Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
Er lief schneller vorwärts, stieß mit dem Kopf gegen ein tückisch vorspringendes Felsstück und taumelte benommen zurück.
Sekundenlang kniete er am Boden und rang nach Atem.
Er mußte das Gewehr auf die Schulter nehmen, um mit beiden ausgestreckten Händen weiterzugehen, denn der Fels hatte jetzt zu beiden Seiten so weit vorspringende Gesteinsfinger, daß er ständig Gefahr lief, sich zu verletzen.
Aber in der Mitte des Weges mußte eine freie Passage sein, denn sonst war es ausgeschlossen, daß hier ein Reiter zum See hinuntergelangen konnte.
Zum See? War es der Weg zum See?
Mit dieser bangen Frage zermarterte der Mann sein Hirn, während er weiter und weiter talwärts stürmte.
Es schien eine ganze Ewigkeit vergangen zu sein, als er plötzlich vor sich einen Lichtschimmer in dem fast stockdunkel gewordenen Felskamin auftauchen sah.
Er hastete ihm entgegen, sprang jetzt mit weiten Sätzen vorwärts – und sah zur Rechten hinter dem zurückfallenden Fels, fast auf seiner Höhe, den Spiegel des Sees im Sternenlicht blinken. Wie ein rubinroter Finger zog sich der Schein des Feuers drüben aus der Ufernische in das Wasser.
Holliday war unwillkürlich stehengeblieben. Er mußte jetzt größere Vorsicht walten lassen, denn da sich die Vermutung nur bestätigt hatte, daß dieser Weg zum See führte, war auch mit Sicherheit anzunehmen, daß die Galgenmänner ihn bewachen ließen.
Nichts einfacher als das: sie brauchten bloß hier einen einzigen Posten mit einem Gewehr aufzustellen, der jeden, der den Felskamin verließ, niederschoß.
Holliday stand noch am Ausgang im Dunkel und starrte auf das Wasser hinüber.
Zwanzig Yard weiter vorn kam noch ein einzelner Felsbrocken, der zum Wasser abfiel und tiefe Dunkelheit auf den Weg zu den Bäumen warf.
Wenn es hier einen Posten gab, dann saß er da!
Wie sollte der Georgier über diese freie lichte Stelle hier kommen?
Wenn er sich jetzt vorwärtsbewegte, mußte er damit rechnen, daß der Mann ihn sofort sah und augenblicklich schoß.
Aber er hatte keine Zeit zu verlieren. Er mußte vorwärts!
Drüben am Ufer sah er jetzt zwei, drei Männer herumlaufen, die immer noch nach dem Boot zu suchen schienen.
War es schon geschehen? Hatten sie ihn schon getötet? Diese Frage würgte dem Mann in der Kehle und ließ ihm einen eisigen Schauer über den Rücken rinnen.
Ich kann nicht warten!
Mit weiten Sätzen schnellte er plötzlich vorwärts.
Und da sah er einen Schatten aus dem Dunkel auf sich zuschnellen.
Doc Holliday warf sich zur Seite und riß das schwere Gewehr mit dem Kolben herum und traf den Mann am Schädel.
Blitzschnell beugte er sich über den Niedergesunkenen und tastete ihn ab.
Eine Kapuze!
Er nahm sie sofort an sich und stülpte sie sich über den Kopf.
Es zeigte sich, daß sich durch die beiden Augenlöcher sehr gut sehen ließ.
Rasch ging er weiter.
Jetzt hatte er die ersten Bäume erreicht und atmete auf, als er in ihrem Dunkel untergetaucht war.
Diese leichtsinnigen Halunken hatten tatsächlich nur einen einzigen Wächter aufgestellt.
Holliday ging schneller vorwärts, da die Geräusche, die die Männer noch im Wald mit ihrem Suchen verursachten, seine eigenen Schritte übertönten.
Als er bis auf etwa siebzig Yard an die Schneise herangekommen war, sah er, daß Wyatt Earp noch oben auf dem Podium stand.
Er lebte!
Was jetzt? Holliday hatte sich bis zu diesem Augenblick noch keinen Gedanken über das gemacht, was nun folgen sollte.
Er mußte jetzt handeln. Rasch und entschlossen.
Er hatte die Kapuzenmänner nicht gezählt; aber es waren ihrer wenigstens fünfundzwanzig.
Aber weder der Mann aus Georgia noch der Missourier hatten je ihre Feinde gezählt.
Doc Holliday ging langsam vorwärts…
*
Die Kapuzenmänner suchten das Boot.
Es war ihnen unbegreiflich, daß es so schwer zu finden sein sollte. Der Mann konnte es doch nicht in Luft aufgelöst haben. Und mit einem Boot mußte er gekommen sein – eine andere Möglichkeit gab es doch gar nicht. Die Felsen fielen derart steil ab an den Seiten des Waldstückes und drüben an dem See erst recht, daß es ganz ausgeschlossen schien, über diese Steilwände hinweg hier herunterzukommen.
Nein, nein, der Mann mußte mit einem Boot gekommen sein.
Denn über den Saumpfad konnte er ja nicht an den Wald gelangt sein, da saß ja der Posten.
Der Posten! Der Mann mit dem schwarzen Punkt auf der grauen Kapuze hatte plötzlich einen sonderbaren Gedanken. Wie nun, wenn der Posten nicht mehr vorn in der Enge saß, wenn dieser Mann hier ihn überwältigt hatte?
Er selbst, der Anführer, wandte sich ab und machte sich auf den Weg zu dem Platz, an dem er den Posten wußte.
Doc Holliday, der sein Augenmerk besonders auf diesen Mann, der in der Mitte des Kreises vor dem Feuer gestanden hatte, richtete, sah ihn sofort, wandte sich um und eilte zurück.
Auch jetzt wurden seine hastenden Schritte von den Geräuschen, die die Kapuzenmänner mit ihrem Suchen verursachten, übertönt.
Der Gambler fand den Posten noch schwer betäubt in der Mitte des Weges liegen, zerrte ihn zurück an den Stein und trat dann in die Mitte des Pfades.
Da sah er vorn an den letzten Bäumen die Gestalt des Anführers auftauchen.
Der hob die Hand.
Da nahm auch Holliday die linke Hand hoch und winkte.
Der Anführer blieb stehen.
Er hat Verdacht geschöpft, blitzte es durch das Hirn des Spielers. Seine Rechte tastete sich zum Revolver. In der Linken hatte er das Gewehr. Unmerklich nahm er den vernickelten Frontier-Revolver aus dem Halfter und hielt ihn schußbereit an der Hüfte.
Aber da drehte sich der Kapuzenmann langsam um und ging unter den Bäumen her zu der Schneise zurück.
Holliday folgte ihm in einem Abstand von etwa sechzig Yard.
Noch einmal würde ihm dieser Trick sicher nicht gelingen. Aber was sollte er jetzt tun?
Der Ring! Konnte ihnen der Ring keine Hilfe bringen?
Aber der Marshal hatte doch auch einen Ring und stand dennoch unter dem Galgen.
»Ich muß es trotzdem versuchen«, flüsterte der Spieler tonlos vor sich hin und ging langsam vorwärts, unter den Bäumen dahin, auf die Schneise zu.
In diesem Augenblick stieß an der Hütte einer der Banditen einen erstickten Schrei aus.
Sofort liefen mehrere seiner Kumpane zu ihm hin und standen um ihn herum.
Dann eilten sie auf den Lagerplatz zu, auf dem nur noch sechs Männer mit dem Anführer um das Feuer herum standen.
Der Mann, der vorhin den Schrei ausgestoßen hatte, kam auf den Boß zu und hielt ihm die ausgestreckte Hand hin, auf der ein kleiner Gegenstand funkelte.
Ein goldener Ring.
Der Boß der Kapuzenmänner starrte unverwandt auf das Metall, das vorn auf seiner abgeplatteten Siegelfläche ein großes eingraviertes Dreieck trug.
Da flog der Kopf hoch, und seine kalten hellen Augen fixierten den Mann oben auf dem Galgenplatz.
Langsam