruntergesprungen und rief: „Er ist tot, Mylord!“
Der Freund gab das Kommando zum Weiterfahren und sagte: „Dann haben wir hier weiter nichts zu tun.“
Sie fuhren schweigend weiter, bis der Mann, der die Maske getragen hatte, fragte: „War da noch jemand in der Kutsche, oder hat das Mädchen den Mann selbst erschossen?“
„Natürlich hat sie ihn selbst erschossen. Und das war nicht das erste Mal, daß sie schoß“, antwortete sein Freund. Als er fortfuhr, lachte er. „Hier hast du ein vollendetes Beispiel dafür, wie sich die jungen Mädchen heutzutage ihrer Haut zu wehren wissen. Ich hatte schon einige Male etwas darüber reden hören, wie Lady Lorinda mit Straßenräubern und Wegelagerern fertig wird. Nun habe ich es selbst gesehen. Es ist ganz einfach. Wenn ein Räuber die Tür ihrer Kutsche öffnet, zielt sie mit ihrer Pistole auf ihn und schießt ihn tot. Ihre Diener haben keinerlei Arbeit, sie zu beschützen.“
„Jetzt bin ich aber doch überrascht“, bemerkte sein Freund. „Zu meiner Zeit sind Frauen in solcher Lage in Schluchzen ausgebrochen und warteten auf den männlichen Arm, der sich schützend um sie legte.“
„Es gibt noch genügend von der anhänglichen Sorte, wenn es das ist, was du bevorzugst. Und dir mit deinem Reichtum werden sie besonders anhängen.“
Schweigend führen sie dann weiter über Hampstead Heath.
Lady Lorinda lag mit geschlossenen Augen im Fond ihrer Kutsche. Vorher jedoch hatte sie ihre Pistole erneut durchgeladen, erst dann gestattete sie sich eine Erholung von dem Schrecken.
Sie wußte, daß Hamstead Heath oft von Straßenräubern heimgesucht wurde. Sie waren ihr genauso zuwider wie die aufdringlichen Liebhaber.
Lord Edward Hinton war nur einer von ihren vielen Bewunderern, der ein Nein nicht als Antwort gelten lassen wollte. Während sie sich vergegenwärtigte, wie lästig er den ganzen Abend gewesen war, faßte sie den Entschluß, in Zukunft kein Fest mehr zu besuchen, auf dem auch Edward anwesend sein würde.
Ihr heutiger Gastgeber Lord Wroxford war auch nicht viel zurückhaltender, nur konnte er ihr wenigstens keine Heiratsanträge machen, denn er war bereits verheiratet, und wenn er sie verfolgte, so geschah das mit eindeutig unehrenhaften Absichten. Dies aber war, so fand Lorinda, leichter zu ertragen, weil sie Ulrich auslachen konnte, denn es war eher möglich über den Mond zu springen, als sich vorzustellen, daß sie seine Mätresse werden würde. Und trotzdem fuhr Ulrich in seinen Bemühungen um sie in entweder witziger, zynischer oder amüsanter Weise fort.
Leider war der Fall Edward schwieriger. Er hatte so oft damit gedroht, sich umzubringen, wenn sie ihn nicht heiratete, daß sie sich schon langweilte, bevor er den Mund öffnete. Und doch wäre er kein unpassender Ehemann, denn wenn sein Bruder weiterhin nur Töchter und keinen männlichen Erben bekam, hatte Edward die Chance, den Herzogstitel zu erben.
,Wenn ich vernünftig wäre, würde ich ihn heiraten’, sagte Lorinda zu sich selbst. ,Wie aber soll ich für den Rest meines Lebens dieses Jammern nach meiner Liebe ertragen?’
Ähnlich empfand sie auch anderen Männern gegenüber, die ihr nicht nur Reichtum, sondern auch eine hohe gesellschaftliche Stellung bieten konnten. ,Was will ich eigentlich?’ fragte sich Lorinda, während der Wagen den Hampstead Hügel hinter sich ließ. Hier war kaum noch mit Straßenräubern zu rechnen. Die junge Frau hatte die plötzliche Vision einer ununterbrochenen Kette von Bällen und Festen im immer gleichen liederlichen Kreis von Freunden, mit denen sie zur Zeit ständig unterwegs war. Einmal von London nach Brighton oder nach Newmarket zum Rennen, oder nach Bath zur Kur und zurück nach London zu einer neuen Runde ausgelassener Feste.
War das wirklich alles, was sie vom Leben erwartete und erhoffte? Ihr war klar, daß schon morgen all die Witwen und Matronen wieder schnatternd und klatschend über sie herfallen würden wegen ihres nackten Erscheinens als Lady Godiva.
Lord Barrymore, einer der ausschweifend lebenden Peers, hatte gewettet, daß sie das nicht wagen würde. Und das gerade hatte sie zu dem Ritt veranlaßt.
„Ich kann alles machen, was ich will!“ sagte sie laut.
Und sie dachte daran, wie die ganze Geschichte dem König und der Königin in Windsor Castle zugetragen, und ein weiteres Mal auf das schlechte Beispiel und böse Vorbild des Prinz of Wales geschoben werden würde.
,Ach, das ist mir alles egal!’sagte sich Lorinda. Sie sah erleichtert, daß die Fahrt beendet war, denn die Kutsche fuhr gerade vor das Portal von Camborne House vor.
Es war ein großes, unbequemes und ziemlich häßliches Herrenhaus, das vom 7. Earl of Camborne, dem Großvater Lorindas, erbaut worden war. Sie hatte mit einigen Neuerungen das finstere Aussehen des Gebäudes vergessen gemacht. Als der Diener in seiner weißsilbernen Livree die Tür öffnete, stellte sie fest, daß doch alles viel freundlicher wirkte als zu der Zeit, als sie noch ein Kind gewesen war.
„Ist seine Lordschaft zu Hause, Thomas?“ fragte sie.
„Ja, Mylady. Seine Lordschaft ist vor einer halben Stunde nach Hause gekommen und ist in der Bibliothek.“
„Danke, Thomas.“
Sie warf ihren Umhang auf einen Stuhl und schenkte dem entsetzten Blick, mit dem der Diener ihren männlichen Aufzug betrachtete, keine Beachtung. Sie öffnete die Tür zur Bibliothek.
Ihr Vater saß am Schreibtisch in der Mitte des Raumes und lud eine Duellpistole. Als seine Tochter hereinkam, blickte er erstaunt auf. Der Earl of Camborne und Cardis