Mami Staffel 9 – Familienroman. Stephanie von Deyen

Mami Staffel 9 – Familienroman - Stephanie von Deyen


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die ihm alle andichten wollten, war das eigentlich kaum ein Problem.

      Während der Mittagszeit

      herrschte in Granada Ruhe, und kaum jemand sah, wie Mike das inzwischen doch eingeschlafene Kind behutsam auf den Rücksitz legte und danach geduldig seinen Schlaf bewachte. Geduld bewies er auch später, als er mit Emely einen Spielplatz aufsuchte. Er setzte sie in eine ihrem Alter gemäße Schaukel und gab ihr immer wieder einen kleinen Stoß, daß sie jauchzend in die Luft flog, aber sicher durch eine Sperre vor dem Fallen bewahrt wurde. Die nächste Station war ein Sandkasten, in dem Emely voll Ausdauer spielte. Mike zeigte ihr, wie sie einen kleinen Berg aufschichten und einen Gang hindurchbohren konnte. Es waren sehr vergnügliche Stunden, die Mike mit der Kleinen im Park verbrachte.

      Auf dem Rückweg kamen sie an einem Kiosk vorbei, an dem Zeitungen angeboten wurden. Im Vorbeigehen schaute sich Mike die Bilder an. Es waren lauter spanische Publikationen, die er ohnehin nicht lesen konnte. Doch dann blieb er ruckartig stehen. Emely sah erstaunt an ihm hoch.

      »Schau mal hier. Kennst du die Frau?« Mike führte das Kind zum Zeitungsstand und deutete auf das Foto.

      »Mami?« piepste Emely weinerlich.

      »Genau.« Mike legte ein Geldstück auf die dafür vorgesehene Schale und nahm das Blatt an sich. Die Überschrift war dick gedruckt, doch nicht einmal sie wurde Mike in ihrer Bedeutung klar. Von diesem Moment an hatte er es sehr eilig, zu Maurena zu kommen. Sie sollte ihm diesen Zeitungsartikel übersetzen.

      *

      Maurena war sehr beruhigt darüber, daß Mike diesen Tag außer Haus verbrachte und daß auch nicht die Gefahr bestand, daß er vorzeitig zurückkam. Unter einem Vorwand hatte sie auch ihre Mutter weggeschickt und den alten Rosario mit Aufräumungsarbeiten im Keller beauftragt.

      Maurena war aufgeregt an diesem Nachmittag, denn ihr Freund Alfredo hatte seinen Besuch angemeldet. Seit Monaten hatte sie ihn nicht gesehen, doch das tat ihrer Liebe zu ihm keinen Abbruch. Alfredo war der Mann, von dem Maurena heimlich träumte. Der Mann, der das Geld mit vollen Händen ausgab, der immer Zeit hatte und sich nie mit zuviel Arbeit entschuldigte. Alfredo liebte wie sie durchbummelte Nächte und Tage, die erst am Nachmittag begannen. Seine weltmännische Art gefiel ihr und sein oft provozierendes Verhalten, das sich skrupellos über alle Schranken bürgerlicher Moral hinwegsetzte. Alfredo liebte es, Aufsehen zu erregen, im Mittelpunkt zu stehen. Das alles lag Mike nicht.

      Mike war mehr der stille, zuverlässige junge Mann, der ohne zu zögern den vorgeschriebenen Weg ging, bodenständig, gradlinig. Das paßte Maurena absolut nicht, weshalb sie sich sofort für Alfredo entscheiden würde, wenn er ihr einen entsprechenden Antrag machte.

      Die Idee, Mike zu heiraten, stammte von ihrer Mutter, und Maurena war nur darauf eingegangen, weil Alfredo nichts mehr von sich hören ließ. Die Gründe dafür würde er ihr heute sicher erklären.

      Maurena war voll froher Erwartung. Sie duftete wie ein Treibhaus voller Nelken, und der üppig zur Schau gestellte Schmuck glänzte an allen möglichen Stellen ihres Körpers. Natürlich trug Maurena ihr allerschönstes Kleid aus fast durchsichtiger weißer Seide, unterlegt mit einem Netz aus goldenen Fäden. Ihre rote Mähne war ein faszinierender Kontrast dazu.

      Maurena mußte lange warten, bis ein ganz normaler Mittelklassewagen vorfuhr, dem ein dunkelhaariger Mann mit flottem Oberlippenbärtchen entstieg. Ein Goldkettchen blitzte an seinem Hals, seine Kleidung war lässig elegant. Er bewegte sich katzenhaft geschmeidig, stets ein Lächeln um die vollen Lippen.

      »Madonna, ich weiß nicht, wie ich die Zeit ohne dich überleben konnte!« stöhnte er bei Maurenas Anblick. Er breitete die Arme aus und schloß die Geliebtee hinein, auf Wirkung bedacht wie ein Schauspieler auf der Bühne.

      Maurena bemerkte das nicht. Für sie waren Alfredos Schmeicheleien wie betörende Musik, wie ein Feuerwerk in dunkler Nacht.

      »Ich habe so lange auf dich gewartet«, flüsterte sie mit Freudentränen in den Augen.

      »Entschuldige, Madonna, ich konnte nicht kommen. Geschäfte in Südamerika und Australien. Ich muß wieder hin, in den nächsten Tagen schon, und ich möchte dich mitnehmen. Deshalb bin ich zurückgekommen.« Ein heißer Kuß besiegelte diese Aussage.

      »Oh, Alfredo, ist das wahr?«

      »Ich schwöre bei der heiligen Maria!« Alfredo hob drei Finger seiner rechten Hand. An jedem steckte ein dicker Goldring, und das Armband, das er trug, war massives Gold, schwer und teuer.

      Noch standen Maurena und Alfredo in der Eingangshalle von Schloß Derceville. Maurena drängte den Geliebten in den Salon, wo sie einen Drink bereitgestellt hatte. Die Tür zur Halle blieb offen.

      Alfredo zog Maurena sofort wieder an sich. »Ich sterbe vor Sehnsuch nach dir, Madonna. Du bist berauschend schön. Alle Frauen Südamerikas verblassen neben dir. Komm mit, Maurena.«

      Sie sah gläubig wie ein Kind zu ihm auf. »Gern. Aber es ist nicht so einfach. Meine Mutter hat meine Hochzeit arrangiert. Die Gäste sind schon eingeladen.«

      »Vergiß sie, Madonna. Wir fliehen. Wozu Kirchenglocken und Brautschleier? Unser Liebesnest ist die weite Welt. Wir reisen von einem schönen Fleck zum anderen. Alfredo hat Geld genug. Milliarden habe ich verdient in den vergangenen Monaten.«

      Maurena lauschte wie hypnotisiert. Ein heißer Schauer nach dem anderen überflutete ihren Körper. Das war das Leben, von dem sie immer geträumt hatte! Frei und ungezwungen nur dem Vergnügen nachzugehen war doch etwas anderes, als Ehefrau eines Mannes zu werden, der ein Kunststoffwerk leitete und hart arbeiten mußte, um sein Unternehmen konkurrenzfähig zu halten.

      »Ich werde dich verwöhnen, Madonna, wie noch keine Frau verwöhnt worden ist. Jeden deiner Wünsche werde ich erfüllen, noch bevor du ihn ausgesprochen hast.«

      Maurena schwebte auf rosaroten Wolken und hatte nur Augen und Ohren für Alfredo, der ihr so wunderbare Dinge versprach.

      So war es gar nicht erstaunlich, daß sie das Kommen ihrer Mutter überhörte. Elén hatte die Besorgungen schneller erledigt als vorgesehen. Draußen hatte sie das Auto bemerkt und war nun neugierig auf den Besuch.

      Sie kannte Alfredo von früher, hatte ihn aber nie gemocht. Wiederholt warnte sie ihre Tochter vor ihm, denn die Geschäfte, die er betrieb, erschienen Elèn zwielichtig. Um der Tochter Beweise liefern zu können hatte sie sich sogar eingehend mit Alfredos Vergangenheit und seinen angeblich hohen Einkünften befaßt und und fand einiges heraus. Nachdem er nicht mehr kam, kümmerte sich Elèn nicht mehr darum, schließlich hatte sie eigene Sorgen genug.

      Jetzt erkannte sie sofort seine einschmeichelnde Stimme und blieb verblüfft stehen. Was hatte dieser Besuch zu bedeuten? Maurena würde doch nicht… Sofort fiel der besorgten Elèn ein, daß auch Mike demnächst zurückkommen würde. Er war bestimmt nicht begeistert davon, diesen Schönschwätzer hier vorzufinden.

      »Madonna, du bist die Königin meines Herzens, das Brot, das mich am Leben erhält, wichtiger für mich als die Luft zum Atmen. Ich verehre dich wie eine Göttin. Komm mit mir, und laß uns gemeinsam zu den Sternen fliegen. Dorthin, wo noch kein Sterblicher war.«

      Draußen zog Elèn tief die Luft ein und setzte zum Sturm auf den Salon an. Was fiel diesem eitlen Kerl bloß ein? Kam hier her und versuchte, Maurena den Kopf zu verdrehen, und das zwei Wochen vor ihrer Hochzeit. Den Spaß würde sie ihm gründlich verderben!

      »Ich komme mit«, äußerte Maurena laut und deutlich. »Aber ich kann Mama nicht allein lassen. Wir müssen sie mitnehmen.«

      »Deine Mutter?« erkundigte sich Alfredo ernüchtert. »Nein, das paßt mir nicht. Sie würde uns nur behindern. Einen Höhenflug, wie er mir vorschwebt, kann man nur zu zweit machen. Du und ich, Madonna.«

      »Aber…«

      »Kein Aber. Die Alte bleibt hier! Ich hole dich morgen ab. Nimm nur das Nötigste mit. Bitte keinen Schrankkoffer. Wir kaufen alles unterwegs. Ich komme etwa um die gleiche Zeit wie heute.«

      »Alte« hatte er gesagt. Das erzürnte Elèn mehr als alles andere. »Aus


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