Die Habsburger und das Übersinnliche. Gabriele Praschl-Bichler
– nicht zu vergessen – die beiden großen deutschen Klassiker, Friedrich Schiller und Wolfgang von Goethe. Letzterer hatte insgesamt zwei paranormale Erscheinungen: einmal traf er einen verstorbenen Freund und einmal sogar sich selbst in einem anderen Lebensalter. Dem Leipziger Freund, »Hofrat Rochlitz (war er) unerwartet bei strömendem Regen … (begegnet). Noch dazu in seinem, Goethes, Schlafrock und Pantoffeln! Zwar löste der Freund sich bei der Begrüßung in Luft auf, doch fand Goethe ihn gleich darauf, als er in seine Wohnung zurückkehrte, in derselben Aufmachung auf dem Sofa vor. Er wäre, sagte der Hofrat, überraschend nach Weimar gekommen, hätte Goethe besucht und erfahren, daß dieser sich auf einem Spaziergang befinde. So ließ er sich trockene Kleider aus der Garderobe des Freundes geben und erwartete ihn, sich einen Spaziergang lebhaft vorstellend, auf dem Sofa und schlief ein … (Ein anderes Mal) begegnete Goethe … seinem eigenen Gespenst. Als er Friederike von Sesenheim, Urbild des Faustschen Gretchens, verließ, kam er sich zu seinem begreiflichen Schrecken selbst entgegengeritten. In der gleichen Tracht übrigens, die er viele Jahre später trug, als er die verlassene Geliebte noch einmal besuchte.« (dies., S. 55f.)
Das unter Königin Marie Antoinette errichtete Hameau im Park von Versailles. Nahe dieses romantischen Bauerndorfs ereigneten sich alle Rückfälle in die Zeit des 18. Jahrhunderts.
Ein spannendes Lesevergnügen allen Glaubenden, Betroffenen und Zweiflern wünscht
Gabriele Praschl-Bichler
Wien, im Juni 2003
*) Parapsychologie ist die Wissenschaft, die sich mit »paranormalen« Phänomenen beschäftigt. Dazu gehören außersinnliche Erscheinungen – wie Voraussehen, Visionen; bestimmte Fähigkeiten – wie Gedankenlesen, Telepathie, das Zurückfallen in eine andere Zeit und eine Menge von Ereignissen wie der Poltergeist und die Psycho- oder Telekinese, wobei Gegenstände durch gedankliche Energie bewegt werden u.v.a.m. Unter dem Parapsychologen versteht man den ausführenden Wissenschaftler.
*) Anna von Österreich entstammte der spanischen Linie der Habsburger. Sie war eine Enkelin Kaiser Karls V. und Tochter König Philipps III. von Spanien. 1615 hatte sie König Ludwig XIII. von Frankreich geheiratet und sollte gemeinsam mit ihm 23 Jahre lang auf die Geburt des ersehnten Sohnes und Thronerben warten. Bei ihrer Heirat war sie 14 Jahre alt gewesen, zum Zeitpunkt, als sie das erste Mal Mutter wurde, 37 Jahre. Zwei Jahre später gebar sie einen zweiten Sohn, ihr letztes Kind, den späteren Herzog Philipp I. von Orléans. Er wurde der Stammvater aller heute noch lebender Bourbonen aus der Linie der Könige von Frankreich.
*) Vgl. mit dem Kapitel über Erzherzogin Elisabeth auf den Seiten 147 ff.
*) Königin Marie Antoinette von Frankreich, geborene Erzherzogin von Österreich, war eine Tochter Kaiserin Maria Theresias. Als Ehefrau König Ludwigs XVI. geriet sie in die Fänge der Französischen Revolution und wurde später – wie ihr Ehemann – von den damaligen Machthabern guillotiniert.
*) Leider konnte ich das 1911 von den beiden Engländerinnen veröffentlichte Buch »An Adventure« (»Ein Abenteuer«) in keiner Bücherei ausfindig machen. Darin hatten die zwei Frauen nicht nur ihre Erlebnisse festgehalten, sondern auch alle Eindrücke und Forschungen von späteren Besuchen in Versailles zusammengetragen. Die vorliegende, leider nicht sehr gelungene Übersetzung aus dem Englischen entstammt dem Buch »Große Mysterien – Rätselhafte Begebenheiten« von Jeremy Kingston.
2. Paranormale Phänomene in Schloß Schönbrunn und in der Wiener Hofburg
Außersinnliche Wahrnehmungen sind selbstverständlich nicht nur an die Anlage von Schloß Versailles gebunden, sondern können allerorts und jederzeit geschehen. So wurden – und werden auch noch in unseren Tagen – in den Schlössern der Habsburger immer wieder paranormale Vorfälle wahrgenommen. Denn das Auftreten solcher Phänomene hängt weniger mit der Prominenz oder der Bedeutung der früheren Besitzer zusammen als damit, daß sich in lange bestehenden Gebäuden einfach mehr Geschichte zugetragen hat als in jüngeren Häusern. Und diese reichhaltigere Geschichte wirkt dann eben nach. Die einfachste Erklärung dafür lautet: Je stärker die Ereignisse im wirklichen Leben stattgefunden haben und je weniger die Urheber oder Betroffenen die Möglichkeit hatten, sie im Leben aufzuarbeiten, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit von Erscheinungen. Am bekanntesten sind »die Gespenster toter Personen. Sie halten sich hartnäckig in alten Häusern oder Schlössern auf, am liebsten als Weiße oder Schwarze Frauen, kettenrasselnde Ritter oder gar mit dem eigenen Kopf unter dem Arm. Ammenmärchen sind das keine, im Gegenteil, diese Fälle sind im allgemeinen glänzend bezeugt. Trotzdem müssen wir uns das Jenseits nicht als Gruselkabinett und die Toten als kindische Unholde vorstellen. Ein paar von ihnen sind halt verrückt. Es gibt lebendige Narren, und es gibt tote Narren. Beide sind zu bedauern, beide sind unseres Mitleids und unserer Hilfe bedürftig. Warum also sollte es keinen Geist geben, der geisteskrank ist?« (Ingrisch, S. 57f.)
In Schönbrunn wurden – wie in etlichen anderen Habsburger Schlössern – seit Jahrhunderten paranormale Vorfälle wahrgenommen. Sogar in unseren Tagen scheint es dort noch im besten Sinne des Wortes zu spuken.
Welche Art von Geistern – harmlose, fröhliche oder geisteskranke – ihr Unwesen in Schloß Schönbrunn und in der Hofburg trieben, wird auf den folgenden Seiten zu klären sein. Feststeht auf jeden Fall, daß sowohl die Sommer- als auch die Winterresidenz der kaiserlichen Familie Schauplatz einer Menge von Erscheinungen war. Daß die um 500 Jahre ältere Burg davon wesentlich stärker betroffen war, ist nicht weiter verwunderlich. Unter den verschiedenen Phänomenen, die sich in der Stadtresidenz der Habsburger ereigneten, ist die sprichwörtlich bekannte »Weiße Frau« am häufigsten gesehen worden. Der Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia, der als Mieter selbst in der Burg wohnte, hielt in seinem Buch »Die Geheimnisse des Hauses Österreich« fest, daß er ihr zwar nie begegnet sei, legte aber immerhin großen Wert darauf, mit der nie Gesehenen verwandt gewesen zu sein. Wobei die Geschichte dieser Verwandtschaft, auf die später noch genauer eingegangen wird, einigen Aufschluß über seine Persönlichkeit gibt. Denn Lernet-Holenia dachte – ohne je von seiner Mutter oder von jemandem anderen die Bestätigung dafür bekommen zu haben – ein natürlicher Abkömmling der österreichischen Kaiserfamilie zu sein. Ganz konkret hatte er Erzherzog Karl Stephan*) als seinen Vater in Verdacht, dem er allerdings so wenig ähnlich sah wie zwei Menschen, die nicht miteinander verwandt sind. Doch ließ ihn der Gedanke an die mögliche Habsburger Abstammung niemals zur Ruhe kommen. Im lebenslangen Grübeln ob »ja!« oder ob »nein!« nahm er einen immer verbisseneren Charakter an, der ab einem gewissen Zeitpunkt sicherlich auch sein künstlerisches Schaffen beeinträchtigte.
Die stete Auseinandersetzung mit dem immer selben Thema, der nicht auszuschließenden hohen Ahnenschaft, war wohl auch einer der Gründe, warum er sich in seinen Büchern so häufig mit den Habsburgern auseinandersetzte. Und das auf sehr zwiespältige Weise: Denn während er über die früher lebenden Mitglieder der Familie zum Teil sehr amüsante und historisch bemerkenswerte Berichte verfaßte, fand er für seine Zeitgenossen aus der Kaiserfamilie meist nur hämische und bösartige Bemerkungen. Besonderen Haß hegte er gegen den letzten Regenten von Österreich, Kaiser Karl, eines der sanftmütigsten und friedvollsten Mitglieder der Familie. Beinahe möchte man glauben, daß Lernet-Holenia, der Möchtegern-Erzherzog, ihm den Status als Thronfolger und Herrscher neidete. Bei all der Aufmerksamkeit, die er dem einen bestimmten Thema widmete, vergaß der Schriftsteller in seiner Aufregung allerdings auch, daß er selbst als anerkannter außerehelicher Sohn Erzherzog Karl Stephans