Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
nichts dergleichen geschah.
Wyatt verlangsamte das Tempo noch mehr und ritt schließlich in leichtem Trab weiter.
Die drei Pferde liefen treu in seiner Spur und dachten gar nicht daran, ihn allein zu lassen.
Welch ein höllisches Land, dieses Arizona! In und um Tombstone herum lauerten mehr Gefahren als sonst irgendwo im weiten Westen.
*
Es war früher Vormittag, als ein Reiter vor der silberweißen Flugsandspur her durch das flache Kaktusfeld auf die Weidepfähle der Clanton-Ranch zuhielt.
Es war weit und breit kein Mensch zu sehen.
Der Mann preschte auf den geräumigen Hof und sprang vor der Veranda des Wohnhauses aus dem Sattel.
Da wurde oben die Fliegentür aufgestoßen.
Der Mann, der in ihrem Rahmen stand, war groß, breitschultrig, hatte eine stolze, aufrechte Haltung und ein sonderbar dunkles olivfarbenes Gesicht, das von einem bernsteinglimmenden Augenpaar beherrscht wurde. Den braunen Hut mit der breiten Krempe hatte er tief bis über die rechte Augenbraue gezogen. Er trug ein graues Hemd, eine grüne Weste und braune Hosen, die über die mit Steppereien besetzten Stiefel liefen.
Ein Mann also, der dem flüchtigen Betrachter kaum einen Blick abforderte und doch einen Namen hatte, der in diesem Land einen tönenden Klang besaß.
Ike Clanton!
Ein Name wie ein Revolverschuß, wie eine ganze Salve von Schüssen, die sich an den Wänden der Canyons des heißen Arizonas brachen. Ein Name, der bis hinein in die letzten Winkel dieses Landes Furcht und Schrecken verbreitet hatte. Ein sonderbarer Mensch, dieser Isaac Joseph Clanton. Wie er jetzt so dastand, schien er nichts von dem berühmten Bandenführer an sich zu haben, der er doch gewesen war. Von dem tolldreisten Rebellen, der ein volles Jahrzehnt wie ein ungebärdiger Büffel einen wilden Kampf der Auflehnung gegen jeden Zwang, den ihm das Gesetz in dieses Land zu bringen schien, geführt hatte.
Ike Clanton hatte seinen härtesten Gegner in Wyatt Earp gefunden und war damals, als die Schicksalsstunde seiner Gang schlug, dem eigenen Untergang auf dramatische Weise entronnen.
Was tat er jetzt, dieser Isaac Joseph Clanton? War er der einfache, mittelmäßige Rancher, der er zu sein vorgab? Oder führte er insgeheim jene unheimliche Organisation an, die Südarizona mehr und mehr in Schrecken versetzte und die unter dem Namen ›Galgenmänner‹ schon im ganzen Südwesten bekannt war?
Auf den ersten Blick wirkte er durchaus unauffällig – und dennoch ging etwas Besonderes von diesem Mann aus.
Wer ihn genauer betrachtete, mußte feststellen, daß es von seinen Augen ausging. Es schien ständig ein Glimmen in ihren Tiefen zu sein, das eine seltsame Wirkung auf den ausübte, der in diese Augen hineinsah. Sie schienen eine merkwürdige Kraft zu besitzen, andere Menschen festzuhalten, mit dem Blick zu bannen.
Jetzt schob der Rancher seine Daumen in die Westenausschnitte, sog den mächtigen Brustkasten prall voll Luft, legte das Löwenhaupt zurück und maß den Ankömmling mit einem unwilligen Blick.
Dieser war ein Mann, der sicher acht Jahre jünger war als Clanton, aber auch 1,80 maß, dafür jedoch schlanker und sehniger als der Rancher war. Er hatte ein scharfgeschnittenes, ausdrucksvolles, fast schön zu nennendes Gesicht und trug einen eleganten schwarzen Anzug nach mexikanischem Schnitt.
Es war Kirk McLowery!
Der einstige Cowboy aus dem San Pedro Valley nahm seinen breitrandigen schwarzen Hut ab und klopfte den Staub an einem Vorbaupfeiler heraus.
Sekundenlang herrschte tiefste Stille zwischen den beiden Männern.
Dann sprangen die Lippen des Ranchers plötzlich auseinander wie Gesteinsbrocken bei einem Erdbeben. »Was willst du?«
McLowerys Gesicht verhärtete sich ob dieser unfreundlichen Anrede. Der selbstherrliche junge Mann war es nicht gewohnt, daß man so mit ihm sprach. Was schon bei seinem älteren Bruder Frank in großem Maße zu spüren gewesen war, nämlich die spöttische Überlegenheit, das Herrschenwollen und das Absondern von der Masse, bestimmte sein Wesen völlig.
Zwar war auch er von der eindrucksvollen Erscheinung Ike Clantons fasziniert, aber er glaubte doch, sich auch gegen diesen Mann stärker durchsetzen zu müssen.
Er setzte den Hut wieder auf, zündete sich eine Zigarette an, stieß den Rauch durch die Nase und fragte, ohne den Rancher anzusehen:
»Willst du mich nicht ins Haus bitten?«
»Nein, weshalb sollte ich das«, entgegnete der Rancher kalt.
Flammende Röte übergoß das Gesicht des jüngeren Mannes. Er warf den Kopf hoch und schnarrte:
»Waren meine Brüder nicht deine Freunde?«
Ein verächtliches Lächeln zuckte um die Mundwinkel des einstigen Bandenführers.
»Nein, Kirk, sie waren nicht meine Freunde. Und falls es dich interessiert, ich habe niemals einen Freund gehabt!«
»Unsere Familien sind verwandt miteinander«, empörte sich der Bursche.
»Pah, verwandt! Über fünfundzwanzig Ecken! Vielleicht bin ich ebenso mit dem Gouverneur und mit irgendeinem Teppichhändler drüben in Mexiko verwandt.«
Kirk schluckte die harte Abweisung hinunter.
»Well, wie du willst. Wir können auch hier draußen sprechen. Erstens soll ich dir sagen, daß sie dich heute abend im Crystal Palace erwarten.«
Verwunderung trat in die Augen des Ranchers.
»Wer – erwartet mich?«
»Wir!«
»Wer ist wir?«
»Ich und meine Freunde. Und die anderen…«
»Ich würde an deiner Stelle mit der Bezeichnung Freund vorsichtiger umgehen, Junge. Mir hätte um ein Haar einer meiner Freunde eine Kugel in den Rücken gejagt, wegen eines Mädchens, das ich übrigens nicht einmal haben wollte.«
»Dir? Eine Kugel in den Rücken?« fragte der Bursche verblüfft. »Das kann doch nicht wahr sein.«
»Doch, und wenn du wissen willst, wie dieser Freund hieß: – ich betrachte ihn übrigens bis zu dieser Stunde als meinen Freund – Frank Robert McLowery.«
»Nein!« schrie Kirk und wich zurück. Fahle Blässe überzog sein scharfes Gesicht. Ein Revolver funkelte in seiner Linken. »Du willst mich demütigen, Ike, weil du spürst, daß ich dein Nachfolger werden könnte. Daß ich größer werden könnte als du. Deshalb schleuderst du mir eine so abscheuliche Lüge entgegen!«
Der Rancher sah ihn voller Spott an. Schließlich sagte er:
»Klettere auf deinen Gaul und reite nach Hause, Junge. Da wirst du einen grauhaarigen alten Mann finden, der damals bei mir war, als dein Bruder mich fast niedergeschossen hat. Er war es nämlich, der Frank mit einem schnelleren Schuß den Colt aus der Hand stieß. Dieser Mann ist dein Vater. Und jetzt reite!«
Kirk schluckte. Immer noch hatte er den Revolver, in dessen vernickeltem Lauf sich grell das Sonnenlicht brach, in der Hand.
»Du haßt mich, Ike. Aber ich werde dir beweisen, daß ich der Größere bin. Jetzt schon kann ich dir es beweisen. Du hast fünf Jahre mit Wyatt Earp gekämpft und ihn nicht besiegen können. Ich habe ihn in einer einzigen Nacht geschlagen.« Und dann spie er dem Mann auf dem Vorbau die nächsten Worte förmlich entgegen: »Wyatt Earp ist tot!«
»Bluffer«, kam es ungerührt von Ikes Lippen.
»Er ist tot!« schrie Kirk mit sich überschlagender Stimme. Er schlug den rechten Rockschoß zurück, stieß den Colt mit der Linken ins Halfter zurück und zog mit der Rechten einen schweren schwarzknäufigen Revolver mit überlangem, sechskantigem Lauf aus dem Hosengurt.
»Hier, Ike Clanton, kennst du das?«
Und