Polnische Novellen. Wladislaw Reymont

Polnische Novellen - Wladislaw Reymont


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– klang es ein jedes Mal lärmig, verworren und mit betäubendem Geklirr – und gleich stampften die Stiefelabsätze draufgängerischer los, stiegen die heiseren Juchzer noch kecker auf, und das qualmende Lämpchen schien hüpfen zu wollen und paffte Russ auf die im Tanze wie Mäntel sich blähenden weissen Haartuchkittel der Männer. Der Dunst des auf den Stiefeln und an der Eingangstür tauenden Schnees, der Zigarettenqualm und das Halbdunkel, das in der grossen Schankstube herrschte, hüllte die Tanzenden wie in Schleier ein, so dass nur hin und wieder ihre roten Gesichter, undeutlichen Körperumrisse und die grellen Flecke ihrer Trachten aus dem selbstvergessen sich wiegenden, bunten Menschenknäuel hervorglühten.

      – Und wer will mir die-nen, die-nen, cha ... cha ... cha ... hi ... hi ... hi ... – kicherten lustig die Geigen.

      – Ich will's tun, gerne tun ... u ... u ... uh ... – brummelten die hopsenden Bassgeigen ihnen Antwort zu, und alsogleich hüben sie gemeinsam an zu lachen, zu schäkern und mit ihren lustigen Stimmen alle Ecken zu füllen, dass die Schenke unter der Flut einer trunkenen Lustigkeit zu erzittern schien.

      Ein Weibstück ist ganz toll geworden

       Und verrückt die zweite.

       Die dritte hat der Teufel holen:

       Reit zur Hölle, reite!

      sang plötzlich einer laut los, wie zum Anreiz, und als Antwort stiegen von allüberall immer neue Liedlein und sprühten immer ausgelassenere Lustigkeit um sich.

      Tomek sass noch immerzu in Gedanken versunken da; er hatte sich gerade ein zweites Glas eingeschenkt, als es ihm einer der vorüberwirbelnden Tänzer umstiess. Wütend holte er aus und versetzte der Tänzerin des Burschen einen Fusstritt, dann stand er auf, denn vom Fenster begann allmählich die Kälte auf ihn einzudringen. Allein sitzen mochte er nicht mehr, so begab er sich denn in die hinter dem Schanktisch gelegene Giebelkammer.

      Auch dort war es gedrängt voll, die Leute hielten ihre Schnapsflaschen umkrallt, klammerten sich aneinander, umarmten sich, nahmen den Mund voll und tranken einander zu, dass es eine Art hatte. Die Weiber verdeckten schamhaft ihre Gesichter mit den Beiderwandschürzen und schlürften den Branntwein mit Begehrlichkeit. Eine ehrliche Bewirtung machte sich allenthalben breit – echt und recht wie es sein muss, katholisch! Hatte einer Geld, sich Arrak zu leisten – dann eben Arrak, reichte es zum Sprit mit »Essenz« – dann solchen, und kam er nur bis zum Fusel – .. dann Fusel auf den Tisch, oder auch Bier, wenn er Geld hatte sich so was zu leisten.

      Jeder bewirtete von Herzen mit heller Festfreude.

      Alle waren schon angetrunken, aber schaden tat das nichts: einmal muss ja doch die Ziege sterben! Ein Schnäpslein in Ehren hat noch keinen sündig gemacht, und die arme Menschenseele braucht ab und zu etwas zum Trost, wenn auch nur ein Tröpfchen gegen die Sorgen.

      »Oh, du verfluchter Hund!« lallte ein betrunkener Bauer wütend gegen den Kamin an, »so ein Gevatter bist du! Hä ... hä ... warte einmal! ... Und ich ihn so, und er mich so ... Warte, du Aas! ... Und ich ihn an die Rockklappe, und er mir eins aufs Maul! ... Aufs Maul, sagst du! warte, du pestige Sau! ... So ein Gevatter bist du, du Hundesohn, so ein Christ! ... und er mir eins, und ich ihm in die Schnauze! ... Ich, der Bartek ... ich ... versteht sich, dass ich der bin! habe schon manchen rumgekriegt, auch du sollst dran glauben müssen ... Hundevieh, verfluchtes! ... dich krieg' ich schon noch ... warte einmal! ... Hähä ... Und ich ihn so, und er mich so – und ich sage zu ihm höflich: Bruderherz! ... und er mir eins aufs Maul, – und ich sage ihm: Gevatter! ... und er noch eins aufs Maul! ... und ich sage ihm: so ein Gevatter bist du, so'n Christ? ... dich werd' ich ...« er murmelte immer undeutlicher vor sich hin und hämmerte mit der Faust gegen den Kamin an, dass es dumpf dröhnte, dann horchte er noch eine Weile, stellte sich breit auf und nickte alsbald, schlaftrunken torkelnd, vor sich hin.

      Hinterm Weiher steh' ich,

       Hinterm Weiher geh' ich.

       Möcht' dich gerne küssen,

       Kann dich, Lieb, nicht missen ...

       Will den Kuss dem Blättlein geben,

       Trägt ihn wohl zu dir, mein Leben!

      sang jetzt laut die Karline, dieselbe, die während der Kartoffelernte ihren Mann begraben hatte und jetzt als Witwe auf ihren fünfzehn Morgen Weizenboden mit einem Pferd und etlichen Kühen sass, ausserdem war da auch noch das guterhaltene Zeug des Seligen, für den etwaigen Nachfolger. Sie wandte sich stürmisch einem jungen Burschen zu, der etwas abseits an der Wand stand, und sang ihm abermals ein solches:

      Wojtek, Wojtek, sei nicht bang,

       Sitz nicht auf der Ofenbank!

       Komm zur Wittib, wirst schon sehen,

       Hast bei ihr nichts auszustehen.

      »Wojtek, in deine Hände, mein Junge! Dumm bist du, was sollst du denn vor den Eltern bange sein. Wie ich gesagt habe: wenn ich dir den Grund und Boden verschreibe, dann werd' ich ihn auch verschreiben, ist doch mein Eigentum, etwa nicht?«

      Wirst sein wie im Himmel, mein Schatz, ohne Sorgen:

       Kriegst Käse zu Abend – ein Huhn jeden Morgen!

      »Verneig' dich schön vor dem geistlichen Vater, bezahl' das Aufgebot, ein Schweinchen wollen wir schlachten, Napfkuchen wollen wir backen, Arrak kaufen, wollen lustig sein und saufen und eine Hochzeit herrichten, dass ... ha!«

      »Sieh einer das Frauenzimmer, alt und immer noch dumm! Zähne hat sie keine und möchte beissen!« liess sich einer von der Seite vernehmen.

      »Hale! Steck' deine Glotzen anderswohin, als einem zwischen die Zähne. Seht mal diesen Hundesohn! ...« wehrte Karline hitzig ab.

      »Immer ruhig! ruhig, Gevatterin, ich will Euch etwas sagen.«

      »Sagt es einem Hund! Mit einem Paletot hat sich das Gestell aufgeputzt und glaubt, dass er ein grosser Herr ist – und wenn du auch im Dorf herumkläffst wie'n Hund, von mir aus hast du keinen Schnaps zu erwarten. Ich werd' dir keinen in deinen Rachen giessen.«

      Sie wandte sich wiederum dem Wojtek zu, zog ihn in eine Ecke und redete weiter auf ihn ein. Neben ihnen, an einem kleinen Tisch, sassen zwei Bauern, sie tranken ab und zu einen Schluck aus einer bauchigen Flasche. Der eine kratzte sich den Schädel und schwieg, der andere machte breite Armbewegungen und redete in einem fort.

      »Merkt Euch das, ich, der Czerwinski, hab' es Euch gesagt: allerhand böses Zeug hat sich an mich gehängt, wie die Weiber an die Judenstute, ich aber ... nichts! Die Frau ist mir im Kindbett draufgegangen – ich nichts! Die Pferde haben mir die Diebe gestohlen – ich nichts! Ich warte bloss zu ... Der Jendrek hat die Pocken bekommen – oh, hundsverdammt! Da hab' ich aber Schnaps mit Fettigkeit getrunken, Hochwürden habe ich Geld für eine Messe hingetragen – und weg war es, – wie weggezaubert! Mach' es ebenso, Gschela, und du wirst sehen, dass es hilft. Czerwinski sagt dir das, dem Czerwinski kannst du es schon glauben, dass es so ist.«

      »So'n Schwarm Kinder, wie auf dem Hof das liebe Federvieh, und die Frau dazu bettlägerig, die Steuern müssen bezahlt werden, die Kartoffeln sind mir erfroren, die Not pfeift bei einem nur so ein und aus – und gegen all das, was hat man: einen zerbrochenen Stecken! Ih, mein Gott, mein Gott! Trinkt mir zu, mein Guter. Es scheint mir, dass ich es nicht schaffen werde, ich überleg' mir alles von dieser Seite und von der anderen Seite, rein gar nichts, nichts lässt sich herauskalkulieren.«

      »Dumm bist du, in deine Hände, Gschela; lass du dir lieber was von dem Aufseher aufs Maul geben, aber überleg' nichts mit deinem eigenen Verstand, denn damit wirst du nichts zustande bringen. Ab und zu kannst du schon was mit der Faust abkriegen, aber Arbeit wirst du am Bahndamm haben und immer frisches Geld. Merk' dir das – ich, der Czerwinski, sag' es dir! und dem Czerwinski kannst du glauben, denn wie Hochwürden gesagt haben, im ganzen Kirchspiel ist er, Hochwürden, ein Kopf und der zweite – das ist Czerwinski! Gott erhalt' ihn bei Gesundheit, das ist ein kluger Schlachtziz,


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