Die schlechteste Hausfrau der Welt. Jacinta Nandi

Die schlechteste Hausfrau der Welt - Jacinta Nandi


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ihr leichtes Leben, ein Leben voller Luxus und Spaß. (Man sollte nicht aus dem Auge verlieren, dass nicht überall auf der Welt die Kitas so subventioniert sind wie hier in Berlin, das heißt, dass in vielen Orten eine Mutter, die nicht arbeiten geht, kein Zeichen von Luxus ist, sondern eine praktische Notlösung.)

      Aber vielleicht ist auch ein Grund, ein eher unterbewusster Grund, weshalb die Kaffeeabhängigkeit so vieler junger Mütter die Menschen so zu triggern scheint, nicht nur Neid, sondern auch ein mulmiges Schuldgefühl: Kinder großzuziehen heißt: wenig Schlaf, und wir wissen, dass die männlichen Partner oft ihren eigenen Schlaf besser beschützen, als die Frauen es tun. Die Kinderbetreuung und die Hausarbeit alleine – oder fast alleine – zu schaffen, ohne seelische Unterstützung, erschöpft viele Frauen so sehr, dass sie ohne Kaffee nicht überleben können. Die Notwendigkeit des Kaffees im Alltag junger Mütter: Vielleicht erinnert sie die Gesellschaft an ihre Erschöpfung, an ihre Anstrengung, an ihre Ausbeutung? Und wird deswegen verspottet, denn der Mensch tritt gerne nach unten, oft sogar dann, wenn er glaubt, dass er gerade nach oben zielt.

      Feminismus ist cool geworden in Deutschland, und ich freue mich darüber. Aber ein Feminismus, der keine Solidarität mit Hausfrauen hat, ist kein Feminismus. Sogar wenn diese Frauen selbst schuld sind, sogar dann, müssen sie befreit werden. Die Frage ist, wie?

      Feierabend

      Ich tropfe Lemongrass Essential Oil in eine Flasche Glasreiniger und spritze das Badezimmer voll. Ich habe nämlich gehört, dass Lemongrass gegen ADHS wirken soll. Mein großer Sohn hat eine ADHS-Diagnose, will aber die Pillen nicht nehmen, denn ihm wird davon übel. Er kotzt auf dem Weg in die Schule. Jetzt versuchen wir, sein ADHS mit Ergotherapie zu behandeln, es klappt so, naja, ein bisschen. Schaden tut es nicht. Einmal pro Woche ruft mich eine Lehrkraft aus der Schule an und sagt mir, dass es so nicht weitergeht. Ich tue, was ich kann. Heimlich ätherische Öle überall in der Wohnung verspritzen. Jetzt putze ich den Spiegel. Mein Freund kommt heute nach Hause, er ist gerade zwei Wochen weggewesen.

      Ich gucke mein Gesicht im Spiegel an und seufze. Wie ist es dazu gekommen, dass ich, Jacinta Nandi, Missy-Kolumnistin, Feministin, Riotmama, dass ausgerechnet ich aus Versehen in einer Beziehung gelandet bin, in der mein Freund erwartet, dass ich 100% der Hausarbeit und Kinderbetreuung mache? Es ist irgendwie passiert, es ging total leicht, aber ich verstehe immer noch nicht wirklich wie.

      Ich putze die Wasserhähne. Habe bei einem Putz-Podcast gehört, dass, wenn die Wasserhähne sauber aussehen, deine ganze Wohnung sauber aussieht. Ich gucke mich noch mal im Spiegel an. Lächele mich an. Mein Freund erwartet nicht nur, dass ich 100% mache, denke ich, sondern auch, dass ich es 100% perfekt mache.

      Das Baby wird bald zwei. Es stimmt, seitdem das Baby da ist, habe ich nichts beigetragen zur Miete. Die Stromrechnung habe ich bezahlt und das Telefon, aber eigentlich habe ich nichts bezahlt. Das stimmt. Aber ich habe doch auf das Baby aufgepasst! Hätte ich das nicht gemacht, hätte mein Freund nicht arbeiten gehen dürfen und Geld verdienen können und auch die Miete nicht bezahlt.

      Manchmal denke ich, er sollte mich einfach als Putzfrau einstellen. Vielleicht sollte ich ihm eine Rechnung schicken für alles, was ich tue. Vielleicht wäre er glücklicher, würde mich nicht mehr wie eine Last sehen, die ihn nur runterzieht, und ich wäre viel reicher – und ich würde nicht viel mehr putzen müssen als jetzt.

      Und manchmal denke ich, so sehr ich den Kleinen auch liebe, wenn ich gewusst hätte, dass mein Freund so viel erwarten und so wenig helfen würde, hätte ich abgetrieben.

      Wenn er da ist, sitzt er abends auf dem Sofa und guckt Sport. Oder schwedische Krimis. Manchmal, wenn die Küche sehr schmutzig ist und das Baby sehr müde, bringt er das Baby ins Bett – aber normalerweise mache ich alles, und er sitzt. Er hat Feierabend. Ich habe irgendwie nie Feierabend, wahrscheinlich denkt er, dass das okay ist, weil ich ja irgendwie auch nie Arbeit habe.

      Wer ist schuld an meiner Situation? Bin ich schuld? Bin ich wirklich so eine schlechte Hausfrau, wie er immer sagt? Es kommt mir so unfair vor. Warum bin ich die Schmutzige, die Verplante, die Chaotin? Er sitzt auf dem Sofa, guckt fern, spielt mit dem Handy, während ich Wäsche falte – aber weil ich nicht voll Marie-Kondo-mäßig falte, bin ich die Schmutzige, und er, der merkt, dass ich die Kleidung des Babys nicht gut genug gefaltet habe, der Saubere? Kommt euch das fair vor? Mir kommt’s ein bisschen unfair vor. Kommt ihm das fair vor? Manchmal denke ich, dass es ihm fair vorkommen muss! ABER WIE KANN DAS SEIN?

      Ich habe nie Feierabend, er hat immer, wenn er in der Wohnung ist, Feierabend. Diese ganze Wohnung ein Abend voller Feier für ihn – und jeder Fleck auf dem Boden, jede Nudelsalatpackung, die er im Wohnzimmer lässt und die ich nicht wegräume, ist ein Zeichen dafür, dass ich als Hausfrau versagt habe. Was ist passiert? Wie konnte das passieren? Es MUSS irgendwie meine Schuld sein.

      Oder vielleicht, sagt eine kleine Stimme in meinem Kopf, vielleicht ist es doch nicht meine Schuld. Er wird einfach nie, wirklich nie und nichts in der Wohnung mithelfen und wird das immer rechtfertigen, mit Argumenten und Weisheiten.

      »Ich bin so pingelig!«, sagte er neulich, als er bemerkt hatte, dass ich Babykleidung ungefaltet in einen Kasten geschmissen hatte. »Entschuldigung, ich komme aus der Schweiz. Vielleicht ist es in England nicht so wichtig, wie man Kleidung faltet?«

      Ich guckte ihn an und sagte nichts. Ich weiß nicht, was die Antwort ist. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Also mache ich weiter. Ich tue das Beste, was ich tun kann. Und ab und zu (normalerweise) schmeiße ich die Babykleidung ungefaltet in die Kiste.

      Ryan, der Teenager, kommt ins Badezimmer.

      »Kommt Thomas heute Abend nach Hause?«, fragt er. Er hockt auf dem Rand der Badewanne. Ich sortiere meine Shampooflaschen.

      »Ja«, sage ich.

      »Schade«, sagt er.

      »Warum schade?«, frage ich. Ich glaube, ich weiß, warum – ich habe weniger Zeit für ihn dann, und er fühlt sich so vernachlässigt.

      »Du kochst besser, wenn er nicht da ist«, sagt er. Ich bin ein bisschen enttäuscht, ehrlich gesagt. »Du kochst voll gut, wenn er weg ist. Fischstäbchen und Pommes. Eier und Bohnen und Pommes. Burger und Pommes. Fischstäbchen und Bohnen. Bratwurst und Pommes. Bratwurst und Bohnen. Champignons auf Toast. Champignons mit Käse auf Toast. Toast Hawaii. Käse auf Pommes. Wenn Thomas da ist, gibt’s immer irgendwelches Zeug mit Salat.«

      »Ich mache für euch auch Salat«, sage ich.

      »Gurke schneidest du, für Baby Leo«, sagt er.

      »Hast du gehört, wie er Gurke Nane nennt?«, frage ich.

      »Wie ein kleiner Ossi«, sagt er. »Er ist im Osten geboren. Oder? Lichtenberg ist Osten?«

      Ich nicke. Ryan ist voller Klischees über den Osten, aber weiß nie, wo Osten ist. Neulich hat er mit mir gestritten darüber, ob Potsdam im Osten ist oder nicht. Besserwisser, der es doch nicht immer besser weiß.

      »Erinnerst du dich, als du ein kleines Kind warst, du konntest nicht schlafen, und du bist rausgekommen aus deinem Zimmer, und ich habe das Badezimmer geputzt und du meintest: Oh, du putzt das Badezimmer, welche Großeltern besuchen uns morgen?«

      Wir lachen bei der Erinnerung.

      »Haben uns Großeltern besucht?«, fragt er.

      »Nee«, sage ich. »Ich glaube, es war diese schwedische Feministin, erinnerst du dich an sie? Sie hat mich voll geghostet.«

      »Riecht lecker hier drin«, sagt er und steht auf.

      »Ist gut für dein ADHS!«, rufe ich ihm hinterher.

      »Hör auf, mich heimlich mit diesen Ölen heilen zu wollen!«, sagt er. »Das ist nur der Placebo-Effekt, es klappt nur, wenn du mir sagst, dass du es machst.«

      Seine Zimmertür knallt zu. Bald muss ich Baby Leo vom Mittagsschlaf aufwecken. Ich gucke mich im Fenster an. Ich sehe okay aus, wenn ich lächele.

      »Du machst das toll«, flüstere ich. Ich lächele.


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