Der Raum, in dem alles geschah. John Bolton
mir auch gesagt, dass Paul im Laufe der Pompeo-Verhandlungen gesagt habe, ich sei »die schlechteste verdammte Entscheidung«, die Trump getroffen habe. Kelly antwortete: »Er scheint mir ein netter Kerl zu sein«, was Paul zu einer weiteren Tirade veranlasste. Das alles machte mich stolz.
Während dieser hektischen ersten beiden Wochen nahm ich auch an mehreren handelsbezogenen Treffen und Telefonaten teil. Ich war Anhänger des Freihandels, aber ich stimmte Trump zu, dass viele internationale Abkommen nicht den wahren »Freihandel« widerspiegelten, sondern den Handel steuerten und für die USA alles andere als vorteilhaft waren. Insbesondere stimmte ich zu, dass China das System ausgespielt hatte. Es verfolgte in der angeblich freihandelsorientierten Welthandelsorganisation (WTO) eine merkantilistische Politik, während es gleichzeitig geistiges Eigentum der USA stahl und erzwungene Technologietransfers betrieb, die uns über Jahrzehnte hinweg Kapital und Handelsverkehr in unkalkulierbarem Maße raubten. Trump verstand, dass eine starke US-Binnenwirtschaft entscheidend für eine wirksame Projektion der politischen und militärischen Macht der USA war (nicht dass er, wie ich zu verstehen begann, allzu viel projizieren wollte), ein Grundsatz, der für China und alle anderen galt. Und ich hatte rein gar nichts mit Entscheidungsfindungs- und Zuweisungsprozessen der WTO zu tun, die die nationale Entscheidungsfindung dominieren sollten. In diesem Punkt stimmte ich völlig mit dem US-Handelsbeauftragten Bob Lighthizer überein, einem ehemaligen Kollegen von mir, mit dem ich Mitte der siebziger Jahre bei Covington & Burling zusammengearbeitet hatte.
Unter Trump war die Entscheidungsfindung in Handelsfragen jedoch qualvoll. Es hätte einen geordneten Weg geben können, indem man die interinstitutionelle Struktur des NSC genutzt hätte, in gemeinsamer Führung mit dem Nationalen Wirtschaftsrat von Kudlow, um handelspolitische Optionen zu entwickeln, jedoch hielt das nur eine Person für eine gute Idee: ich. Stattdessen wurden die Themen in wöchentlichen Sitzungen unter dem Vorsitz von Trump im Roosevelt Room oder im Oval diskutiert, die eher einer Essensschlacht unter College-Studenten ähnelten als sorgfältiger Entscheidungsfindung. Nie wurden auf den niedrigeren Ebenen zwischen den Behörden Anstrengungen unternommen, die Themen und Optionen zu klären. Hätte ich an Yoga geglaubt, hätte ich es wahrscheinlich nach diesen Sitzungen gut gebrauchen können. Ende April nahm ich an meinem ersten Treffen zu Handelsfragen teil, zur Vorbereitung einer Reise von Mnuchin und Lighthizer nach Peking. Trump warf ein, dass »Zölle der beste Freund des Menschen sind«, was mich erschauern ließ, aber immerhin sagte er zu Mnuchin: »Sie gehen nach China, um denen in den Arsch zu treten.« Das wiederum gefiel mir. Trump sah mich an und sagte, dass China Sanktionen gegen Nordkorea rigoros vollstreckte, weil man einen Handelskrieg mit uns befürchtete, was nur teilweise richtig war: Meiner Ansicht nach setzte China die Sanktionen nicht rigoros durch.66 Mnuchin und Kudlow sagten eine globale Wirtschaftskrise voraus, falls ein echter Handelskrieg ausbräche, aber Trump tat ihre Bedenken ab: »Den Chinesen sind wir scheißegal; sie sind kaltblütige Killer [im Handel].« Ich konnte ahnen, dass es bei den Handelsfragen wild zugehen würde.
Macron traf am 24. April zum ersten Staatsbesuch der Trump-Regierung ein, empfangen mit einer Zeremonie, die selbst die Franzosen beeindruckt haben muss. Zum Bedauern der Presse ging nichts schief. Die französische und die US-Delegation stellten sich auf dem Südrasen auf, während der Präsident und die First Lady im diplomatischen Empfangsraum auf die Ankunft der Macrons warteten und die Militärkapellen spielten. Ich fragte Dunford irgendwann nach dem Namen eines der Lieder, und er fragte den Kommandeur des Militärbezirks Washington, aber keiner von beiden wusste es. »Noch eine Enttäuschung«, sagte Dunford, und wir lachten beide. Ich war beeindruckt von all dem militärischen Prunk, vor allem als das »Old Guard Fife and Drum Corps« in Uniformen des Revolutionskrieges aufmarschierte und »Yankee Doodle« spielte. Das entschädigte für eine Menge bürokratischer Qualen.
Vor dem Einzelgespräch zwischen Macron und Trump im Oval kam der Pressemob für die üblichen Fotos und Fragen hereingeschlurft. Trump bezeichnete den Iran-Deal als »verrückt«, »lächerlich« und Ähnliches.67 Ich fragte mich, ob die Leute es diesmal ernst nehmen würden. Nachdem die Presse aus dem Oval entlassen worden war, sprachen Trump und Macron viel länger als erwartet unter vier Augen. Während des Gesprächs erklärte Trump Macron in erster Linie, wie Trump mir später erzählte, dass wir aus dem Iran-Deal aussteigen würden.68 Macron versuchte Trump davon zu überzeugen, nicht auszusteigen, scheiterte aber. Stattdessen bemühte sich Macron darum, Trump in einen größeren Verhandlungsrahmen aus »vier Säulen« einzubinden, der in der erweiterten Sitzung im Cabinet Room nach dem Einzelgespräch erörtert wurde (die vier Säulen waren: der jetzige Umgang mit dem iranischen Atomprogramm, der zukünftige Umgang damit, Irans Raketenprogramm sowie regionaler Frieden und Sicherheit).69 Macron war ein cleverer Politiker, der versuchte, aus einer klaren Niederlage etwas zu machen, das aus seiner Sicht zumindest etwas positiv klang. Während des Treffens sprach er fast ausschließlich auf Englisch, und er äußerte sich unmissverständlich zu dem Abkommen: »Niemand hält den Deal für ausreichend«70 und argumentierte, wir sollten auf der Grundlage der vier Säulen auf »ein neues, umfassendes Abkommen« hinarbeiten. Während des Treffens fragte Trump mich nach meiner Meinung über das Iran-Abkommen. Ich sagte, dass es den Iran nicht davon abhalten würde, Atomwaffen zu bekommen, und dass es keine Möglichkeit gäbe, die grundlegenden Mängel des Abkommens zu »beheben«. Da ich Trumps Neigung kannte, Deals über alles Mögliche zu machen, erwähnte ich Eisenhowers berühmte Bemerkung »Wenn du ein Problem nicht lösen kannst, dann erweitere es« und sagte, auf mich wirke es so, als täte Macron genau das. Dem konnten wir uns nach der Rücknahme und Wiedereinführung der US-Sanktionen zuwenden, wozu wir, wie Mnuchin bekräftigte, »völlig bereit« waren.
Trump, der Baumeister, sagte: »Man kann nicht auf einem schlechten Fundament bauen. Kerry hat einen schlechten Deal gemacht. Ich sage nicht, was ich tun werde, aber wenn ich den Deal beende, bin ich offen dafür, einen neuen Deal zu machen. Ich würde lieber versuchen, alles zu lösen, als es so zu lassen, wie es ist.« Wir sollten, so sagte er, »lieber einen neuen Deal aushandeln, als einen schlechten Deal zu reparieren«71 (Macron sagte Trump in einem späteren Anruf, dass er sich beeilen wolle, einen neuen Deal zu finden, was bei Trump keinerlei Resonanz hervorrief). Das Treffen wandte sich dann dem Handel und anderen Themen zu und brach um 12.25 Uhr ab, um die gemeinsame Pressekonferenz vorzubereiten. Bei dieser Veranstaltung sagte keiner der beiden Staatschefs viel Neues oder Anderes über den Iran, obwohl Trump an einer Stelle bemerkte: »Niemand weiß, was ich tun werde … obwohl Sie, Herr Präsident, eine ziemlich gute Vorstellung davon haben.«72 Das Staatsbankett in Abendgarderobe später war sehr schön, zumindest wenn man gerne bis 22.30 Uhr isst. Gretchen und ich ließen das anschließende Unterhaltungsprogramm aus, ebenso wie John Kelly und seine Frau Karen, die wir trafen, als wir alle auf dem Heimweg Aktenkoffer und Arbeitskleidung aus unseren Büros holten.
Die Vorbereitungen für den Ausstieg aus dem Abkommen machten einen Riesenschritt nach vorn, als Mattis am 25. April zustimmte: »Wenn Sie sich zum Rückzug entschließen, kann ich damit leben.« Enthusiastische Unterstützung sah anders aus, aber immerhin signalisierte dies, dass Mattis sich deswegen nicht die Haare ausreißen würde. Dennoch wiederholte Mattis bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass er gegen den Ausstieg war, worauf Trump einige Tage später entschlossen erwiderte: »Ich kann nicht drin bleiben.« Das war die endgültige Aussage, dass wir aussteigen würden. Später, am Morgen des 25. April, betonte Trump mir gegenüber noch einmal, dass er wollte, dass Mnuchin mit »den schärfstmöglichen Sanktionen« bereitstand, wenn es so weit war. Ich traf mich an diesem Morgen auch mit Étienne, und mein klarer Eindruck war, dass Macron die französische Seite nicht vollständig über das Einzelgespräch mit Trump informiert hatte. Das war eine ausgezeichnete Nachricht, denn es bedeutete, Macron hatte voll und ganz verstanden, dass Trump ihm gesagt hatte, dass wir im Begriff waren, uns zurückzuziehen.
Der Gipfel von Trump und Merkel am 27. April war eher ein »Arbeitsbesuch« denn ein »Staatsbesuch«, also nicht so prunkvoll wie der von Macron. Trumps Einzelgespräch mit Merkel dauerte nur fünfzehn Minuten und fand vor der größeren Sitzung im Cabinet Room statt, die er eröffnete, indem er sich darüber beklagte, dass Deutschland »die Bestie« (d.h. Russland) durch die Nord-Stream-2-Pipeline »fütterte«, und dann zur Europäischen Union überging, von der er meinte, dass sie die USA schrecklich behandelte. Für mich war klar, dass Trump Deutschland für Russlands Gefangenen hielt. Trump benutzte auch einen Spruch,