G.F. Barner Staffel 1 – Western. G.F. Barner
tue es!« hörte er einen der Shermans sagen. Es war Matt, der jetzt losging und hinter die Pferde trat. »Wenn sie einen dafür einsperren, dann werde ich es sein, Vater.«
»Du nicht!« grollte der Alte. »Geh zur Seite, Junge!«
»Dad, Mutter braucht dich, ich kann ruhig…«
»Halt… hat…«
Der Alte sah sich jäh um, als der Mann sich ächzend meldete und seine Frau hinter ihm in der Tür erschien. Dort stand der Marshal seltsam schief und mit dem frischen Verband um den Kopf. In der Hand hielt er seinen Revolver, aber die Mündung wackelte – der ganze Mann schwankte.
So, dachte der Alte, hat sie ihn doch munter machen können? Es ist zu weit, Marshal, du kannst nicht treffen. Auf die Entfernung würde nicht mal ein Scharfschütze bei voller Gesundheit eine Kugel ins Ziel bringen.
»Halt, Sherman, sie gehören vor eine Jury, sie gehören…«
»Weg mit dir, Junge!« knirschte der Alte und schleuderte seinen Sohn zur Seite. »Der wird sie nicht ins Jail stecken, damit sie dem Sheriff den Hals durchschneiden und noch mal entwischen, um wieder zu morden.«
Er holte aus, sah sich kurz um und den Marshal an der Tür in die Knie gehen.
Die Pferde wieherten grell, als der Alte ihnen auf die Kruppe schlug. Sie sprangen an, rasten los.
Nein, dachte der Alte, nicht noch eine Chance für diese Mörder, sie hatten schon zu viele. Sie hätten Mary umgebracht, sie hätten unsere gute Mutter kaltblütig ermordet. Ich habe immer zu dem gestanden, was ich getan habe, ich werde es auch diesmal tun. Irgendwann wird dieser Marshal auf einigen Friedhöfen Gräber öffnen lassen und Tote finden, und es wird vor dem Tag sein, an dem ich vor die Jury treten muß. Irgendwann werden sie in den Spalt an Seilen hinabsteigen und die Frau herausholen, vielleicht auch die Tasche. Ja, es wird einige geben, die sagen werden, daß ich es nicht tun durfte, aber es werden andere da sein – die meisten. Und sie werden sagen:
»William, du hast nur das getan, was wir auch getan hätten. Wir sind das Gesetz, William Sherman, wir, das Volk – und wir sagen dir, du hast es in unserem Namen getan.«
Der Alte hob den Kopf und sah zu den auspendelnden Stricken. Sein Gesicht war starr und wie aus Stein gehauen, als er sich umdrehte und zu seinem Haus ging, wo der Marshal am Boden saß und ihn wie ein Mann, der gleich umfallen würde, ansah.
»Du kannst mich mitnehmen, wenn du wieder reiten kannst«, sagte er langsam und schwer. »Du kannst mich auch auf meiner Ranch lassen, denn ich werde nicht davonlaufen, Marshal. Ich weiß genau, was du jetzt denkst, Logan, aber ich denke auch – an ein paar Leute, an die Frau und die Kinder von James Flemming, an einen alten Prospektor, der einmal am Ende seines Lebens Glück hatte und den Halunken begegnete. Sicher, ich bin kein Richter, ich bin schuldig, aber ich würde es noch einmal tun. Und dabei bleibe ich!«
»Früher, Sherman, früher gab es hier kein Gesetz, aber heute…«
»Wo war das Gesetz, als Flemming starb, Mann? Hat es ihm geholfen, hat es verhindert, daß er sterben mußte? Und die anderen, hat sie das Gesetz schützen können? Marshal, all das werde ich den Richter fragen, wir wollen uns nicht streiten, du bist ein kranker Mann!«
»Laß sie abnehmen, Mann!«
»Ja, aber noch nicht, Marshal. Du gehörst ins Bett, Mister. Dann werde ich mich um das Gesindel kümmern!«
Sie werden ihn nicht verurteilen, dachte Bill Logan, ich kenne dieses Land und seine Menschen. Wenn ich mir vorstelle, jemand wie diese Halunken hätte mir Scarlett umbringen wollen? Ich weiß nicht, was ich getan hätte. Mein Gott, Scarlett, sie reißt mir den Kopf ab. Ich wette, sie ist mir mit Pacco nachgeritten und taucht hier bald auf. Sie reißt mir glatt den Kopf ab.
Bill wollte aufstehen, aber da begann sich der Vorbau zu drehen. Die Sonne ging unter, der Himmel wurde schwarz…
*
Draußen redeten zwanzig Leute durcheinander, aber Logan hörte nicht hin. Er sah mit hämmerndem Puls zur Tür, wo das Halbblut mit verschränkten Armen lehnte und ihn aus seinen schrägstehenden Augen anfunkelte.
»Tut Pacco mächtig viel leid«, sagte das Halbblut kehlig. »Sie sagen, Pacco finden Marshal, verlieren nicht Spur, sonst sie schießen Pacco auf Mond. Tut mir leid, Patron!«
»Verschwinde, Pacco! Du bist absichtlich so langsam geritten, daß wir diesen Kerl nicht einholen konnten. Hau ab!«
»Si, Señorita!«
Sie kam herein, das blonde Haar zerzaust, den Hut im Nacken und das Gesicht wie die Sachen voll Staub. Pacco schloß die Tür von draußen und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen sie. Er hätte niemanden hinein gelassen!
»Du!« fauchte sie los. »Du, dich sollte man! Soll liegen, darf nicht aufstehen, liegt fünf Tage, steigt heimlich aus dem Fenster, verschwindet – aaah!«
»Ich wollte dir nur beweisen, daß sich der Doc irrte«, sagte er ganz ruhig. »Sie hätten die Stute nicht behalten dürfen, ich ahnte, daß sie die Stute hatten. Arrow wittert einmal eine Stute, dann folgt er ihr bis ans Ende der Welt, wenn er darf – auch noch nach acht Tagen. Sollte ich achteinhalb Tage liegenbleiben, bis die Witterung auch nicht mehr von Arrow genommen werden konnte? Was hättest du gemacht, wenn ich mit dir darüber gesprochen hätte.«
»Bill Logan, wenn du jemals wieder heimlich aus unserem Haus kletterst, um davonzureiten…«
»Mach so weiter, mach nur so weiter, Scarlett Parkinson. Hier liegt ein todkranker Mann, den du leicht beschimpfen kannst. Immer mach nur so weiter!«
»Bill, ich bin beinahe verrückt geworden. Ich bin…«
»Ich bin todkrank, ich sterbe…«
»Ach, du – du wirst dich nie ändern, das schaffe ich nicht, wie?«
»Nur schwer, Scarlett.«
Sie hockte schon auf der Bettkante und strich über seinen Verband.
»Schon besser, Scarlett. Du bist noch viel zu weit entfernt, Miß.«
»Ja?« flüsterte sie und beugte sich tiefer über ihn. »Nahe genug?«
»Noch zu weit!«
»Ach, Bill, du bist schrecklich, aber ich – ich liebe dich!«
Bill Logan grinste, bis sie seinen Mund mit den Lippen berührte und seufzte:
»Du bringst mich noch um.«
Danach gab es nichts mehr zu reden. Bis auf das Seufzen und Knarren des Bettes war alles ruhig.
Draußen lehnte einer an der Tür und ließ niemand vorbei. Sein Boß hatte jetzt keine Zeit für anderen Besuch, höchstens für sein Pferd, für das würde er immer Zeit haben.
Pferd und Frau, dachte Pacco Segali, richtiger Mann nur zwei Dinge brauchen – Pferd und Frau.
Nicht Frau und Pferd?
Nicht bei Pacco, dem Halbblut. Er wäre nie auf die Idee gekommen, daß es umgekehrt auch gegangen wäre. Ein Pferd und eine Frau – mehr braucht kein Mann!
Es war ein Gefühl, das Clancy nicht beschreiben konnte. Vielleicht hatte dieses Gefühl Ähnlichkeit mit dem Druck eines Messers, das ihm jemand an den Hals hielt. Oder es war wie die Wucht eines Revolverlaufes, der sich in seinen Bauch preßte. Er hatte diese Ahnung schon öfters gehabt, und er hatte sie nun schon wieder. Sie kam und ließ den Schweiß aus den Poren perlen.
Clancy wendete den Kopf.
Dann sah er das Blinken auf dem Felsen, ebenso einen Hut. Im selben Augenblick warf er sich zur rechten Seite und wußte, daß der Knall kommen mußte. Ihm blieb keine Sekunde mehr. Ein Würgen preßte seine Kehle zusammen, und da war